Es war ein Anschlag, der weltweit Trauer und Entsetzen ausgelöst hatte. Am 19. Dezember 2016 steuerte ein tunesischer Islamist einen Sattelschlepper in die Besuchermenge des Weihnachtsmarktes am Berliner Breitscheidplatz. Zwölf Menschen starben, ein weiteres Opfer erlag in diesem Jahr den Folgen seiner Verletzungen. Der Schock und die Fassungslosigkeit sind bis heute geblieben.
Anlässlich des fünften Jahrestages fand in Erinnerung an die Opfer ein Symposium für interdisziplinären Wissenstransfer mit dem Titel »Antisemitismus – Herausforderung für Polizei, Sicherheitsakteure und Gesellschaft« statt – auch, um die Sicherheitsbehörden künftig mehr für die Gefahren des Terrorismus zu sensibilisieren. Ausgerichtet wurde die Fachtagung von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) und der Senatsverwaltung für Inneres und Sport.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier räumte in seiner Ansprache Fehler des Staats ein.
Berlins bisheriger Innensenator Andreas Geisel betonte zur Eröffnung, mit dem diesjährigen Fokus auf Antisemitismus wolle man das Blickfeld erweitern. »Weil latenter Antisemitismus Gift für unsere Gesellschaft ist. Und immer wieder Ausgangspunkt von Gewalt und Terror. Der Schutz jüdischen Lebens und damit einhergehend der Schutz jüdischer Einrichtungen ist in einer Metropole wie Berlin eine besondere Aufgabe, der ich eine herausragende Bedeutung beimesse«, sagte Geisel.
IMPULSVORTRAG In seinem Impulsvortrag ging Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, auf verschiedene Formen des Antisemitismus ein. Er verwies zunächst auf die wichtige Abgrenzung antisemitischer Vorfälle zum Rassismus. »Der Kampf gegen beide Phänomene kann nur effektiv sein, wenn wir die Phänomene nicht vermengen«, sagte Botmann.
Er machte auf Fakten von RIAS, der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus, aufmerksam, die sich auf Berlin beziehen: »RIAS hat in seiner Veröffentlichung zum vergangenen Jahr 1004 antisemitische Vorfälle aufgeführt. Das sind die Vorfälle, die in der Statistik auftauchen, es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer wesentlich höher ist.«
Gerichtet an Justiz und Sicherheitsbehörden forderte Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann mehr Bewusstsein für die Wahrnehmung antisemitischer Vorfälle als Straftaten.
Positiv hob Daniel Botmann Präventionsmaßnahmen hervor, die insbesondere nach dem judenfeindlichen Attentat von Halle die Sicherheit jüdischer Einrichtungen erhöht habe. Im Ausbau der Sicherheitsinfrastruktur sei zwar noch viel zu tun, aber man sei auf einem guten Weg.
Gerichtet an Justiz und Sicherheitsbehörden forderte er jedoch mehr Bewusstsein für die Wahrnehmung antisemitischer Vorfälle als Straftaten. »Denn Sorge bereitet uns die konsequente Strafverfolgung bei antisemitischen Vorfällen«, so Botmann. »Hier erleben wir, dass regelmäßig antisemitische Straftaten nicht als solche gesehen werden und es deswegen auch nicht zur Einleitung von Strafverfahren kommt.« Er sprach sich in diesem Zusammenhang für mehr Fortbildungen zur Anwendung der Arbeitsdefinition Antisemitismus innerhalb der Polizei sowie bei Justiz wie Strafanwälten und Richtern aus.
ANDACHT Am Jahrestag des Anschlags, am Sonntagabend um 20.02 Uhr, läuteten die Glocken der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche 13-mal, um der Verstorbenen zu gedenken. Fotos der Opfer, Kerzen und Blumen standen auf den Stufen, auf denen die Namen der 13 Verstorbenen eingraviert sind.
Zuvor hatte in der Kirche eine Andacht stattgefunden, an der auch Rabbiner Andreas Nachama beteiligt war. Die neue Bundesinnenministerin und Berlins Regierender Bürgermeister nahmen teil sowie Familien und Angehörige der Opfer.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier räumte in seiner Ansprache Fehler des Staats ein. »Der Staat hat sein Versprechen auf Schutz, auf Sicherheit und Freiheit nicht einhalten können«, sagte Steinmeier. Der Staat »steht in der Pflicht, die Fehler, die Versäumnisse und Probleme auszuräumen, die dazu beigetragen haben, dass dieser Anschlag nicht verhindert wurde«, betonte er.