Der Friedhof Weißensee steht im Mittelpunkt einer internationalen Konferenz, die vom 3. bis 6. April in Berlin stattfindet. Worum geht es bei der Fachtagung?
Experten aus mehreren europäischen Ländern und der Bundesrepublik werden sich dabei über jüdische Friedhöfe und Bestattungskultur in Europa austauschen. Ein Schwerpunkt wird bei der vom Internationalen Rat für Denkmalpflege (ICOMOS), der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, dem Centrum Judaicum und dem Landesdenkmalamt Berlin veranstalteten Tagung die Bedeutung des Friedhofes Weißensee im internationalen Kontext sein.
Auf Anregung der Jüdischen Gemeinde beschlossen Senat und Abgeordnetenhaus 2006 den Friedhof auf die Nominierungsliste des Unesco-Weltkulturerbes zu setzen. Wie ist der Stand der Dinge?
Die Tagung soll die Chancen und Möglichkeiten für den Friedhof Weißensee ausloten. Aber es ist ein längerer Prozess. Der Friedhof Weißensee soll im kommenden Jahr vom Land Berlin für die Vorschlagsliste für Welterbenominierungen bei der Deutschen Kultusminister-Konferenz angemeldet werden. Deren Entscheidung für die Prioritäten wird für das Jahr 2013 erwartet. Der 1880 angelegten Begräbnisstätte kommt zweifellos eine überregionale Bedeutung zu, es ist einer der größten jüdischen Friedhöfe Europas. Doch gibt es bei der Unesco einen Überhang an Anträgen europäischer Projekte, so dass man dort derzeit eher geneigt sein wird, asiatischen oder afrikanischen Welterbestätten den Vorzug zu geben.
Gelingt es, mit dieser Initiative auch die hohen Kosten zu decken, die für den Erhalt des Friedhofs Weißensee anfallen?
Wenn dieses Objekt noch mehr in den Blick der Öffentlichkeit gerückt wird, sind solche Finanzierungsfragen sicher leichter zu lösen. Aber man muss anerkennen, dass sich Bund und Land bereits sehr stark für den Friedhof engagieren. Ich darf als Landschaftsarchitekt zum Beispiel die Restaurierung der Einfriedungsmauer und dazugehöriger Wandgrabmale begleiten, für die zwei Millionen Euro öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt wurden.
Senat, Gemeinde und Centrum Judaicum haben 2007 ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur Erfassung und Bewertung der über 110.000 Grabmäler gestartet. Wie weit ist dieses Projekt?
Darüber werden wir im Einzelnen auf der Fachtagung informiert. Es gibt bereits Musterbilder und Erfassungskataloge. Ich bin gespannt auf die ersten Ergebnisse dieses mit der Technischen Universität Berlin durchgeführten Vorhabens.
Das Bild der jüdischen Friedhöfe hat sich hierzulande gewandelt. Welchen Einfluss hat die von Zuwanderern mitgebrachte Bestattungskultur?
Es gibt Besonderheiten der russischen Bestattungskultur. Auch dieses Thema werden wir auf der Fachtagung besprechen. Zum Beispiel befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof St. Petersburg auf jedem Grabstein ein Foto des oder der Verstorbenen. Eine andere Sitte, die man beobachten kann, sind Kerzen auf den Grabstätten. Dies ist auf unseren Friedhöfen nicht üblich, die Friedhofsverwaltungen machen auch Vorgaben, so dass zum Beispiel Abbildungen von Verstorbenen nicht erlaubt sind. Aber es wird sich zeigen, wie sich Traditionen der russischsprachigen Zuwanderer auch bei uns etablieren. Jüdische Friedhöfe sind traditionell stets sehr schlicht gestaltet. Aber im 18. und 19. Jahrhundert – und das geschah unter dem Einfluss der christlichen Umgebungskultur – wurden jüdische Begräbnisstätten in Deutschland auch mit gepflegten Wegen und Beeten und teils prunkvollen Grabmalen gestaltet. Der Friedhof Weißensee ist ein hervorragendes Beispiel dafür.
Mit dem Landschaftsarchitekten sprach Detlef David Kauschke.