Die Borchardts

Geheimnisse aus der Kiste

Die Spurensuche fing mit einer Kiste voller Bücher, Fotos und Urkunden an. Die Mitarbeiter des Heimes, in dem Edith Zimmermann bis zu ihrem Tod 1996 gelebt hatte, gaben der entfernt verwandten Dagmar Frings diese Kiste. In ihr war auch ein schwerer alter Schlüssel, »mindestens 25 bis 30 cm lang«, mit einem Holzschildchen, auf dem »Erbbegräbnis« stand.

Dagmar Frings wurde neugierig und begann anhand dieser Dokumente nach einem Familiengrab zu suchen. Auf dem Alten Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin wurde sie fündig: Eine riesige 64 Quadratmeter große Anlage der Familie Borchardt mit Familiengruft befand sich dort. Edith Zimmermann stellte sich als letzte direkte Nachfahrin der Bauherren der Grabanlage heraus. Ihr geheimnisvoller Schlüssel gehörte zur Gruft, diese war allerdings zugemauert, sodass der Schlüssel leider nicht mehr verwendet werden konnte.

Interesse Später nahm der Kunsthistoriker Jörg Kuhn aus Berlin Kontakt mit Dagmar Frings auf: Er sollte für die Berliner Gartendenkmalpflege zwecks Restaurierung ein kunsthistorisches Gutachten über die Grabstätte anfertigen. Durch diese Arbeit wurde auch bei Jörg Kuhn das Interesse an der Familie Borchardt geweckt, beide machten sich in Archiven und Bibliotheken auf die Suche nach weiteren Infos.

Zu ihrer Überraschung stellte sich heraus, dass die Familie Borchardt ursprünglich jüdisch war. So wurden Moritz Borchardt (1785-1860) und seine Ehefrau Betty auf dem Jüdischen Friedhof Schönhauser Allee beigesetzt.

Ihr Sohn Maximilian Siegfried Borchardt ließ sich 1836 im Alter von 20 Jahren in der Berliner Sophienkirche taufen, möglicherweise weil er sich davon Vorteile für seine Karriere als Jurist versprach. Und so beschreibt Dagmar Frings ihre Beweggründe für die Arbeit am Buch als »Wiedergutmachung einer ursprünglich jüdischen Familie gegenüber, die in Vergessenheit geraten ist«.

Ministerresident Der getaufte Maximilian Siegfried Borchardt wurde ein angesehener Jurist und Fachautor für internationales Handels- und Wechselrecht. Ab 1872 vertrat er als sogenannter Ministerresident die Interessen des Staates Costa Rica in Deutschland.

Er starb 1880 in Berlin, zwei Jahre später wurde sein Sarg 1882 in die neu erbaute Familiengrabstätte auf dem Alten Dorotheenstädtischen Friedhof umgebettet. Das Denkmal liegt gegenüber den Gräbern von Bertolt Brecht und Helene Weigel, Heinrich Mann und Johannes R. Becher.

Auch Künstler sind in der Familie Borchardt vertreten, insbesondere die Schriftstellerin Elisabeth Castonier, geborene Borchardt (1894-1975), und der Maler Felix Borchardt (1857-1936), der in Deutschland und Frankreich seine Werke ausstellte und verkaufte.

Dagmar Frings und Jörg Kuhn: Die Borchardts. Auf den Spuren einer Berliner Familie. Hentrich & Hentrich, Berlin 2011, 152 S., 19,90 €

Interview

»Wir sind neugierig aufeinander«

Amnon Seelig über die erste Konferenz des Kantorenverbandes, Lampenfieber und das Projekt Call a Kantor

von Christine Schmitt  22.12.2024

Porträt der Woche

Ein Signal senden

David Cohen ist Geschäftsführer eines Unternehmens und setzt sich gegen Judenhass ein

von Matthias Messmer  22.12.2024

Soziale Medien

In 280 Zeichen

Warum sind Rabbinerinnen und Rabbiner auf X, Instagram oder Facebook – und warum nicht? Wir haben einige gefragt

von Katrin Richter  20.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024

Hessen

Nach Judenhass-Eklat auf »Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt«: Landeskirche untersagt Pfarrer Amtsausübung

Nach dem Eklat um israelfeindliche Symbole auf einem Weihnachtsmarkt einer evangelischen Kirchengemeinde in Darmstadt greift die Landeskirche nun auch zu dienstrechtlichen Maßnahmen

 19.12.2024

Ehrung

Verdiente Würdigung

Auf der Veranstaltung »Drei Tage für uns« wurde der Rechtsanwalt Christoph Rückel ausgezeichnet

von Luis Gruhler  19.12.2024

Chabad

Einweihung des größten Chanukka-Leuchters Europas in Berlin

Der Leuchter wird auf dem Pariser Platz in Berlin-Mitte vor dem Brandenburger Tor aufgebaut

 18.12.2024

Berlin

Neue Töne

Beim Louis Lewandowski Festival erklingen in diesem Jahr erstmals nur orientalische Melodien

von Christine Schmitt  18.12.2024