Die Idee zu einem gemeinsamen Kochbuch hatten Barbara Guggenheim, Judith Landshut und Gabriela Fenyes bereits vor mehr als zwei Jahren. Es ging ihnen darum, mit den Rezepten aus aller Welt ein Stück verloren gegangener Kultur zurück an die Elbe zu holen. Barbara Guggenheim erzählte, wie sie vor einigen Jahren auf eine Rezeptesammlung von Wilhelmsburger Schülern stieß: »Heimat im Topf hieß das, und dieser Titel blieb bei mir hängen.«
Warum gab es das eigentlich noch nicht von jüdischen Auswanderern? Und so nahm die Idee des Kochbuchs Gestalt an. Das Hamburger Trio begann daraufhin, Rezepte auf der ganzen Welt zu sammeln. Und stellte dabei schnell fest, welch bedeutende Rolle das Essen auch in ihrer eigenen gemeinsamen Migrationserfahrung gespielt hatte.
Identität Im Amerikazentrum Hamburg stellten die Initiatorinnen ihre Arbeit an dem Buch anlässlich des Jewish History Month in den USA vor. Bei der Veranstaltung gab es eine wissenschaftliche Begleitung. Miriam Rürup, Direktorin des Instituts für die Geschichte der Deutschen Juden, betonte, was für ein wichtiger Teil des Alltags und der Identität Essen und Kochen in der Migration waren und sind.
Dazu gab Viola Alianov-Rautenberg, die ihre Dissertation über deutsche Hausfrauen im Palästina der 30er-Jahre verfasst hat, den 60 Gästen einen historischen Einblick in den Küchenalltag jener Zeit. Dabei wurde klar, welche Umstellung und Anpassung die Migration oft bedeutete.
Allein durch den Klimazonenwechsel hieß es plötzlich, die bekannten Gerichte zu verändern oder gleich ganz darauf zu verzichten. Aus fettiger wurde leichte Küche. Viel Gemüse und Salat prägten die frühe jüdische Küche in Palästina. Vor allem Zucchini, Auberginen und Okraschoten standen symbolisch für die neuen Rezepte.
Rezept In vielen Familien gab es das Haushalts-Lexikon für Eretz Israel. Den Rezepten merkte man die deutsche Vergangenheit noch deutlich an: deftige Kartoffelgerichte, Spätzle, Schnitzel, Blumenkohl und Apfelkuchen. Die Küche ist ein Ort, an dem der »Geschmack der Vergangenheit« bewahrt werden kann.
Dass weitergegebene Rezepte auch immer Familiengeschichten und soziale Netzwerke verkörpern, stellten auch die drei Buchautorinnen fest. Oft finden sich kleine Randvermerke, die auf den ursprünglichen Erfinder des Rezepts schließen lassen, eine Freundin oder Verwandte der Familie. Manchmal wurden ihnen sogar ganze handgeschriebene Kochbücher zugeschickt.
Gefunden haben die Autorinnen ihre Rezepte durch einen weltweiten Aufruf an ehemalige Hamburger Juden, und die Resonanz war überwältigend. Viele Angehörige der damaligen Migranten hatten ein Interesse daran, das gesammelte Küchenwissen zu bewahren und auch wieder mit seinem Herkunftsort zu verbinden. »Wir wollten, dass die damalige jüdische Bevölkerung Hamburgs in allen Facetten vertreten ist«, sagt Guggenheim.
Jedes Rezept, das schließlich seinen Weg in das Buch fand, wird begleitet von einer kleinen Biografie der Urheber und oft einer Anekdote zum Gericht. Damit das Buch auch international von den Nachfahren der ersten Migrationsgeneration genutzt werden kann, wird es zweisprachig erscheinen, auf Deutsch und Englisch. Außer Rezepten bietet es auch eine kleine Kulturgeschichte, die vom Leben und Alltag der Migranten berichtet. Erscheinen wird das Jüdische Kochbuch aus Hamburg im Oktober im Verlag Dölling und Galitz.