Invictus Games

General trifft Fallschirmjäger

Strahlender Sonnenschein, ein angenehmer Spätsommervormittag. Gleich wird das israelische Radteam seine Trainingseinheit an diesem Donnerstag auf der Rennstrecke absolvieren. Sie ist am Rande des weitläufigen »Invictus Games«-Geländes aufgebaut, das sich rund um die Düsseldorfer Merkur Spiel-Arena erstreckt.

Doch bevor die fünf Sportler ihre letzten Runden vor dem Wettkampf am nächsten Tag starten, läuft noch eine ganz besondere Trainingseinheit: Der Trainer des Cycling-Teams aus Israel, Yoseph Polak, und der Inspekteur der deutschen Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, drehen eine Runde gemeinsam. Beide auf dem Liegerad, der eine mit Hand-, der andere mit Beinantrieb.

HANDBIKER Trainer Yoseph Polak verlor im Alter von 20 Jahren den linken Unterschenkel durch einen Unfall bei einer Nachtübung als Fallschirmjäger. Seit Jahren schon ist er passionierter Handbiker. Seine Tochter und seine Ehefrau haben ihn am Morgen bereits früh zur Vorbesprechung mit dem Team der Bundeswehr begleitet.

Roni Polak ist mit ihren Eltern aus Düsseldorfs Partnerstadt Haifa angereist, um die sportliche Großveranstaltung für im Krieg verletzte Soldatinnen und Soldaten vor Ort miterleben zu können. Und um ihren Vater zu unterstützen. Die zugewandte, lockere, verbindende Atmosphäre bei den Wettkämpfen und auf dem gesamten Gelände begeistert die junge Frau. »Für mich ist es sehr herzerwärmend zu sehen – Rehabilitation und Freundschaft sind die wichtigsten Dinge hier.«

Freundschaftlich und gelöst wirken auch die beiden Liegerad-Biker Yoseph Polak und Ingo Gerhartz, als sie ihre morgendliche Radrunde beendet haben. Und sie sind etwas erschöpft von den ersten Kilometern des Tages. Sie rollen ins Ziel, bremsen ab, atmen schwer. »Time out«, sagt der Generalleutnant, leicht aus der Puste geraten. Handshake und eine Umarmung von Liegerad zu Liegerad schließen diese besondere Trainingseinheit ab.

Sie rollen ins Ziel, bremsen, atmen schwer. Es war anstrengender als gedacht.

Für den Chef der Luftwaffe war es das erste Mal auf einem Liegerad. Daher startete der Tag zunächst mit einer Einweisung, ein Mitglied des israelischen Teams hatte ihm das grüne Liegerad als Leihgabe gern zur Verfügung gestellt. Dann ging es los auf dem Gelände der Invictus Games, auf der offiziellen Radrennstrecke. Ein weiterer Abschnitt führte schließlich auch am Rhein entlang.

Generalleutnant Gerhartz äußert Anerkennung für seinen 63-jährigen Trainingskollegen und Handbiker Yoseph Polak. »Als wir eben am Rhein entlanggefahren sind, hat er mir gezeigt, wie schnell er mit seinem Handbike fahren kann. Er macht das ja rein aus der Kraft der Arme heraus, und ich kam nicht mehr hinterher, obwohl ich mit beiden Beinen getreten habe«, berichtet Ingo Gerhartz, der sonst viel Mountainbike fährt. »Das war sehr, sehr beeindruckend.«

Nach der gemeinsamen Trainingsrunde in lockerer Stimmung bespricht sich Yoseph Polak kurz mit Frau und Tochter, dann setzt er sich schon wieder in Bewegung. Er muss schnell weiter, Zeit für ein Interview ist jetzt keine mehr. Der Trainer muss sich um sein Team kümmern, denn am nächsten Tag steht der Wettkampf an. Die letzten Trainingszeiten auf der Rennstrecke sind eng limitiert und mit den anderen Teams abgestimmt.

ISRAEL Polak fährt mit seinem Team nun die nächste Runde auf der Rennstrecke und grüßt zum Abschied noch freundlich die Zuschauer. Unter ihnen ist auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses ist zur Radrennstrecke gekommen, um diese deutsch-israelische Trainingseinheit zu unterstützen.

