Es war eine außergewöhnliche Feier und in ihrer Art bestimmt auch eine Premiere: Am Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 70 Jahren hatten sich Vorstand und Mitglieder der B’nai B’rith Schönstädt Loge und des Profifußballvereins Eintracht Frankfurt am Dienstag zum gemeinsamen Gedenken in den Räumen der Loge versammelt.
Ralph Hofmann, Präsident von B’nai B’rith, begrüßte die zahlreichen Gäste – darunter auch einige Angehörige des Diplomatischen Corps – und sagte, dass der 27. Januar ebenso wie der 9. November ein Tag der traurigen Erinnerung sei. Mit der Reichspogromnacht am 9. November 1938 habe die systematische Verfolgung der Juden begonnen. Mit der Befreiung der Häftlinge von Auschwitz am 27. Januar 1945 sei diese aber noch nicht beendet gewesen.
Gegenwärtiger Terror Hofmann erinnerte an die zu diesem Zeitpunkt einsetzenden Todesmärsche, bei denen ebenfalls Tausende Juden an Hunger, Entkräftung und Unterkühlung starben. Aber mittlerweile werde am 9. November auch der Fall der Berliner Mauer gefeiert. »Doch dieses Ereignis ist ohne die beiden anderen Daten nicht denkbar.« Gleichzeitig unterstrich Hofmann, dass man nicht nur Rückschau auf vergangene Gräuel halten dürfe, denn die Attentate von Paris hätten gezeigt, dass auch heute »Terroristen Menschen töten, nur weil sie jüdisch sind«.
Vehement sprach sich Eintracht-Präsident Peter Fischer für ein klares Bekenntnis gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus aus. »Wir werden uns Arm in Arm solidarisch bekennen und nicht schweigen, bis diese kleine Gruppe an Verirrten ganz verschwindet.«
Vor einiger Zeit hatte der Eintracht-Präsident mit einem Interview für Aufregung gesorgt, weil er darin an die Fans appelliert hatte: »Wenn es braunes Pack gibt in den Stadionkurven, dann prügelt es heraus!« Diese Äußerung hatte ihm eine Anzeige wegen Aufforderung zur Gewalt eingebracht, was Fischer allerdings sehr gelassen nahm. Stattdessen erfüllt es ihn sichtlich mit Stolz, dass die 27.000 Vereinsmitglieder aus 100 verschiedenen Nationen stammen.
Ausgrenzung Der 58-Jährige, der erst vor wenigen Tagen in sein Amt wiedergewählt worden, erinnerte außerdem an die Situation jüdischer Eintracht-Mitglieder, denen man nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten plötzlich die Zugehörigkeit aufkündigte. »Heute noch Mannschaftskamerad – morgen schon der Todfeind.« Aber es hätte vereinzelt auch Unterstützung für sie gegeben. »Einige aus dem Verein haben versucht, zu helfen, indem sie jüdische Verfolgte bei sich versteckten, ihnen Geld gaben, oder ihnen bei der Flucht ins Ausland halfen.«
Frankfurts Stadtkämmerer Uwe Becker hob hervor, dass »der Nationalsozialismus nicht als Naturkatastrophe über Deutschland hereingebrochen« sei, sondern nur möglich wurde, »weil zu viele mitgemacht haben«. Vom treusorgenden Familienvater zum Peiniger, der erschöpfte KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter mit Tritten und Schlägen malträtierte, habe oft »nicht mehr als ein Fußweg gelegen«, eben jene kurze Distanz zwischen Dienststelle und Zuhause, auf der sich der Mensch tagtäglich in einen Unmenschen verwandelte.
Die Gräuel der NS-Herrschaft seien »auch Bestandteil der Frankfurter Stadtgeschichte«, betonte der CDU-Politiker und forderte »ein öffentliches Bekenntnis zu dem, was unsere Stadt mit der Vertreibung und Ermordung ihrer jüdischen Mitbürger verloren hat«.
Programm Nach einer Gedenkzeremonie, bei der Vorbeter Benjamin Maroko das »Ani Maamin« und »El Male Rachamim« vortrug, stellte Matthias Thoma, Geschäftsführer des Eintracht-Museums, seine Dokumentation vor, in der er Lebensläufe und Schicksale jüdischer Vereinsmitglieder nachgezeichnet hat. Ein Potpourri von Schlagern jüdischer Komponisten der 20er- und frühen 30er-Jahre bildete den Abschluss der Veranstaltung. Somit mischte sich am Ende doch ein Moment der Heiterkeit in den Ernst und die Trauer des Gedenkens.