Herr Porat, nach 73 Jahren wird am heutigen Donnerstag die Jugendbewegung Hashomer Hatzair in Berlin wiedergegründet. Welche Ziele haben Sie?
Wir möchten jungen Juden ein alternatives jüdisches Leben bieten. Das heißt, wir orientieren uns an den jüdischen Feiertagen, treffen uns an den Wochenenden. Wir machen viele Aktionen und möchten zwischen den Juden, die hier und nicht in Israel leben, eine Verbindung herstellen.
In dieser Richtung gibt es gerade in Berlin viele Angebote. Worin unterscheidet sich Hashomer Hatzair von den anderen?
Wir sind eine sozialistische Bewegung. Darin haben wir unsere Wurzeln, und das macht uns aus. Auch unser Bezug zur Religion ist ein wenig anders als zum Beispiel der von Chabad Lubawitsch oder der Jüdischen Gemeinde.
Inwiefern?
Wir stehen der Kibbuz-Bewegung sehr nahe. Festtage wie Sukkot oder Pessach werden bei uns auf sehr ländliche Art gefeiert. Beim großen Seder an Pessach zum Beispiel sitzen alle zusammen. Auch bei anderen Gelegenheiten feiern Frauen und Männer gemeinsam. Generell richten wir uns an Menschen, die das Judentum eher etwas allgemeiner sehen.
Warum haben Sie den Verband gerade zu diesem Zeitpunkt neu gegeründet?
Eigentlich war immer klar, dass es Hashomer Hatzair nach dem Verbot durch die Nazis wieder geben sollte. In den vergangenen Jahren haben wir viel mit der »Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken« zusammengearbeitet. Auch mit dem Willy Brandt Center in Jerusalem stehen wir in engem Kontakt. Heute, anders als vor 20 Jahren, leben viel mehr Israelis und Juden in Deutschland. Wir haben diesen Trend verfolgt und auch gehört, dass sich junge Leute, die uns schon aus anderen Städten kannten, erkundigt haben, ob es Hashomer Hatzair auch in Deutschland geben würde. Diesem Wunsch sind wir nachgekommen.
Wie gestaltet sich denn die Zusammenarbeit mit der Sozialistischen Jugend, den Falken?
Es gibt einen regen Ideenaustausch und wir organisieren Camps zusammen. Einer der Grundsätze von Hashomer Hatzair ist, dass die Bewegung sozialistisch ist. Wie modern ist Sozialismus heute? Er ist sehr angesagt und wichtig. Es gibt eine starke Verbindung zwischen Judentum und Sozialismus. Allein die Frage der Arbeitszeiten. Außerdem haben wir noch immer einen intensiven Kontakt mit der Kibbuzbewegung, auch wenn sich in den vergangenen Jahren in deren Struktur eine Menge verändert hat. Unsere Ideale und Ideen wie Gerechtigkeit für alle, Gleichheit aller Menschen und dass sich Arbeit für alle lohnen muss, sind geblieben. Aber wir reagieren als Bewegung natürlich auch auf die neuen Zeiten.
Mit dem Vorsitzenden von Hashomer Hatzair in Deutschland sprach Katrin Richter.