Mit zahlreichen Veranstaltungen ist am Wochenende in Weimar an die Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald vor 70 Jahren erinnert worden. Bei einer Gedenkfeier am Sonntag im Deutschen Nationaltheater sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), Europa verneige sich vor den Opfern.
An dem europäischen Gedenkakt mit zahlreichen Gästen aus Politik und Gesellschaft nahmen rund 80 Überlebende des KZ Buchenwald und Veteranen der US-Armee teil, die das Lager bei Weimar am 11. April 1945 befreit hatten.
Am Nachmittag wurden die Opfer mit einer Kranzniederlegung auf dem einstigen Appellplatz geehrt. Dabei erneuerten Überlebende den »Schwur von Buchenwald«, mit dem sich die befreiten Häftlinge am 19. April 1945 zum Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit verpflichtet hatten.
Erinnerung Auch Günter Pappenheim war damals dabei und hat seine Finger zum Schwur gehoben: »Uns haben die Tränen in den Augen gestanden. Wir sind uns in die Arme gefallen. Es war der Tag der Freude, und es war der Tag des Leidens, weil wir 56.000 unserer Kameraden verloren haben für nichts und wieder nichts. Aber sie bleiben bei uns in Erinnerung als diejenigen, die hier die Vorbereitungen geschaffen haben, dass viele Häftlinge im Laufe der Zeit überleben konnten.«
Auch Pappenheim überlebte und blickt zurück auf jene dramatischen Tage im April vor 70 Jahren: »Es war der Vormarsch der 3. US-Armee auf Weimar und Buchenwald. Hier unten in dem Gebäude der Geräte- und Effektenkammer habe ich gearbeitet. Hier unten sind die bewaffneten Häftlinge marschiert, sind ans Tor gegangen und ich habe den Ruf gehört: ›Kameraden wir sind frei!‹«
US-Armee Buchenwald war von 1937 bis 1945 mit 250.000 Häftlingen aus ganz Europa das größte Konzentrationslager der Nationalsozialisten in Deutschland. Durch den Terror der SS, durch Zwangsarbeit, Krankheiten und medizinische Experimente starben rund 56.000 Menschen. Die Befreiung durch die US-Armee erlebten rund 20.000 Häftlinge, darunter auch etwa 900 Kinder.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte bei dem Gedenkakt im Nationaltheater, die amerikanischen Soldate hätten 1945 hinter dem Eingangstor von Buchenwald »die Apokalypse« gesehen. Das Vermächtnis der Überlebenden sei heute Grundkonsens des demokratischen Selbstverständnisses in Thüringen. Dazu gehöre auch das Eintreten gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Der Präsident des Internationalen Buchenwald-Komitees, Bertrand Herz, appellierte an die Jugend, sich überall für Freiheit und Menschenrechte sowie gegen Antisemitismus und Rassismus einzusetzen. So lange es Fremdenhass und Unterdrückung in der Welt gebe, sei der »Schwur von Buchenwald« noch nicht erfüllt.
Antisemitismus »Ich habe doch das Gefühl, dass sich sehr viele Menschen in Deutschland darum kümmern, dass man Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus entgegenstehen muss. Anderseits wissen wir auch, dass in der Mitte der Gesellschaft sehr, sehr viele abwarten, wegschauen oder sich nicht interessieren. Und diese Gleichgültigkeit ist vielleicht eine viel größere Gefahr«, sagte Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen.
Günter Pappenheim verließ am Sonntag nachdenklich den Platz. Sein Blick ging über die weite Fläche des ehemaligen Lagers. Zu überleben war nicht einfach, auch das Reden über alles, was damals vorgefallen war, war es nicht. Wenngleich jener Tag vor 70 Jahren ein besonderer war: »Ich war nicht mehr die 22.514, ich war wieder freier Bürger. Ich konnte wieder nach Hause zu meiner Familie.«
Vergessen EU-Parlamentspräsident Schulz dankte in seiner Ansprache den Überlebenden ausdrücklich für ihren »schmerzhaften Weg des Erinnerns«. Durch Zeugnisse einst inhaftierter Politiker, Schriftsteller, Künstler und Geistlicher werde der Terror in den Konzentrationslagern vor dem Vergessen bewahrt. Vor dem Hintergrund der Ereignisse in Tröglitz äußerte sich Schulz besorgt über eine zunehmende Fremdenfeindlichkeit.
Am Samstag gedachten auf dem Lagergelände zahlreiche Überlebende mit ihren Angehörigen zum historischen Zeitpunkt der Befreiung vom 11. April 1945 mit einer Schweigeminute der in Buchenwald umgekommenen Mithäftlinge. Als Zeichen der Hoffnung pflanzten Kinder an der Zufahrt zur heutigen KZ-Gedenkstätte Bäume.