Marian Offman war abgetaucht. »Zehn Tage habe ich mir gegönnt.« Er war in Kroatien und dort tatsächlich zum Tauchen. »Eigentlich habe ich die letzten sechs Jahre Wahlkampf gemacht«, sagt er. Das kostet Kraft. Offman sitzt in seinem hellen Büro, wirkt ein bisschen müde, aber auch entspannt. Draußen stehen schöne Villen um schöne Plätze, nicht weit entfernt liegt die Oktoberfestwiese.
grosses »C« München, das ist seine Stadt. Hier wurde Marian Offman vor 65 Jahren geboren, hier hat er studiert, betreibt eine Hausverwaltung, hat zwei längst erwachsene Kinder, ist im Vorstand der IKG, führt als Moderator durch die Sendung »Jüdisches Leben« auf Sat1. In München sitzt er als Stadtrat im Rathaus, »mindestens ein Halbtagsjob« und ehrenamtlich. Er sitzt dort für die CSU.
Ist eine christliche Partei wirklich das Richtige für Juden? Offman sagt eine Nachdenkminute lang nichts, nimmt sich eine dramatische Pause. Dann: »Ich glaube, dass ein Jude die CSU wählen sollte.« Es gehe dabei ja nicht um die christliche Kirche, es gehe um das Christentum und dessen Werte, die auch die Werte des Judentums seien.
»Das Christliche hat sich aus dem Jüdischen entwickelt.« Im Christentum wie im Judentum stehe beispielsweise die Familie im Mittelpunkt. »Deshalb sind der CSU die Belange der Familie auch so wichtig.« Also kümmere sich seine Partei um ausreichend viele Kinderkrippenplätze, darum, dass Arbeit und Familie vereinbar sind, um das also, was alle wollen, jetzt auch die CSU.
Wertekanon »Die CSU ist die Partei, die den Wertekanon des Judentums im Besonderen vertritt«, betont Marian Offman noch einmal, und dass die CSU das Beschneidungsgesetz maßgeblich unterstützt habe, »auch aus eigenem Interesse«. Denn werde die Beschneidung verboten, dann käme als Nächstes das Verbot, in den Schulzimmern Kreuze aufzuhängen.
Offman erzählt, dass er vor einigen Jahren an einer Demonstration teilgenommen habe, eben gegen das Kruzifixverbot. »Das haben damals in der Gemeinde nicht alle akzeptiert.« So etwas registriert er und geht den eingeschlagenen Weg weiter, weil ihm ein paar Dinge, wie eben der Schutz der monotheistischen Religionen, sehr wichtig sind, nicht diskutabel bis unantastbar.
»Wenn ich mich für etwas besonders engagiere, dann geht es mir zumeist um unsere Grundrechte, denn ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir Juden und Jüdinnen nur dort in Frieden leben können, wo diese demokratischen Grundrechte auch verwirklicht werden.«
Bürgernähe Marian Offman ist ein Politiker, der auf die Straße geht. Zum Beispiel gegen eine Partei, die sich »Die Freiheit« nennt und die gegen den Islam wettert, an Ständen in der Stadt mit populistischen Parolen Stimmen sammelt. »Wenn es möglich ist, ein Bürgerbegehren gegen den Islam durchzusetzen, dann kommt als Nächstes ein Bürgerbegehren gegen das Judentum.« Also erscheint er an diesen Ständen und wird von Michael Stürzenberger, dem Frontmann der »Freiheit«, laut und vernehmlich mit den Worten »der Jude Offman ist wieder da« empfangen. »Das ist nicht angenehm.«
Die CSU hält er für die Partei, die für den Einzelnen größte Entfaltungsmöglichkeiten biete, eine Partei für »Individualisten«, also auch für ihn. »Und da scheut man sich überhaupt nicht, mich um Rat zu fragen, sobald es auch nur im Entferntesten um Israel oder Jüdischkeit geht.«
Überhaupt Israel. Er habe noch keinen Politiker so klar und deutlich aussprechen hören, dass das Existenzrecht Israels »unverhandelbar« sei, wie das Frau Merkel getan habe, »und das ist auch ganz klar die Position der CSU«. Als noch keiner gewagt habe, über Waffenexporte nach Israel auch nur zu sprechen, da sei Franz Josef Strauß längst tätig geworden.
brückenbauer Marian Offman genießt es, in der Lage und Position zu sein, Brücken zwischen nichtjüdischen und jüdischen Menschen zu bauen. »Allein die Tatsache, dass ich mich für Belange einsetze, die allen zugutekommen sollen, und dabei viele wissen, dass ich Jude bin, kann einiges bewirken.« Und dass er Jude ist, damit halte er kaum hinter dem Berg.
Auf Marian Offman übt es immer einen Reiz aus, als »David gegen Goliath zu kämpfen«. Zum Beispiel nahm er es vor ein paar Jahren mit den Stadtwerken München auf, monierte mit einiger Beharrlichkeit deren überhöhte Energiekosten und sonstige Schlampereien. Er galt damit als der »Stadtwerke-Kritiker« der Kommunalpolitik, schaffte es damit sogar auf eine Karikatur in der Süddeutschen Zeitung. »Wenn das nichts ist«, sagt er und schiebt stolz und vorsichtig den Rahmen an der Wand, in dem die Zeichnung von damals steckt, ein paar Millimeter nach rechts oben. Gerade.
Ja, er fühle Genugtuung, wenn er »als Jude ins Rathaus gehe«, sagen könne, »nun seht, wir sind wieder da und machen mit«. Wenn über ihn in der Presse berichtet werde, vielleicht, weil es um Jüdisches gehe oder um Israel, dann heiße es schon mal, »der Jude Marian Offman« habe dies und das gesagt. Er kann das ein Stück weit verstehen, nachvollziehen. Trotzdem. Christlich? Jüdisch? »Wenn diese Unterscheidung in den Medien nicht mehr aufscheint, sind wir an dem Punkt angelangt, den wir anstreben sollten.«