»Es ist so bedrückend.« Die Betonung liegt auf »so«, und das »o« zieht das Gemeindemitglied der Synagogen-Gemeinde Köln (SGK) besonders in die Länge. Niedergeschlagen blickt der Mann, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen möchte, auf die Kolonne von Einsatzfahrzeugen und Mannschaftswagen der Polizei, die auf der Fahrbahn gegenüber dem Gotteshaus an der Roonstraße aneinandergereiht stehen.
Selbst in einigen Zufahrtsstraßen zu dem Gebäude im neoromanischen Stil stehen Polizeibeamte. Zu groß ist die Sorge, dass sich gewaltbereite und oder antisemitische Protestler aus der im Herzen der Innenstadt soeben aufgelösten Palästinenser-Demonstration lösen und vor der Synagoge ihrem Hass auf Israel freien Lauf lassen. »Was macht das nur mit unseren Kindern?«, fragt das Gemeindemitglied und weist darauf hin, dass die jungen Gemeindemitglieder durch die Bedingungen der Pandemie doch ohnehin schon erheblichen Belastungen ausgesetzt sind. Nun kommt das Gefühl von Unsicherheit und Bedrohung – in ganz Deutschland – hinzu.
Alarmbereitschaft Die Ereignisse in anderen nordrhein-westfälischen Städten in den Tagen zuvor, wie beispielsweise in Bonn, Düsseldorf und vor allem Gelsenkirchen, hatten die verantwortlichen Sicherheitskräfte, auch innerhalb der SGK, in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Wie berechtigt die Sorge war, ließ sich beobachten, als die Polizei die Demonstration aufgrund der Nichteinhaltung von Corona-Auflagen auflöste. Besonders aufgeheizt und aggressiv wurde die Stimmung unter den rund 800 Teilnehmern – offiziell angemeldet waren 300 bis 400 Personen –, als die Einsatzkräfte die grölende Menge zum Bahnhof begleitete.
»Ich hatte eigentlich gerade einige schöne Tage in Israel«, sagt das Gemeindemitglied. Dort habe es die wiedergewonnenen Freiheiten nach der weitestgehenden Aufhebung der Einschränkungen des öffentlichen Lebens genossen. Dann reiste der Mann in dem Moment ab, als das Land erneut aus dem Gaza-Streifen angegriffen wurde. »Nun mache ich mir ständig Sorgen um Freunde und Angehörige und habe auch noch täglich hier mit dieser Situation zu tun«, sagt der Mann und setzt mit spürbarer, ja geradezu sichtbarer Müdigkeit hinzu: »Einfach bedrückend.«
Der vergangene Schabbat war in der Tat besonders intensiv für die Synagogen-Gemeinde. Nachmittags die stundenlangen Patrouillen der Polizei und die ständige Sorge vor einem Akt der Aggression gegen die Gemeinde. Vormittags hingegen gab es ein besonderes Zeichen der Solidarität. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) nahm gemeinsam mit seiner Frau am Gottesdienst teil. »Das vom Besuch ausgehende Signal ist für die jüdische Gemeinschaft in Köln und ganz Nordrhein-Westfalen bedeutsam. Es unterstreicht die Solidarität und Verbundenheit von Herbert Reul und der Landesregierung mit den etwa 4000 Mitgliedern der Synagogen-Gemeinde Köln«, betonte der vierköpfige Vorstand der Gemeinde in einer Erklärung.
Meldestelle Ob das von diesem Besuch »ausgehende Zeichen« ankommt? Die Verantwortlichen der Kölner Meldestelle für Antisemitismus, die erst vor zwei Monaten ihre Arbeit offiziell aufgenommen hat, berichten, dass sie bereits zahlreiche Meldungen über die unterschiedlichsten Erscheinungsformen des Antisemitismus in Köln erhalten haben. Vor zwei Wochen waren in der Kölner Innenstadt drei Stolpersteine, die an deportierte und ermordete Kölner Juden erinnern, mit den Buchstaben der gegen Israel gerichteten Boykottbewegung BDS beschmiert worden.
Ein wiederum bedrückender Befund – zumal in eben der Stadt, die so viel Wert auf ihr jüdisches Erbe mit der nachweislich ältesten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen legt. Besonders von Köln soll doch eigentlich im aktuell laufenden Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« ein nachhaltiges Signal der Verbundenheit ausgesendet werden. Nun steht auch Köln in der Reihe von deutschen Städten und Gemeinden, die mit Antisemitismus verbunden werden. Bedrückend.