Es kommt nicht alle Tage vor, dass eine amerikanische Botschafterin in einer deutschen Schule auftaucht, um mit Schülerinnen und Schülern zu diskutieren. Deshalb sind die Erwartungen der Jugendlichen hoch, als am Dienstag Amy Gutmann zu ihnen kommt. Sie möchte mit ihnen darüber sprechen, was man gegen Rassismus, Hass und Antisemitismus tun kann.
Sie dürften Auseinandersetzungen mit Rassisten nicht scheuen – auch wenn das Ärger machen könne, sagt die Botschafterin. Denn das sei »good trouble« im Sinne der Demokratie. Die Botschafterin wird nach einer knappen Stunde von der Helene-Lange-Schule in Hannover mit geradezu frenetischem Beifall verabschiedet.
Mehr als 1000 Schülerinnen und Schüler
Mehr als 1000 Schülerinnen und Schüler besuchen das Gymnasium im hannoverschen Stadtteil Linden, der ebenso hip wie multikulturell geprägt ist. Die bedeutende jüdische Publizistin Hannah Arendt sei nur einen Steinwurf von hier geboren worden, erwähnt Schulleiter Matthias Zeidler in seiner kurzen Begrüßung. Es sei eine »distinctive honour«, dass Professorin Gutmann ihren Weg hierher gefunden habe, betont der Schulleiter noch. Aufbrandender Beifall in der Aula zeigt, dass dies offenbar auch die Schülerinnen und Schüler so empfinden.
Amy Gutmann ist seit Februar 2022 US-Botschafterin in Berlin und besucht im Rahmen der Kampagne »Stand up and speak out« unter anderem Schulen in Deutschland, um vor allem junge Menschen zum Widerspruch aufzufordern, wenn Zeitgenossen rassistische, antisemitische oder menschenverachtende Sprüche oder Gedanken von sich geben.
Als Gutmann die Helene-Lange-Schule auswählte, war noch nicht bekannt, dass sich einige Schüler des 12. Jahrgangs in Chats offenbar rechtsextremistisch geäußert hatten. Die »taz« berichtete, eine anstehende Klassenfahrt sei als »Rassenfahrt« geplant, mit einem »Dr. Höcke« als begleitende Lehrkraft. Als der Chat bekannt wurde, hagelte es Protest. Er wurde schnell gelöscht.
In der Aula des Gymnasiums ist von diesem Vorfall nichts mehr zu spüren. Die Schüler haben den Besuch der Botschafterin gut vorbereitet, ihre Mitschüler Daniel Khalil und Lotte Fischer mit der Botschafterin aufs Podium gesetzt und dazu noch die Hannoveranerin Amanda Reich.
Die Stunde im Gymnasium ging viel zu schnell zu Ende.
Es sei wunderbar, hier unter so vielen jungen Leuten zu sein, sagt Amy Gutmann. Und sie sagt auch, was sie zu ihrer Mission gebracht habe: die Geschichte der eigenen jüdischen Familie, deren Vorfahren über Jahrhunderte in Deutschland, zuletzt in der Gegend um Nürnberg gelebt haben.
Die Schüler hören aufmerksam zu, als Gutmann berichtet, dass ihr Vater wegen seiner Religion aus Deutschland emigrieren musste und in den USA eine neue Heimat fand. Sie selbst habe viel Rassismus erfahren, gegen den man sich zur Wehr setzen müsse. »Hass verbreitet sich wie ein Virus, wenn du dich nicht dagegen wehrst«, sagt Gutmann. Und dass auch das Schweigen Unrecht bedeuten könne.
»Wie wird man eigentlich Botschafterin?«
Besonders still wird es im Auditorium, als Gutmann berichtet, wie Präsident Joe Biden bei ihr angerufen und sie gefragt habe, ob sie nicht für ihn nach Berlin gehen wolle. »Wie wird man eigentlich Botschafterin?«, hatten die Moderatoren gefragt. Nach einer knappen Stunde ist der Auftritt vorüber. »Eigentlich schade, wir hatten noch einige Fragen«, sagt Moderatorin Lotte Fischer, etwa zu dem jüngst in Russland ermordeten Alexej Nawalny.
Aber der Terminkalender einer Botschafterin ist eng getaktet. Und die nächste Begegnung wartet: ein ebenfalls einstündiges Treffen mit Michael Fürst vom Landesverband der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen. Auch dort sprach man darüber, was die demokratische Gesellschaft derzeit zusammenhält. Etwa der Dialog über Religionen und Nationalitäten hinweg, den Fürst mit Yazid Shammout führt, dem Vorsitzenden der Palästinensischen Gemeinde in Niedersachsen. Es sei ein hervorragender Austausch gewesen, meinte Fürst über sein Treffen mit der Botschafterin. Das sagen die Schülerinnen und Schüler über ihr Treffen genauso.