Interview

Fünf Minuten mit

Nathan Gelbart über juristische Fragen der Beschneidung

von Heide Sobotka  31.07.2012 11:47 Uhr

Nathan Gelbart Foto: Marco Limberg

Nathan Gelbart über juristische Fragen der Beschneidung

von Heide Sobotka  31.07.2012 11:47 Uhr

Herr Gelbart, für wie gravierend halten Sie das Kölner Urteil zur Beschneidung?
Problematisch ist es deshalb, weil es zu einer sehr unsachlich geführten Debatte angeregt hat, die viel nachhaltiger ist als das Urteil selbst. Es ist beschämend, dass Akademiker in diesem Land auf die Idee kommen, von einer Verstümmelung zu sprechen und sogar die »Beschneidung« von Mädchen in die Diskussion einführen. Unentschuldbar ist vor allem, dass offenbar das Landgericht überhaupt nicht wusste, worüber es urteilt, auch wenn es im hier zu entscheidenden Fall um ein muslimisches Kind ging. Denn die Beschneidung ist im Judentum eine Elternpflicht und keine des Kindes, zudem ist die Brit am achten Tag nach der Geburt durchzuführen. Die Einvernahme des Kindes, die das Gericht dem Religionsmündigen ermöglichen will, ist gerade nicht gewollt und in zeitlicher Hinsicht auch nicht möglich.

Wie bindend ist das Urteil von Köln?
Solange es kein rechtskräftiges, obergerichtliches Urteil gibt, kann nach meiner Auffassung jeder an einer rituell motivierten Beschneidung Beteiligter gutgläubig von der Falschheit dieses Urteils ausgehen, ohne sich strafbar zu machen. Bleibt dieses Urteil kein Einzelfall und wird es sogar von einem Oberlandesgericht in einem Revisionsverfahren bestätigt, kann die Situation hingegen kippen.

Viele Eltern sind dennoch tief verunsichert. Was raten Sie ihnen?
Daran sehen Sie, was dieses unsägliche Urteil angerichtet hat. Ich kann nur alle jüdischen Eltern in diesem Land dazu ermutigen, sich an das Gebot der rituellen Beschneidung zu halten und diese jahrtausendealte Tradition fortzusetzen. Dieses Urteil wird entweder ein bedauerlicher Einzelfall bleiben, oder aber die obergerichtliche Rechtsprechung, auf die ich in diesem Punkt vertraue, wird diesem Unsinn ein Ende bereiten.

Wie können sich Eltern für die Beschneidung ihres Sohnes rechtlich absichern?
Es gab weder vor dem Urteil der Kölner Berufungskammer Rechtssicherheit, und auch jetzt gibt es sie nicht. Deshalb besteht kein Grund, jetzt Dinge anders zu tun als vorher. Das Kölner Urteil hat aus meiner Sicht die bestehende Rechtslage nicht verändert. Für mich ist klar, dass aufgrund des vergleichsweise kleinen Eingriffs das Recht der Eltern, diese Frage verantwortungsvoll in der gegebenen kurzen Zeit selbst zu entscheiden, überwiegen muss.

Welchen Tipp geben Sie Gemeindevorsitzenden, die Angst haben, sie könnten sich allein durch das Zurverfügungstellen von Räumen strafbar machen?
Sie sollen nicht nur ihre Räume zur Verfügung stellen, sondern demonstrativ dieser Mizwa beiwohnen und ihre Gemeindemitglieder hierzu ermutigen.

Glauben Sie, dass es ein gesondertes Gesetz zur Beschneidung geben muss?
Ich halte es für sehr bedauerlich, dass ein Bundesgesetz geschaffen werden soll, um Juden in diesem Land die Einhaltung eines ihrer wichtigsten Gebote zu erlauben. Andererseits bringt ein Gesetz womöglich die Rechtssicherheit, die sich sowohl die Betroffenen als auch die Justizbehörden wünschen. Doch das wird ein langwieriger Prozess, und am Ende landet das Gesetz ohnehin beim Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung.

Mit dem Berliner Rechtsanwalt sprach Heide Sobotka.

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