Benefiz

Für eine neue Straßenbibliothek

Fotos erzählen die Geschichte der BücherboXX. Foto: Joris Meyer

»Es war ein ganz besonders schönes Konzert und eine gute Aktion gegen Antisemitismus«, sagt Isidoro Abramowicz, Kantor der Synagoge Pestalozzistraße. Zusammen mit Esther Hirsch, Tal Koch und Dotschy Reinhardt sang er liturgische und hebräische Werke beim Benefizkonzert zur Wiedererrichtung der Bücherboxx am Gleis 17, die auf dem Vorplatz des S-Bahnhofs Grunewald stand und die am 12. August in Brand gesetzt wurde.

Mehrere Hundert Zuhörer kamen am Donnerstag in die Friedenskirche Charlottenburg. Zwischen 1908 und 1921 wurde die heutige Baptistenkirche als Synagoge genutzt.

Als Konrad Kutt, Gründer des Projekts »Nachhaltige BücherboXX«, am 12. August gegen 9 Uhr zur Straßenbibliothek am Gleis 17 kam, war er schockiert. Nachts hatte jemand die ehemalige und zur Bibliothek umgebaute Telefonzelle abgefackelt. Zwölf Jahre lang war die Bücherboxx liebevoll und sorgfältig von mehreren Freiwilligen betreut worden.
Oft saßen Interessierte auf der kleinen Bank, um sich auszutauschen. Doch nun erinnern nur noch zwei Fotos von der Boxx an die kleine Bibliothek. Eines zeigt die verbrannte Telefonzelle, auf der der Hinweis angebracht ist, dass diese nun ins Haus der Geschichte in Bonn transportiert worden sei. Das andere stellt die zukünftige Boxx vor, für die inzwischen Spenden gesammelt werden. Etwa 10.000 Euro werden benötigt, so Kutt. Ein großer Anteil sei durch das Benefizkonzert bereits zusammengekommen.

Die Straßenbibliothek legt einen besonderen Schwerpunkt auf Themen, die im weitesten Sinne zu diesem »Ort des Geschehens« passen: jüdisches Leben, Verfolgung und Deportation, Holocaust, Nationalsozialismus, Rassismus und Widerstand.

Neben Literatur gab es ein Audiogerät, mit dem beispielsweise Lesungen aus Büchern angehört werden konnten. Denn von diesem Bahnhof wurden in den Jahren 1941–1945 mehr als 50.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder in die Ostgebiete, vor allem nach Auschwitz, deportiert.

Da es ein Bekennerschreiben gab, sei bekannt, wer das Feuer gelegt hat. Es handelt sich um einen 63-jährigen Mann, dessen Aussagen auf Antisemitismus hindeuten. Die Polizei konnte den Täter schnell ermitteln; er war bereits durch andere politisch motivierte Sachbeschädigungen aufgefallen. »Eine weiße Rose an den Gleisen abzulegen ist das eine, etwas anderes ist es, ein Buch mitzunehmen, das an die damalige Zeit erinnert, und sich damit auseinanderzusetzen«, so Kutt. Die neue BücherboXX werde wieder mit einem »selbstverständlichen Bezug zum Mahnmal Gleis 17, mit solidarischem Bezug zu Israel, mit hebräischen Liedern und dem Hauptsatz ›Erinnern durch Lesen‹ aufgebaut«, so Konrad Kutt.

Die zerstörte BücherboXX Gleis 17 wurde im Oktober abgeholt. Sie kommt ins »Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland« nach Bonn und wird für die Ausstellung »Antisemitismus in Deutschland« (Frühjahr 2024) aufbereitet.

Die ausgediente Telefonzelle war eine von 19, die Kutt in Berlin und im polnischen Posen für den kostenfreien Büchertausch umgestalten ließ. Sein vor 14 Jahren gestartetes Projekt »Nachhaltige BücherboXXen« gilt als wegweisend für weitere Initiativen, die Telefonzellen zu Straßenbibliotheken umgewandelt haben. Die Schreibweise mit den zwei Großbuchstaben XX verwendet allein Kutt. 2019 erhielt er für seine Verdienste die Bürgermedaille des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf.

Auf die Verbindung zum Mahnmal wiesen der Schriftzug »Gleis 17« und hebräische Schriftzeichen an den Metallwänden hin.

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