Und sie ist in mehreren Funktionen hier. Als Parlamentarierin war sie aktiv daran beteiligt, dass die Invictus Games nach Deutschland kamen, als langjährige Kommunalpolitikerin in Düsseldorf freut sie sich über das Ereignis in ihrer Heimatstadt und ist begeistert von der Stimmung vor Ort. Die Idee von Prinz Harry fange an zu greifen, die Wettkämpfe würden immer größere Bekanntheit erlangen.

»Es ist gut, dass die Invictus Games verstärkt aus der Militärblase herauskommen und immer mehr in die Öffentlichkeit getragen werden«, so Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Und sie betont: »Es ist eine große Freude, dass Israel dabei ist.« Auf Initiative des damaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU), war erstmalig eine Einladung an Israel gegangen.

MEDAILLE So sind es für Jacob Girshoni, mit seinen 70 Jahren der älteste Teilnehmer des gesamten israelischen Teams, zwar die ersten Invictus Games, doch längst nicht die ersten sportlichen Wettkämpfe. In Israel hat der 1972 verwundete Veteran schon an etlichen teilgenommen. An seinem Handbike weht eine kleine israelische Fahne. Mit diesem Rad habe er schon 300.000 Kilometer zurückgelegt. »Ich liebe das Radfahren.« Girshoni strahlt. Der Wettkampf gegen andere stehe für ihn mittlerweile nicht mehr so im Vordergrund. »Ich fordere mich vielmehr selbst heraus.«

Die letzten Trainingszeiten vor dem Wettkampf sind limitiert.

Dann erzählt er vom 100-Meter-Freestyle-Schwimmen, bei dem er am Vortag die Bronze-Medaille gewonnen hat. Ohne Beinkraft. Die Teilnehmer auf den drei Bahnen um ihn herum seien dabei insgesamt jünger gewesen als er. Rückblickend könne er sagen, dass der Sport ihn aus vielen Problemen herausgeholt habe. »Ohne Sport wäre ich nicht hier, ganz sicher«, betont er.

aussehen Lachend ergänzt er, angesprochen auf sein sportliches, schlankes Aussehen: »45 Kilo Gewicht habe ich verloren und dafür 45 Kilo Glück gewonnen.« Fürs neue jüdische Jahr wünscht er sich Gesundheit sowie Zeit und gemeinsame Erlebnisse mit seinen zehn Enkelkindern und seinen drei Kindern. Und er freut sich schon jetzt auf die nächsten Invictus Games, die in zwei Jahren in Vancouver ausgetragen werden.

Rosch Haschana feierte die gesamte israelische Delegation dann in der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Diese hatte zum feierlichen Gottesdienst und traditionellem Essen eingeladen. Für die israelische Delegation ein Neujahrsfest zwar in fremder Umgebung, aber in schöner Gemeinschaft.

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung

von Christine Schmitt  13.03.2025

Bundeswehr

»Jede Soldatin oder jeder Soldat kann zu mir kommen«

Nils Ederberg wurde als Militärrabbiner für Norddeutschland in sein Amt eingeführt

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Hamburg

Hauptsache kontrovers?

Mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille wurde die »Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 2025 – 5785/5786« eröffnet. Die Preisträger sind in der jüdischen Gemeinschaft umstritten

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Purim

Schrank auf, Kostüm an

Und was tragen Sie zum fröhlichsten Fest im jüdischen Kalender? Wir haben uns in der Community umgehört, was in diesem Jahr im Trend liegt: gekauft, selbst gemacht oder beides?

von Katrin Richter  13.03.2025

Feiertag

»Das Festessen hilft gegen den Kater«

Eine jüdische Ärztin über Alkoholkonsum an Purim und die Frage, wann zu viel wirklich zu viel ist

von Mascha Malburg  13.03.2025

Berlin

Persien als Projekt

Eigens zu Purim hat das Kunstatelier Omanut ein Wandbild für die Synagoge Pestalozzistraße angefertigt

von Christine Schmitt  13.03.2025

Wilmersdorf

Chabad Berlin lädt zu Purim-Feier ein

Freude sei die beste Antwort auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal

 12.03.2025

Purim

An Purim wird »We will dance again« wahr

Das Fest zeigt, dass der jüdische Lebenswille ungebrochen ist – trotz der Massaker vom 7. Oktober

von Ruben Gerczikow  12.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert