Für einen Koffer ist er relativ leicht: Gerade mal 2,2 kg Gewicht bringt er auf die Waage. Aber das, was in ihm steckt, ist schwer. Denn der sogenannte Dokumentenkoffer mit dem Namen »Geschichte(N) teilen« vom Haus der Wannsee-Konferenz (GHWK) beinhaltet Mappen, Fotos, Zeitzeugenberichte und historische Papiere rund um den Nationalsozialismus.
Entwickelt haben die Dokumentensammlung, die ein Kooperationsprojekt zwischen dem Verein Miphgasch/Begegnung und der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz ist und von der Stiftung Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« unterstützt wurde, Elke Gryglewski und Franziska Ehricht von der Bildungsabteilung der GHWK.
Workshops Doch diese Sammlung, die für Schüler ab der 9. Klasse zugeschnitten wurde, ist nur eine Möglichkeit, wie der Gedenkort Kindern, Teenagern, aber auch Erwachsenen das vermitteln möchte, was vor 70 Jahren am Wannsee geschah. Neben Führungen durch die ständige Ausstellung gibt es Studientage.
Während dieser meist eintägigen Workshops bearbeiten Schüler einen Themenkomplex. »Man muss dabei sehr sensibel vorgehen«, sagt Wolf Kaiser, Leiter der GHWK-Bildungsabteilung. »Das Programm muss neben historisch korrekt auch altersgerecht sein, um zu Beispiel ganz junge Schüler psychisch nicht zu überfordern.«
Ganz jung, das sind in der Gedenkstätte meistens Kinder der 5. und 6. Klasse. Sie setzen sich mit Themen wie Judenverfolgung auf einer abstrakteren Ebene auseinander, als es Erwachsene im GHWK tun. »Wir führen Kinder langsam an ein Thema heran und versuchen Empathie für ein einzelnes Schicksal zu erzeugen«, sagt Kaiser.
So kann ein Studientag sich zum Beispiel derart gestalten, dass die Kinder nach einem Einführungsgespräch, das sich nach den individuellen Kenntnissen richtet und in dem Informationen »sortiert werden sollen«, wie es in der Beschreibung lautet, einen Film zu einer Biografie sehen und anschließend »ihre Empfindungen darüber zum Ausdruck bringen«, beschreibt Kaiser.
Erwachsene Ganz anders sieht es aus, wenn Oberschüler oder auch Berufsschulen an den Gedenkort kommen. »Wenn wir beispielsweise Auszubildende aus dem technischen Bereich im Haus haben, dann kann man mit ihnen, wenn es von der Gruppe gewünscht wird, darüber sprechen, welche Rolle Technik als Mittel der Destruktion im Dritten Reich gespielt hat«, sagt der Bildungsabteilungsleiter.
Und auch wenn Lehrer ins Haus kommen, gestaltet sich das Programm anders. Je älter die Besucher werden, desto selbstständiger sollen sie sich mit Rassismus, Antisemitismus und Verfolgung auseinandersetzen. Immer aber steht ihnen eine fachliche und pädagogische Beratung beiseite. »Wenn wir gefragt werden, beraten wir gern und manche Schulklassen oder auch Erwachsenengruppen melden sich nach ihrem Besuch wieder bei uns.«
Mit pädagogischen Programmen hat die Gedenkstätte Erfahrung. »Wir haben unsere Führungen von Anfang an angeboten«, sagt Kaiser. Aber in den vergangenen Jahren habe sich der Gestaltungsrahmen doch sehr verändert. Workshops für Oberstufenzentren und Erwachsene seien dazugekommen. Um die Bildungsangebote auf den neuesten Stand der Forschung zu bringen, stehe man in laufendem Kontakt mit anderen Einrichtungen, gebe aber auch an andere Institutionen die Erfahrung weiter.
So werden Konzepte von der pädagogischen Abteilung ausprobiert und auch schon mal verworfen, wenn sich herausstellt, dass sie nicht so ankämen. Ein Online-Angebot gibt es noch nicht, denn dafür fehlten die Ressourcen: »Es reicht nicht, einfach nur eine Seite online zu stellen. Die Inhalte müssen gepflegt werden«, sagt Kaiser.
Migrationshintergrund Ein besonderer Aspekt im pädagogischen Programm der Gedenkstätte ist, Jugendlichen mit sogenanntem Migrationshintergrund die Verbrechen des Nationalsozialismus näher zu bringen und sie für Geschehenes zu sensibilisieren. »Man muss sie dafür interessieren und ihnen zeigen, dass sie – wenn sie auch nicht in Deutschland geboren sein sollten – etwas mit der Geschichte zu tun haben«, sagt Wolf Kaiser. So finden sich in den zehn Themenmappen im Dokumentenkoffer auch Berichte, wie »Ein Araber, der Juden rettete« oder »Der Zeitpunkt seiner Entlassung ist unbestimmt. – B. Mohamed Husen – Leben als Schwarzer im NS-Staat«.
Alles, betont Kaiser, sei ein Angebot. Aber die Jugendlichen mit zum Beispiel türkischem, französischem oder griechischem Familienhintergrund empfinden es – der Erfahrung nach – als Anerkennung, wenn sie mit eingebunden werden.