Jüdische Gemeinde Berlin

Gedenken an Pogromnacht

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin hat am Montagabend im Gemeindehaus Fasanenstraße der Opfer der Novemberpogrome von 1938 gedacht. Neben Vertretern aller Fraktionen des Berliner Senats und Repräsentanten von Kirchen, Bundeswehr und des diplomatischen Korps nahmen Bundestagsabgeordnete aller Parteien an der Gedenkveranstaltung teil, darunter die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Pau, und der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der Grünen und Leo-Baeck-Preisträger des Zentralrat der Juden in Deutschland, Volker Beck.

Die ersten Worte des Gemeindevorsitzenden Gideon Joffe galten den anwesenden Überlebenden der Schoa. »Ich freue mich sehr, dass sie mit uns sind, und wir hoffen sehr, dass sie uns noch viele Jahre von ihren Erlebnissen werden erzählen können.« Joffe erinnerte an den 9. November 1938 als »Fanal für das drohende Schicksal der deutschen Juden«.

sicherheit »Wir sind dankbar dafür, dass sich Jahrzehnte nach dem Holocaust jüdische Kultur und jüdisches Leben in Berlin wieder sichtbar und selbstbewusst präsentieren – wir wissen, dass das nicht selbstverständlich ist«, betonte Dilek Kolat, Senatorin für Arbeit, Integration und Soziales in ihrem Grußwort. Es sei für das Land Berlin eine große Ehre, dass die Stadt viele junge Israelis anzieht.

»Wir werden alles dafür tun, dass sich jüdische Berliner sowie jüdische Gäste in unserer Stadt wohl, aber auch sicher fühlen«, unterstrich Kolat. Politik und Zivilgesellschaft dürften nicht zulassen, dass sich Menschen aufgrund ihres jüdischen Glaubens nicht auf die Straße trauen, oder es nicht sichtbar machen wollen und Angst haben, dass ihnen Gewalt zustößt.

»Das sage ich auch heute vor dem Hintergrund der dramatischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten«, sagte Kolat und ging damit auf die aktuelle Flüchtlingssituation ein. »Millionen Menschen suchen in Deutschland Schutz vor Terror und Bürgerkriegen – ich glaube, insbesondere aufgrund unserer eigenen Historie ist es unsere Verantwortung, diesen Menschen Schutz und Sicherheit und auch Geborgenheit zu geben.«

werte Zugleich machte die Bürgermeisterin klar, dass den Schutzsuchenden die gesellschaftlichen Werte vermittelt werden müssten, insbesondere den Respekt vor Menschen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Lebensweisen. »Antisemitismus darf und wird keinen Raum in unserer Stadt bekommen.«

Damit reagierte Kolat auf die Gedenkrede von Gideon Joffe. Der Berliner Gemeindevorsitzende hatte zuvor mit Nachdruck vor möglichen historischen Parallelen gewarnt. Er bezog sich in diesem Zusammenhang auf die Flüchtlingskonferenz von Evian 1938, auf die EU-Kennzeichnung israelischer Produkte sowie auf das Atomabkommen mit dem Iran. »Wenn wir über Jahre hinweg Diktaturen gewähren lassen«, mahnte Joffe in Erinnerung an die Novemberpogrome, »dann leiden am Ende die Demokratien.«

kaddisch Das musikalische Rahmenprogramm der Gedenkfeier gestalteten der Geiger David Malaev und der Kinderchor der Heinz-Galinski-Schule. Zum Abschluss wurden am Mahnmal des Jüdischen Gemeindehauses Kränze niedergelegt. Das Gedenkgebet El Male Rachamim sang Kantor Isaac Sheffer. Anschließend sprach Rabbiner Jonah Sievers das Totengebet Kaddisch.

Bereits seit Montagmorgen wurden zudem vor dem Gemeindehaus in Charlottenburg die Namen aller 55.696 ermordeten Berliner Juden von Freiwilligen verlesen. Alle Berliner waren aufgerufen, sich daran zu beteiligen. Die jährliche Namenslesung gibt es seit 1996.

In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 gingen die Nationalsozialisten zur offenen Gewalt gegen die deutschen Juden über. Etwa 1400 Synagogen wurden deutschlandweit angezündet, Tausende jüdischer Geschäfte zerstört und Wohnungen verwüstet. Etwa 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager deportiert, rund 400 bei den Pogromen ermordet.

Lesen Sie mehr in unserer nächsten Printausgabe.

Forschung

Vom »Wandergeist« einer Sprache

Die Wissenschaftlerinnen Efrat Gal-Ed und Daria Vakhrushova stellten in München eine zehnbändige Jiddistik-Reihe vor

von Helen Richter  14.01.2025

Nachruf

Trauer um Liam Rickertsen

Der langjährige Vorsitzende von »Sukkat Schalom« erlag seinem Krebsleiden. Er war ein bescheidener, leiser und detailverliebter Mensch

von Christine Schmitt  14.01.2025

Porträt der Woche

Keine Kompromisse

Rainer R. Mueller lebt für die Lyrik – erst spät erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft

von Matthias Messmer  12.01.2025

Familien-Schabbat

Für den Zusammenhalt

In den Synagogen der Stadt können Kinder und Eltern gemeinsam feiern. Unterstützung bekommen sie nun von Madrichim aus dem Jugendzentrum »Olam«

von Christine Schmitt  12.01.2025

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025

Gedenktag

Uraufführung mit den »Violins of Hope«

Ein besonderes Konzert anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz hat sich das Rundfunk-Sinfonieorchester vorgenommen. Es interpretiert ein Werk für die Geigen, die die Schoa überstanden haben

von Christine Schmitt  08.01.2025

Universität

Preise der »World Union of Jewish Students« in Berlin vergeben

Die weltweite Vertretung jüdischer Studierender hat ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert und besonders verdienstvolle Personen und Verbände ausgezeichnet

 07.01.2025