Mit einem großen Festakt ist heute das Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland an seinem neuen Standort in Heidelberg wiedereröffnet worden. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte, das Archiv verwahre das Gedächtnis der jüdischen Gemeinden der Bundesrepublik und sei ein großer Schatz.
»Ein solches Archiv ist von zentraler Bedeutung, um sich der eigenen Vergangenheit zu vergewissern. Gleichzeitig steht es allen Nichtjuden offen, um mehr über jüdisches Leben zu erfahren«, so Schuster. Denn fast immer führe »mangelndes Wissen gerade über eine Minderheit zu gefährlichen Vorurteilen«.
Das Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland wurde 1987 in Heidelberg gegründet und archiviert seitdem Akten der jüdischen Gemeinden sowie Literatur über das Judentum in Deutschland. Hinzu kommen Dokumente aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus und der Schoa. Es steht allen Interessierten offen. Das Archiv ist eine Einrichtung des Zentralrats der Juden in Deutschland und wird staatlich gefördert. Jährlich erhält das Archiv rund 900.000 Euro.
zukunft Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) sagte, die Neueröffnung trage dazu bei, die jüdische Kultur in Deutschland für die Zukunft zu sichern. Das Archiv sei von unschätzbarem Wert. Nur wer wisse, woher er komme, könne auch darüber nachdenken, wer er künftig sein wolle. »Ich bin davon überzeugt, dass das Zentralarchiv auch der Ort ist, an dem in Zukunft weiteres Wachstum jüdischen Lebens dokumentiert werden wird«, so die Ministerin.
Derzeit liegen im Archiv rund 2000 laufende Meter Akten, hauptsächlich von jüdischen Gemeinden, Verbänden und Personen aus der Zeit nach 1945. Aus diesen Akten lässt sich der Aufbau und die Vielfalt jüdischen Lebens im Nachkriegsdeutschland nachvollziehen.
Unter den Dokumenten sind Sitzungsprotokolle, Berichte über jüdische Lehrer oder darüber, welche Feierlichkeiten stattfanden. Auch Dokumente wie etwa Briefe jüdischer Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg oder Berichte über den Gesundheitszustand von Holocaust-Überlebenden in den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg werden hier aufbewahrt.
vorläuferarchiv Von dem früheren Indienkorrespondenten der «Süddeutschen Zeitung», Peter Sichrovsky, sind Manuskripte, Rezensionen und Leserbriefe zum Leben junger Juden in Deutschland archiviert. Ein bis 1938 existierendes Vorläuferarchiv zerstörten die Nationalsozialisten. Archiv-Informationen nutzten sie für die Verfolgung von Juden.
»Diese Schätze findet man nirgendwo auf der Welt. Auf sie müssen wir sehr gut aufpassen.«
Archivleiter Ittai Joseph Tamari
Archivleiter Ittai Joseph Tamari kündigte an, die begonnene Digitalisierung voranzubringen und so die Bestände besser zugänglich zu machen. Beim Festakt betonte er, wie wichtig es sei, die Zusammenarbeit mit anderen Archiven im In- und Ausland auszubauen.
»Die Schätze, die wir hier aufbewahren, sind von ganz besonderer Bedeutung«, sagte Tamari bei der Eröffnung. »Diese Schätze findet man nirgendwo auf der Welt. Auf sie müssen wir sehr gut aufpassen.«
Der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann, sagte seine Unterstützung zu. »Archive benötigen einen langen Atem, und man richtet sie nur ein, wenn man bleiben will. Insofern danke ich dem Zentralrat sehr, dass Sie uns mit der Neueröffnung dieses wichtige Zeichen geben.«
Neben der Sammlung von Dokumenten ist auch der Aufbau einer digitalen Datenbank zur Erweiterung des weltweiten Austauschs mit anderen Archiven geplant.
Das Zentralarchiv hat seinen neuen Sitz auf dem Gelände der ehemaligen Tabakfabrik Landfried in der Heidelberger Innenstadt. Durch die Förderung des Bundesinnenministeriums konnten auch neue Archivmitarbeiter eingestellt werden. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der ebenfalls erwartet worden war, sagte wegen anderer Verpflichtungen seine Teilnahme ab.
Neben der Sammlung von Dokumenten ist auch der Aufbau einer digitalen Datenbank zur Erweiterung des weltweiten Austauschs mit anderen Archiven geplant. Die Bestände des Archivs werden nach eigenen Angaben vor allem von Studenten für wissenschaftliche Zwecke genutzt. Darüber hinaus gebe es Bitten um Akteneinsicht von Geschichtsvereinen, Museen und Familienforschern. kna/ja/dpa/epd
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