Frankfurt am Main

»Für Mizwot gibt es kein Maß«

Als Kind hat Svetlana Godina nicht genau gewusst, was Keren Hayesod eigentlich ist. Damals, in der Ukraine fiel dieser Name immer mal wieder, und das Mädchen bekam mit, dass mithilfe dieser Organisation jüdische Familien, die bedürftig sind, nach Israel auswanderten. Auch Svetlana Godina und ihre Familie haben die Ukraine verlassen. Seit 1999 lebt sie in Deutschland. Inzwischen ist sie 27 Jahre alt, hat Soziologie und Psychologie studiert und arbeitet im Frankfurter Büro der Jewish Agency.

Am Sonntagabend ist die junge Frau eine von etwa 100 Gästen im Ballsaal des Hilton-Hotels; dorthin hat die Frankfurter Sektion von Keren Hayesod zu einer Spenden-Gala eingeladen. Svetlana Godina nimmt an der Magbit-Eröffnung als Mitglied des Jüdischen Jugend- und Studentenverbands Hessen teil.

Wiedersehen Ehrengast des Abends ist Natan Sharansky, Vorsitzender der Jewish Agency. Mit Frankfurt verbinde er ein »besonderes Erlebnis«, berichtet der 65-Jährige zu Beginn seiner Rede. Er sei im Februar 1986 nach seiner Freilassung aus dem sowjetischen Gefängnis auf der Glienicker Brücke gegen einen sowjetischen Spion ausgetauscht und nach Frankfurt geflogen worden, wo er nach mehr als zwölf Jahren seine Frau Avital wiedergesehen habe.

Eindrucksvoll beschreibt Sharansky seinen Wandel vom jungen Sowjetbürger zum bekennenden Juden und Zionisten. Er hebt die Bedeutung der Programme hervor, die Juden nicht nur bei der Einwanderung nach Israel helfen, sondern sie auch dabei unterstützen, sich ihrer Identität als Juden bewusst zu werden.

Dass diese Arbeit ohne Spenden nicht so erfolgreich wäre, das macht auch Daniel Mitental deutlich. »Spenden ist eine Mizwa, und für Mizwot gibt es kein Maß«, erklärt der Vorsitzende des Magbit-Frankfurt und leitet so seinen Appell an die Gäste ein: »Seien Sie maßlos! Und weil es im vergangenen Jahr keine Magbit-Eröffnung gab: Seien Sie doppelt maßlos!«

Wegen des Wechsels im Vorstand Frankfurt war die Spendengala vergangenes Jahr ausgefallen. Mitental hatte das Amt 2012 von Noemi Staszewski übernommen. Sie führte elf Jahre lang in Frankfurt die Geschäfte und zog sich »aus privaten Gründen« zurück. Künftig wolle sie sich mehr in der »Women’s Division« engagieren, erklärte die 59-Jährige, die hauptberuflich bei der ZWST als Projektleiterin der Treffpunkte für Holocaust-Überlebende tätig ist.

Neue Formate Aus ihren langjährigen Erfahrungen bei Keren Hayesod folgert Staszewski, dass neben Spendengalas auch andere »Formate« erprobt werden müssten, um für Spenden und Ehrenamtliche zu werben. Dieser Ansicht ist auch Zypora Kupferberg, Vorsitzende des Kölner Komitees. Man müsse umdenken, um die jüngeren Generationen zu gewinnen. Ob es in diesem Jahr am Rhein eine Spendengala geben werde, sei daher noch unklar. »Wir überlegen, im Frühjahr oder im Sommer einen großen Sonntagsbrunch zu veranstalten«, sagt Kupferberg.

Keren Hayesod (auf Deutsch: Gründungsfonds), 1920 in London ins Leben gerufen, ist seit 1956 die offizielle Spendensammelorganisation der zionistischen Bewegung und der Jewish Agency. In 45 Ländern hat es Dependancen. In Deutschland gibt es Magbit-Komitees unter anderem in Frankfurt, München, Düsseldorf, Bonn, Stuttgart, Berlin und Köln.

Damit weiterhin Geld in die Töpfe der Organisation fließt und die Programme weiterlaufen können, werden Ehrenamtliche gebraucht, die sich »mit Herzblut« für Keren Hayesod engagieren. An Nachwuchs scheint es der Organisation aber zu mangeln. Und so lädt sie ganz bewusst junge Juden wie Svetlana Godina zur Gala ein.

Sonderbriefmarken Noemi Staszewski erinnert sich daran, wie ihr Engagement für Israel begann: »Als ich in der ZWST angefangen habe, da war ich zwölf Jahre alt.« Sie habe mit anderen zusammen Sonderbriefmarken der Deutschen Bundespost mit dem Aufdruck »Let my people go!« verkauft. Vom Verkaufspreis sei ein Teil als Spende an Israel gegangen, um Juden aus der Sowjetunion und anderen Ländern freizukaufen.

»Als wir in der Zeitung lasen, dass Natan Sharansky freikam, haben wir Jugendliche gedacht, dass wir das mit unserem Briefmarkenverkauf ermöglicht haben. Heute stehe ich hier und kann von zig Projekten berichten, die ich mit Spenden aus Frankfurt in Israel auf den Weg gebracht habe«, sagt Staszewski.

Svetlana Godina muss von der sinnvollen Arbeit von Keren Hayesod nicht überzeugt werden. Wie auch die anderen an ihrem Tisch hat die junge Frau ihren Spendenumschlag gefüllt und zugeklebt. Wie viel am Sonntagabend an Spenden zusammengekommen ist? Mehr als »Im vergangenen Jahr haben wir deutlich mehr Spenden erhalten« ist dem Magbit-Vorsitzenden Mitental nicht zu entlocken.

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