Herr Yedovitzky, in manchen europäischen Ländern denken immer mehr Juden über eine Zukunft in Israel nach. Gilt das auch für Deutschland?
Wir können nicht feststellen, dass sich angesichts der aktuellen Ereignisse in Europa die Situation hierzulande verändert hätte. In unseren Büros verzeichnen wir nicht mehr, aber auch nicht weniger Anfragen. Unserer Auffassung nach ist die Situation in Deutschland, wie eben auch in Nordamerika oder anderen Teilen der Welt, stabil.
Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern?
Die Situation beispielsweise in Frankreich stellt sich ganz anders dar. Dort gibt es weitaus mehr Juden, die das Land verlassen oder entsprechende Pläne haben. Im vergangenen Jahr waren es 7000, doppelt so viele wie im Vorjahr.
Wie sieht die deutsche Alija-Statistik aus?
Unverändert sind es pro Jahr etwa 130 bis 140 Olim. Aber nicht alle Einwanderer bitten die Jewish Agency um Unterstützung, manche erledigen die notwendigen Formalitäten auch direkt bei den zuständigen Behörden in Israel. Unterm Strich stellen wir in den vergangenen Jahren bei der Zahl der Einwanderung aus Deutschland weder eine Zu- noch eine Abnahme fest.
Sie waren am vergangenen Wochenende Gast des Jugendkongresses. Wie ist der Trend unter jungen Juden in Deutschland?
Beim Jugendkongress haben mich einige junge Teilnehmer angesprochen, hauptsächlich hatten sie Fragen zur aktuellen Situation in Israel. Einige von ihnen fragten auch nach den Details einer Alija. Ich habe mich bemüht, die passenden Antworten zu geben.
Ist es nicht Ihre Aufgabe, für die Alija zu werben?
Wir sehen unsere Hauptaufgabe darin, die hiesigen jüdischen Institutionen zu unterstützen. Wir wollen insbesondere bei jüngeren Juden die jüdische Identität stärken. Unser Anliegen ist es, sie mit ihren jüdischen Wurzeln noch enger zu verbinden und auch ihre Verbindung zur jüdischen Welt und insbesondere zu Israel zu stärken.
Und dann?
Dann liegt es an den jungen Menschen selbst, zu entscheiden, welchen Weg sie weiter gehen. Die einen gründen hier eine jüdische Familie, schicken später ihre Kinder in jüdische Kindergärten oder Schulen, andere engagieren sich in ihren Gemeinden, und andere wiederum entscheiden sich für die Alija. Wir sind Teil der freien Welt, alle Optionen stehen offen.
Und wenn das Gefühl der Verunsicherung zunimmt?
Wo immer es eine Gefährdung gibt, steht die Jewish Agency zur sofortigen Hilfe bereit. Aber grundsätzlich sollten Juden lieber aus ehrlicher Überzeugung statt wegen einer konkreten Bedrohung den Weg nach Israel finden.
Mit dem Direktor der Abteilung für Deutschland und Zentraleuropa der Jewish Agency sprach Detlef David Kauschke.