Konrad O. Bernheimer ist eine unerschöpfliche Quelle für deutsch-jüdische Geschichte am Beispiel seiner eigenen Familie. Beschrieben hat er sie in seinem 2013 erschienenen Werk Narwalzahn und Alte Meister. Aus dem Leben einer Kunsthändlerdynastie. Und er ist ein kenntnisreicher Erzähler, der Zeitgeschichte so anschaulich zu vermitteln weiß, dass man sie nie mehr vergisst.
So ist von ihm auch zu erfahren, wie seinem Großvater Otto, der wie alle männlichen Familienmitglieder nach der sogenannten Kristallnacht ins KZ Dachau verschleppt wurde, die Emigration nach Venezuela gelang. Zuvor war dem Enteigneten und Beraubten ein letzter Besuch im Palais Bernheimer, dem Stammsitz der Familie, gewährt worden.
porträts Als er sich dort nach den Porträts der Familie erkundigte, hieß es, die Bilder von alten Juden dürfe er mitnehmen. So »hingen die Porträts dann in der Kaffeeplantage in Venezuela an der Wand«, berichtet der Enkel. Und kehrten schließlich wieder nach München zurück, genauso wie Otto Bernheimer, der nach Kriegsende keinen anderen Wunsch hatte, als sich am Wiederaufbau, vor allem des Kunsthandels, zu beteiligen.
Wer die Verfilmung des Romans Die Geschwister Oppermann von Lion Feuchtwanger und Heinrich Breloers preisgekrönten TV-Dreiteiler Die Manns – Ein Jahrhundertroman gesehen hat, der kann nur ungeduldig auf einen Mehrteiler über »Die Bernheimers« warten.
Konrad O. Bernheimer wurde – ganz in der Familientradition – Kunsthändler und Sachverständiger für Alte Meister. Auf dem Weg in einen regen Ruhestand entdeckte er das Schreiben für sich. So begann er zunächst mit einer Familienchronik, die inzwischen geradezu nach einem Drehbuch ruft. Ferner verfasste er eine einladende »Gebrauchsanweisung fürs Museum« und arbeitet derzeit an seinem zweiten Kunstkrimi. Gut organisiert, wie er ist, vergaß er darüber aber nicht, die Wertgegenstände einer der renommiertesten jüdischen Familien in München zu sichten und ihren Erhalt zu sichern.
festakt So kam es Mitte Oktober im Rahmen eines Festakts im Jüdischen Gemeindezentrum schließlich zur Übergabe der liebevoll »Bernheimerabilia« genannten, teilweise über Jahrhunderte gehüteten Familienporträts und anderer Objekte – wie handkolorierte Zeichnungen von Innenausstattungen des Einrichtungshauses Bernheimer, das Firmenschild vom Haupteingang oder Zierleisten aus der Angebotspalette. Für den Anlass hatte das Jüdische Museum München die Lenbach-Porträts des Firmengründers Lehmann Bernheimer und seiner Frau Fanny aufstellen lassen.
Anton Biebl, der in Vertretung des Münchner Oberbürgermeisters und in seiner Funktion als Kulturreferent der Stadt München die Schenkung annahm, betonte, die dem Jüdischen Museum überlassenen Objekte aus Familien- und Kunsthandelsbesitz seien »nicht nur wichtige Zeugnisse zur Geschichte des für München so bedeutenden Kunst- und Antiquitätenhandels, sondern sie sind auch ein Zeugnis des Wirkens einer für München so wichtigen Familie, die zwischen 1933 und 1945 wie so viele andere jüdische Familien Münchens zum Opfer der Ausgrenzung, Verfolgung, Vertreibung und in vielen Fällen auch der Vernichtung wurde«. Mit der Annahme dieser Schenkung gehe die Stadt auch die Verpflichtung ein, dass die Kunstobjekte »dauerhaft erhalten bleiben und zu einem Teil des historischen Erbes Münchens werden«.
Auch die Bernheimers wurden Opfer von Ausgrenzung, Verfolgung und Vertreibung.
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sprach tief bewegt von der »Ehre, dass die Bernheimer’schen Familienporträts ihren Weg in die Obhut der Stadt München finden« und »dass diese Übergabe hier in unserem Hause stattfinden kann. Das ist ein wichtiges Symbol und bleibt im Gedächtnis«.
Für Knobloch, die selbst einer deutsch-jüdischen Familie entstammt, ist es wichtig, das Wissen über die jüdische Präsenz in Deutschland, wie es das gegenwärtige Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« vermittle, zu konkretisieren – »einzelne jüdische Menschen, Menschen mit Geschichten, mit Hintergründen. Mit Erfahrungen und Erzählungen, mit Gegenständen voller Erinnerungen und Generationen um Generationen, die eine lange Tradition bildeten«. Und sie fuhr in ihrer Ansprache fort: »Wenn wir dieses ›jüdische Leben‹ deshalb konkret in ein Beispiel übersetzen sollten, dann wären es ganz klar die Bernheimers, die diese Geschichte, dieses Miteinander und Nacheinander von Individuen, so besonders verkörpern.«
unterstützung Konrad O. Bernheimer, Vater von vier Töchtern, wollte die »Familienheiligtümer«, als welche die Porträts der Vorfahren verstanden werden, zusammenhalten und fand dafür die Unterstützung seiner Angehörigen. Er recherchierte unter anderem, wie Meier Bernheimer mit seinem Sohn Lehmann zweimal im Jahr auf die Auer Dult kam, wie der Tuchhändler in den 1860er-Jahren ein Ladengeschäft erst am Salvatorplatz, dann in der Kaufinger Straße eröffnete und schließlich das Palais Bernheimer am Lenbachplatz bauen ließ.
Der Adel und das Großbürgertum fanden dort alles, was ein international vernetztes Einrichtungshaus zu bieten hatte. Als der zum Königlichen Hoflieferanten und Geheimrat ernannte Lehmann Bernheimer die Augen schloss, hinterließ er seinen Söhnen ein florierendes Unternehmen, das es bis zur NS-Zeit blieb. Bernheimer, der erst beim Begräbnis seines Großvaters Otto auf dem Neuen Israelitischen Friedhof auf die jüdische Vorgeschichte seiner Familie stieß, war es wichtig, die Schenkung mit dem Namen von Charlotte Knobloch zu verknüpfen, die sich über die Jahre so vehement dafür eingesetzt hat, jüdisches Leben wieder in der Mitte Münchens zu verankern.
Bernhard Purin, Direktor des Jüdischen Museums München, kündigte beim Festakt im Jüdischen Gemeindezentrum an, dass er in etwa zwei Jahren eine Ausstellung mit Porträts jüdischer Bürger Münchens plane. Die Gemälde der Ururgroßeltern sowie der Großeltern Bernheimer würden dabei einen zentralen Platz einnehmen.