Samuel Abrahams wartet, läuft unruhig auf und ab, in der einen Hand den Tennisschläger, in der anderen eine Wasserflasche. Noch 20 Minuten, dann spielt er sein zweites Vorrunden-Match auf einem der Ascheplätze des Tennisclubs Rot-Weiß. Sein Gegner ist Raphael Wiener vom Team Makkabi Deutschland.
»Das Niveau der Spieler ist sehr hoch«, sagt Samuel. »Ich bin sehr aufgeregt.« Es sind seine ersten Makkabi-Spiele, sein erster Besuch in Berlin, sein erster in Deutschland überhaupt. »Ich bin positiv überrascht«, sagt er. Berlin sei eine sehr entspannte Stadt. Die für ihn interessantesten Sehenswürdigkeiten hat er bereits gesehen – die Reste der Berliner Mauer und das Brandenburger Tor. Jetzt stehe der Sport im Mittelpunkt.
semifinale Nebenan im Steffi-Graf-Stadion läuft das Semifinale zwischen Alan Braschinsky aus Estland und Eyal Bensimon aus Frankreich. Jakov Tshirkin kommt angeschlendert, auch er in der Trainingsjacke von Makkabi Estland. »Ich habe gerade mein Semifinale verloren«, sagt er lachend. Nun will er seinen Teamkollegen unterstützen.
Viel ist an diesem Freitagmorgen noch nicht los auf dem Gelände des Tennisklubs. Die Stimmung ist dafür umso heiterer. Franzosen, Schweizer, Italiener wärmen sich auf, packen ihre Tennisschläger aus den Taschen, scherzen am Spielfeldrand mit mitgereisten Freunden und Verwandten.
»Seit der Eröffnung schauen wir uns verschiedene Wettkämpfe an – vor allem natürlich Tennis«, erzählt Judith Millet. Ihr Mann Simon spielt heute gegen Gerald Wozasek aus Österreich. Sie sei sehr angetan von der Atmosphäre bei den Makkabi-Spielen. Warm und freundschaftlich gehe es zu, sagt sie. Die Makkabi-Spieler aus verschiedenen Ländern tauschten Trikots und kämen schnell miteinander ins Gespräch.
»Am Anfang waren unsere Junioren noch etwas zurückhaltend im Estrel«, erzählt Ronny Bachenheimer, Leiter der Schweizer Makkabi-Delegation. Doch schon nach wenigen Stunden sei die Schüchternheit verflogen. »Gut, dass alle Sportler gemeinsam untergebracht sind«, lobt er. Er steht ein paar Schritte entfernt von den Millets und entrollt eine rot-weiße Makkabi-Schweiz-Fahne. Stolz zeigt er seine vielen Buttons – der originellste sei der holländische in Holzschuhform. Auf dem gegenüberliegenden Platz spielt in ein paar Minuten Jari Hanhimaki, ein 16-jähriges Tennistalent aus Genf. »Jaris Ausgeglichenheit ist seine größte Stärke«, schwärmt der Teamchef von Makkabi Schweiz.
aufwärmen »Raphael Wiener und Samuel Abrahams bitte zu Platz 3 zum Aufwärmen«, tönt es aus dem Lautsprecher. Auch Adam Bloom aus London macht sich langsam bereit – er spielt auf dem Platz neben seinem Teamkameraden Samuel. Der 17-Jährige schwärmt vom hohen sportlichen Niveau seiner bisherigen Gegner, aber auch von der EMG-Organisation, dem guten Englisch der Deutschen und dem Rahmenprogramm.
»Ich habe viele jüdische Gedenkorte gesehen, Gleis 17, das ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen – das war für mich das erste Mal an so einem Ort, es war sehr bewegend«, sagt Adam. Wenn die Tennisturniere vorbei sind, will er sich Fußball und Badminton anschauen und sein Team unterstützen. Was er für sich bei den Spielen erhofft? »Dass ich durch die Erfahrung ein besserer Spieler werde«, sagt er bescheiden.
Dann fällt sein Blick auf Teamkollege Samuel. Er gibt sein Bestes, aber Raphael aus Frankfurt liegt bereits nach dem ersten Satz in Führung, vom Spielfeldrand angefeuert von Mutter Ala und Bruder Gabriel. »Es wird schwer für ihn, glaube ich. Aber er spielt seit zehn Jahren, und ich hoffe auf Bronze«, sagt Ala. Am Ende ist Raphael eine Runde weiter auf dem Weg zur Bronzemedaille.
Währenddessen lässt sich Simon Millet von seiner Frau Judith verarzten. »Er hat sich den Fuß verletzt«, erklärt Cousin Daniel, der extra aus Australien angereist ist, um Simon spielen zu sehen. Doch Simon lässt sich dadurch nicht den Spaß verderben. Ums Gewinnen geht es ihm weniger, eher um eine unvergessliche Erfahrung. Gerald Wozasek gewinnt das Match, doch nach Spielende umarmen sich beide Spieler freundschaftlich – erst recht, als der Österreicher verrät, dass er als Unfallchirurg arbeitet. »Mein Tipp: beim nächsten Mal besser aufwärmen«, sagt er augenzwinkernd.
Am Abend werden sich die beiden im Estrel wiedersehen – zusammen mit den Makkabi-Spielern und deren Freunden und Familien aus ganz Europa und Übersee sind sie fest entschlossen, gemeinsam bei einem nicht-sportlichen Ereignis zu gewinnen: dem größten Kabbalat Schabbat der Welt.