Dicht stehen die Reben an den Elbhängen von Radebeul. Touristen kehren zur Weinprobe in malerisch gelegene Winzergüter ein. Was die Gäste nicht wissen: Ohne die Schufterei von Zwangsarbeitern während des Nationalsozialismus gäbe es heute vielleicht kaum noch sächsischen Wein.
Das Sächsische Weinbaumuseum Hoflößnitz in Radbeul erinnert seit Ende Juli mit einer Gedenktafel und einer kleinen Ausstellung an die Arbeit der Gefangenen in den Weinbergen. Unterstützt wird die Dokumentation »Erinnerung und Verantwortung. Sächsischer Weinbau im Nationalsozialismus« von der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Amadeu Antonio Stiftung.
Unbekannt Mit der Zwangsarbeit im Weinbau greift Ausstellungsmacherin Bettina Giersberg ein bisher fast unbeachtetes Thema auf. »In den Chroniken über die 850-jährige sächsische Weinbaugeschichte werden die zwölf Jahre der NS-Diktatur meist übersprungen«, erklärt die Historikerin. Dabei traten die Nationalsozialisten als Förderer der heimischen Reben auf. Anfang des vorigen Jahrhunderts war der Weinanbau an der Elbe fast zum Erliegen gekommen. Die Reblaus hatte vernichtende Schäden angerichtet. Günstige ausländische Tropfen trösteten über den Verlust hinweg. Die Nazis jedoch wollten unabhängig von Importen sein. Sie deklarierten Wein zum Volksgetränk, nutzten Weinfeste für ihre »Blut-und-Boden«-Ideologie und förderten den Anbau reblausresistenter Trauben.
Mit dem Zweiten Weltkrieg sollte der »Freudenspender« Wein keineswegs versiegen. Da die Winzer Kriegsdienst leisten mussten, wurden Kriegsgefangene und ausländische Zivilisten zur Arbeit im Weinberg gezwungen. Wie viele es waren, ist unbekannt. Bettina Giersberg geht von mindestens einigen Hundert aus. Die Zwangsarbeiter kamen unter anderem aus der Sowjetunion und Frankreich, aus Polen und Belgien. Sie mussten schwere körperliche Arbeit leisten: Trockenmauern errichten, Reben pflanzen, die Lese besorgen. Arbeitsschutz und ärztliche Versorgung gab es nicht.
Gerechtigkeit Die Hoflößnitzer Ausstellung liefert Hintergrundinformationen und Zeitzeugnisse: Fotografien, Tagebücher, eine Treppenstufe, in die gefangene Soldaten der Roten Armee Inschriften ritzten. Ministerpräsident Stanislaw Tillich sprach anlässlich der Ausstellungseröffnung von einem »dunklen Schatten« auf Sachsens Weinbaugeschichte. Die Ausstellung sei ein Stück später Gerechtigkeit für die Zwangsarbeiter, so Tillich.