Pflegereform

»Für alle gleiche Behandlung«

Abraham Lehrer über das neue Gesetz und die Benachteiligung von Zuwanderern

von Heide Sobotka  09.01.2017 17:04 Uhr

Abraham Lehrer Foto: Jörn Neumann

Abraham Lehrer über das neue Gesetz und die Benachteiligung von Zuwanderern

von Heide Sobotka  09.01.2017 17:04 Uhr

Herr Lehrer, am 1. Januar ist das dritte Pflegestärkungsgesetz (PSG III) in Kraft getreten. Sie haben es heftig kritisiert. Warum?
Es benachteiligt unsere Zuwanderer. Das neue PSG III überführt die bisherigen drei Pflegestufen in fünf Pflegegrade. Die Pflegeversicherten machen dabei einen Sprung um zwei Grade. Unsere Zuwanderer haben mehrheitlich den Status der Nichtversicherten, da viele nicht wirklich in Deutschland erwerbstätig waren. Sie springen, obwohl ihnen eine eingeschränkte Alltagskompetenz bescheinigt wurde, nicht um zwei Pflegegrade, sondern nur um einen Pflegegrad. Hier wollen wir eine Gleichbehandlung mit den Versicherten schaffen.

Welche Personengruppe haben Sie dabei genau im Blick?
Es geht vor allem um die Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, die in jüdischen Eltern- und Altersheimen untergebracht sind. Sie machen – im Unterschied zu den anderen Verbänden aus der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege – 75 Prozent unserer Heimbewohner aus. Wir sprechen hier von rund 1000 Personen in ganz Deutschland.

Die Personengruppe ist also nicht allzu groß. Es wird weitere Gespräche mit dem Bundesministerium für Arbeit geben. Wie wollen Sie weiterverhandeln?
Unser Ziel ist, die Ungerechtigkeit gegenüber den Versicherten auszugleichen. Wir wollen keinen Präzedenzfall schaffen, auf den sich andere Kleingruppen in Hinblick auf eigene Forderungen berufen könnten. Wir könnten daher der Bundesregierung eine Alternativlösung zum Ausgleich vorschlagen. Wie gesagt, wir sprechen von rund 1000 Personen, für die über zehn bis 15 Jahre die Differenz zwischen den Pflegegraden zwei und drei ausgeglichen werden sollte. Der Betrag, der sich aus diesem Beispiel ergibt, ist nicht allzu hoch. Wir halten unsere Idee für eine praktikable Lösung und werden sie gegebenenfalls bei einem nächsten Treffen vorbringen.

Wir haben nur über Heimbewohner gesprochen. Trifft das PSG III nicht auch auf ambulant Pflegebedürftige und kurzzeitige stationäre Betreuung zu?
Ja, es betrifft auch diesen Personenkreis. Über die Heimbewohner haben wir die gesichertsten Zahlen. Ein derart genauer Überblick über diejenigen, die von ihren Verwandten gepflegt werden, existiert bislang nicht.

Der Leiter des Nelly-Sachs-Hauses in Düsseldorf, Bert Römgens, wurde kritisert, weil er sagte, die Gemeinden müssten fehlende Leistungen kompensieren. Was sagen Sie dazu?
Wenn der Fall eintritt, dass jemand durch Refinanzierung nicht den notwendigen Beitrag aufbringen kann, wird die Gemeinde dafür sorgen, dass er trotzdem in das entsprechende Alters- oder Pflegeheim aufgenommen wird, und gegebenenfalls eine Zusatzfinanzierung aus eigener Tasche aufbauen. Jüdische Gemeinden sind schließlich Solidargemeinschaften. Aber das kann nicht die Regel sein.

Mit dem Direktor der ZWST und Vizepräsidenten des Zentralrats sprach Heide Sobotka.

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in München

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt traditionell einmal im Jahr zusammen – am letzten Sonntag im November

 24.11.2024 Aktualisiert

Porträt der Woche

Familie als Sujet

Elinor Sahm ist Israelin, Künstlerin, Mutter und lebt jetzt in Berlin

von Alicia Rust  23.11.2024

Berlin

Hommage an jiddische Broadway-Komponisten

Michael Alexander Willens lässt die Musik seiner Großväter während der »Internationalen Tage Jüdischer Musik und Kultur« erklingen

von Christine Schmitt  21.11.2024

Leo-Baeck-Preis

»Die größte Ehre«

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke erhält die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Düsseldorf

Für Ausgleich und Verständnis

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erhielt die Josef-Neuberger-Medaille

von Stefan Laurin  21.11.2024

Jubiläum

Religionen im Gespräch

Vor 75 Jahren wurde der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gegründet

von Claudia Irle-Utsch  21.11.2024

Engagement

Helfen macht glücklich

150 Aktionen, 3000 Freiwillige und jede Menge positive Erlebnisse. So war der Mitzvah Day

von Christine Schmitt  20.11.2024

Volkstrauertag

Verantwortung für die Menschlichkeit

Die Gemeinde gedachte in München der gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs

von Vivian Rosen  20.11.2024

München

»Lebt euer Leben. Feiert es!«

Michel Friedman sprach in der IKG über sein neues Buch – und den unbeugsamen Willen, den Herausforderungen seit dem 7. Oktober 2023 zu trotzen

von Luis Gruhler  20.11.2024