Düsseldorf

Gemeinsames Helau

Kein Platz für Spaltung: Der Wagen ist Symbol der offenen Gesellschaft. Foto: Jan Popp-Sewing

Mehr als 600.000 Zuschauer konnten beim Düsseldorfer Rosenmontagszug wieder ein rollendes Zeichen für den Zusammenhalt der Religionen sehen: den Toleranzwagen.

Zum zweiten Mal fuhren Juden, Katholiken, Protestanten und Muslime nun schon auf dem zehn Meter langen Gefährt vier Kilometer durch das Zentrum der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. Und zwar als einer der ersten Wagen des kilometerlangen närrischen Lindwurms, der unter dem Motto »Unser Rad schlägt um die Welt« stand.

ANSCHLAG Auf den rechtsextremen Anschlag in Hanau hatten die Mitfahrer eine deutliche Antwort: »Unsere Botschaft an die Hetzer, auch die aus den Reihen der AfD: Wir stehen mit dem Toleranzwagen für eine plurale, weltoffene Gesellschaft und werden euch und eurem Gedankengut keinen Platz lassen. Karneval ist bunt, nicht braun«, sagte Walther Schuhen, Brauchtumsmanager der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf.

Der interreligiöse Wagen war zum Gedenken an die Ermordeten von Hanau mit Trauerflor geschmückt.

Der Wagen, zum Rosenmontagszug 2019 entworfen und gebaut durch den Künstler Jacques Tilly, zeigt die Figuren eines Rabbis, eines Imams, eines katholischen Geistlichen und einer Pfarrerin – gut gelaunt Arm in Arm. Daneben sind Düsseldorfer Kirchen, eine Moschee und die Synagoge der Landeshauptstadt abgebildet. Davidstern, Halbmond und Kreuz sind ebenfalls gut zu erkennen.

Groß über dem Wagen angebracht sind die Logos der Jüdischen Gemeinde, der beiden christlichen Kirchen und – neu in diesem Jahr – das Signet des von Muslimen gegründeten Karnevalsvereins »Orient-Okzident Express«.

VIELFALT Dass – wie 2019 – wieder Muslime mit an Bord waren, freute Michael Szentei-Heise, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, besonders. Ataman Yildirim, Vorsitzender des Orient-Okzident Express, betonte bereits bei der Vorstellung des Wagens Ende Januar: »Karneval bedeutet für uns gelebte Vielfalt. Wir als Muslime wollen nicht nur das Angebot annehmen, sondern aktiv mitgestalten. Mir geht es darum, gemeinsam jeck zu sein.«

32 Mitfahrer fanden auf dem Holz-Pappmaché-Wagen Platz. Dabei zeigten auch Landespolitiker Flagge: Bei gelegentlichem Nieselregen waren der stellvertretende NRW-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) und auf der ersten Hälfte der Strecke NRW-Landtagspräsident André Kuper (CDU) mit dabei. »Der Wagen ist ein wichtiges Symbol unserer offenen und toleranten Gesellschaft.

»Es zeigt, dass alle Religionen zusammen feiern können. Es gibt hier keinen Platz für Spaltung.« Joachim Stamp, stellvertretender NRW-Ministerpräsident (FDP)

Von Sicherheitsleuten begleitet und immer unter den Blicken von Polizisten auf der Strecke, war der Toleranzwagen vermutlich das am besten geschützte Gefährt im Zug.

KAMELLE Im Wagen warteten derweil Kisten voller Wurfmaterial darauf, verteilt zu werden: unter anderem eingeschweißte Waffeln und koschere Kamelle (Bonbons). Das Projekt Toleranzwagen hat einschließlich der Ausgaben für die Security diesmal rund 25.000 Euro gekostet, heißt es aus der Jüdischen Gemeinde. Um den Betrag zu decken, ist man auch auf Spenden angewiesen. Wer mindestens 250 Euro gibt, bekommt zum Dank den eigens entworfenen Karnevalsorden »Toleranzwagen 2020«.

Die Düsseldorfer Gemeinde war bereits zum dritten Mal beim Düsseldorfer Karnevalszug vertreten. Vor den beiden Fahrten des Toleranzwagens hatte die Gemeinde 2018 bereits einen viel beachteten Heinrich-Heine-Wagen beigesteuert, auch ein Produkt von Wagenbauer Tilly.

Eine Schrecksekunde gab es am Montag noch kurz vor Beginn: Einer der Reifen war geplatzt und musste schnell gewechselt werden.

Dem Start des Wagens, gezogen von einem Traktor, stand somit nichts mehr im Wege. 2021 wird man diesen Toleranzwagen wohl nicht mehr im Düsseldorfer »Zoch« sehen können. Nach dem Zug-Reglement darf das gleiche Gefährt nur zweimal hintereinander mitfahren. Ein Wagen mit neuem Toleranzmotiv wäre hingegen zulässig.

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung

von Christine Schmitt  13.03.2025

Bundeswehr

»Jede Soldatin oder jeder Soldat kann zu mir kommen«

Nils Ederberg wurde als Militärrabbiner für Norddeutschland in sein Amt eingeführt

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Hamburg

Hauptsache kontrovers?

Mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille wurde die »Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 2025 – 5785/5786« eröffnet. Die Preisträger sind in der jüdischen Gemeinschaft umstritten

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Purim

Schrank auf, Kostüm an

Und was tragen Sie zum fröhlichsten Fest im jüdischen Kalender? Wir haben uns in der Community umgehört, was in diesem Jahr im Trend liegt: gekauft, selbst gemacht oder beides?

von Katrin Richter  13.03.2025

Feiertag

»Das Festessen hilft gegen den Kater«

Eine jüdische Ärztin über Alkoholkonsum an Purim und die Frage, wann zu viel wirklich zu viel ist

von Mascha Malburg  13.03.2025

Berlin

Persien als Projekt

Eigens zu Purim hat das Kunstatelier Omanut ein Wandbild für die Synagoge Pestalozzistraße angefertigt

von Christine Schmitt  13.03.2025

Wilmersdorf

Chabad Berlin lädt zu Purim-Feier ein

Freude sei die beste Antwort auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal

 12.03.2025

Purim

An Purim wird »We will dance again« wahr

Das Fest zeigt, dass der jüdische Lebenswille ungebrochen ist – trotz der Massaker vom 7. Oktober

von Ruben Gerczikow  12.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert