»Wir kommen heute hier zusammen, um Frau Dr. h. c. Charlotte Knobloch die Ehrendoktorwürde der Universität der Bundeswehr München zu verleihen. Fakultät und Universität tun dies in Anerkennung ihrer hervorragenden Leistungen, Wissenschaft und Bildung im akademischen Geist zu fördern, ihres außergewöhnlichen gesellschaftlichen Engagements zur Stärkung der Demokratie und ihrer Verdienste für das Judentum hier in Deutschland.« So begrüßte der Dekan der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften, Marc Frey, die geladenen Gäste im Casino der Bundeswehrhochschule in Neubiberg bei München.
Die nun – nach Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Tel Aviv im Mai 2009 – bereits zum zweiten Mal in dieser Form Ausgezeichnete fühlte sich nach ihren eigenen Worten »zutiefst geehrt« und dankte der Universität der Bundeswehr für diese besondere Würdigung. »Es bedeutet mir sehr viel, dass der Titel gerade von dieser Universität kommt: Der Auftrag der Bundeswehr, unsere Gesellschaft zu schützen und in ihr sichtbar zu sein, wird hier jeden Tag mit Leben gefüllt. Ihren Ehrentitel trage ich deshalb mit besonderem Stolz.«
vorbild Universitätspräsidentin Merith Niehuss betonte, dass die Bundeswehr-Universität mit derlei Ehrungen sehr sparsam umgehe. In dem fast 50-jährigen Bestehen der beiden Einrichtungen in München und Hamburg sei Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, die Erste, die mit der Auszeichnung »Dr. h. c.« geehrt werde. Dass sie die Ehrendoktorwürde annehme, so Dekan Frey, sei »eine große Ehre, denn Ihr Wirken, Ihre Lebensgeschichte, Ihr Handeln in Politik und Öffentlichkeit sind uns ein Ansporn und Vorbild«.
Das Datum der Verleihung dieser besonderen Auszeichnung, der 14. Juli, gebe der Feier einen würdigen historischen Rahmen, so Frey weiter. »Heute vor 233 Jahren stürmte das Volk von Paris die Bastille, ein Symbol des Ancien Regime, um für Bürgerrechte und Freiheit einzutreten. Einen Monat später verabschiedete die französische Nationalversammlung die erste allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Sie verbriefte das Recht auf Freiheit, Eigentum und Sicherheit sowie das Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung«, sagte Frey.
Die Geschichte der Menschenrechte sei keine geradlinige, progressive Geschichte, ihre Normen und Werte seien nicht selbstverständlich, sondern müssten immer wieder aufs Neue erkämpft, bestätigt, gelebt und gefeiert werden.
menschenrechte An Charlotte Knobloch gewandt, fügte Frey hinzu: »Sie sind eine große Kämpferin für Menschenrechte und Demokratie.« Und er zitierte aus ihren Erinnerungen: »Ich bin mit Geschichten von Tod und Vernichtung, aber auch mit den Geschichten derer, die das Grauen überlebt haben, groß geworden. Ich habe die Menschen kennengelernt, die durch die Hölle gegangen sind. Das prägte mich und spornte mich an, Menschen in Not, in Bedrängnis und Leid beizustehen. Und alles in meiner Macht Stehende zu tun, damit sich eine derartige Katastrophe nicht wiederholt.«
Das Datum für die Auszeichnung verlieh der Feier einen würdigen historischen Rahmen.
Herausforderungen blieben, neue seien dazugekommen, betonte die IKG-Präsidentin in ihrer Dankesrede. Doch einiges habe sich klar verbessert: »Zu den Entwicklungen der 2010er-Jahre zählte es nämlich auch, dass die Themen, die jüdische Menschen seit Langem umtrieben, nach und nach auch in das Blickfeld der nichtjüdischen Öffentlichkeit gerieten.«
Der Anschlag von Halle, aber auch brennende Israelfahnen in deutschen Innenstädten hätten die Probleme buchstäblich auf die Straße getragen: »Es war für viele in der jüdischen Gemeinschaft eine Erleichterung, zu sehen, dass die Mehrheitsgesellschaft dies endlich in vollem Umfang wahrzunehmen begann – und auch handelte«, ergänzte Knobloch.
gemeinsamkeiten So sei die Idee entstanden, im Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« auf die Gemeinsamkeiten hinzuweisen – nicht als Geschichtsvorlesung, sondern als Beschreibung einer realen gesellschaftlichen Gegenwart. Deutsche Kultur sei deshalb immer auch jüdisch-deutsche Kultur gewesen.
Dieses Festjahr habe außerdem gezeigt, was im Verbund von Gesellschaft und Politik möglich sei. »Auch für mich persönlich war es eine aufregende, eine bereichernde Zeit. Ob deren Erfolge auch langfristig gesichert werden können, das hängt nun vom Willen der Beteiligten ab. Ob und welche Zukunft jüdische Kultur und jüdische Menschen in diesem Land haben, entscheidet sich heute.«
Im Rückblick auf ihr persönliches Erleben sagte sie: »Ich habe mein ganzes Leben in Deutschland verbracht, ich habe hier meine Heimat verloren und – nach langer Suche – wiedergefunden. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass jüdische Menschen ohne Sorgen und Nöte, ohne Angst und ständige Unsicherheit hier leben können – in einem Wort, ich wünsche mir Normalität.« Sie wisse aber gleichwohl, dass dieser Punkt noch lange nicht erreicht sei.
geschichte Der Bevölkerung aufzuzeigen, dass Judentum kein externer Faktor in der Geschichte gewesen sei, sondern dass jüdische Menschen seit vielen Jahrhunderten hier lebten und Teil des Landes, des »gemeinsamen Wir« seien – das habe das Festjahr geleistet.
Charlotte Knobloch schloss ihre Dankesrede mit den Worten: »Ich hoffe, dass diesem ersten und wichtigen Erfolg noch weitere folgen werden, und ich werde mich dafür weiterhin gemeinsam mit den vielen befreundeten Einrichtungen in München einsetzen, zu denen selbstverständlich auch die Universität der Bundeswehr zählt. Der heutige Tag und die außerordentliche Ehre, die Sie mir zuteilwerden lassen, werden mir dafür ein nur noch größerer Ansporn sein.«
Im Anschluss an den Festakt traf man sich im Garten vor dem Gebäude, um der Geehrten zu gratulieren und bei einem kleinen Imbiss ins Gespräch zu kommen.