Die Äpfel waschen, schälen und in kleine Quadrate schneiden. Die Walnüsse abwiegen und grob hacken, Zimt abmessen und süßen Wein bereitstellen. Vielleicht noch etwas Zitrone dran – und fertig ist das Charosset. Doch nur das eine: das aschkenasische. Aber wie steht es mit dem marokkanischen, mit dem persischen oder mit dem, dessen Rezept auf der Seite des Jewish Museum of Maryland steht: einem chinesischen mit Sojasoße? Bei denen wird die Zutatenliste länger.
»Datteln, Bananen, Rosinen – mein Vater gibt auch Rosenwasser hinzu –, Pistazien, Nüsse, Zimt, koscherer Wein. Und es gibt sogar noch eine Abwandlung. Manche machen auch noch Granatäpfel oder Granatapfelsaft rein«, beschreibt Sarah Shabanzadeh-Glaschy aus der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main das persische Charosset, das für manchen »ganz neu« sein wird.
Challe und Charosset – wie geht das zusammen, so kurz vor Pessach?
Gemeinsam mit der Religionslehrerin Yodfat Rosenblatt ist Shabanzadeh-Glaschy Gastgeberin eines Charosset-Tastings. Bei dem Workshop im Frankfurter Ignatz Bubis-Gemeindezentrum, der am Donnerstagabend stattfindet, soll aber nicht nur Charosset verkostet, sondern vor allem auch zubereitet werden. Außerdem wird es noch einen »Challah Bake« geben. Challe und Charosset? Mal davon abgesehen, dass es schmeckt – wie geht das zusammen, so kurz vor Pessach?
»Yodfat Rosenblatt und ich wollten den zweiten Challah Bake unbedingt vor Pessach machen, denn es sind ja noch zwei Wochenenden bis dahin, und auch da muss man noch Challe haben«, sagt Shabanzadeh-Glaschy. »Außerdem können wir zusätzlich noch Spenden sammeln, um diese wieder an die Waisenkinder zu schicken.«
Aschkenasisches, marokkanisches oder persisches Charosset – alles wird probiert.
Wieder, denn den Challah Bake gab es bereits kurz nach dem 7. Oktober 2023. »Die Idee dazu kam Yodfat Rosenblatt und mir nach dem 7. Oktober. Ich hatte online ein Bild eines kleinen Jungen gesehen, der am Grab seiner beiden Eltern und seiner Großeltern stand; er hatte niemanden mehr. Das hat uns so beschäftigt, dass ich zu einem unserer Rabbiner ging und sagte: ›Wir müssen etwas machen.‹«
Die Gemeinde habe, erzählt Shabanzadeh-Glaschy, »einen solchen Challah Bake bis dato noch nicht gehabt, und der Zuspruch war derart groß, dass die Teilnehmerinnen uns fragten, wann wir das noch einmal machen würden«. Rund 150 Frauen und Mädchen nahmen damals an dem Workshop teil, und das Fazit war: »Es hat richtig Spaß gemacht, es kam auch einiges an Spenden zusammen, die wir dann nach Israel überwiesen haben und die für Waisenkinder waren.« Jede Teilnehmerin kann, wenn sie möchte, die gelben Schleifen und die gelben Solidaritätsbändchen gegen eine kleine Spende erhalten.
Und dann heißt es: Mehl abmessen, Hefe, Zucker und alle anderen Zutaten für die Challe zusammenfügen
Eröffnet wird der Tasting-Abend in Frankfurt von Vorstandsmitglied Benjamin Graumann. Und dann heißt es: Mehl abmessen, Hefe, Zucker und alle anderen Zutaten für die Challe zusammenfügen. Während der Teig geht, beschreibt Yodfat Rosenblatt den Ablauf beim Pessachseder. »Wir haben auch einen gedeckten Sedertisch, einen Sederteller und unsere drei Schüsseln mit Charosset.« Zusätzlich gibt es die Rezepte zu den Sorten dazu, die jeder mit nach Hause nehmen kann.
Anschließend wird der Teig noch einmal geknetet, und die Challe wird geformt, ob als Dreier-, Vierer- oder Sechser-Zopf oder auch in Form eines Davidsterns. Am Ende nehmen die Mädchen und die Frauen die Challot mit nach Hause, wo sie dann fertig gebacken werden. »Wir sprechen das Gebet für die Gefangenen, für die israelische Armee, für Israel, und zum Schluss singen wir die Hatikwa. Spätestens dann wird an den leer gegessenen Schüsseln zu sehen sein, welches Charosset das Rennen gemacht hat.«
Im Restaurant »Schalom« in Chemnitz ist das Charosset Mutter-Sache. Denn dort wird die süße Speise, die auf dem Sederteller den Lehm symbolisiert, aus dem die Sklaven in Ägypten die Ziegel formten, von der Mutter des Restaurant-Chefs Uwe Dziuballa zubereitet. Das Rezept ist natürlich streng geheim, aber erfahrene Charosset-Zubereiter können es sich vielleicht ein wenig denken.
Fast zwei Wochen vor dem Seder bereitet sich das Restaurant, das Dziuballa seit 24 Jahren betreibt, auf die Feiertage vor. »Wie jedes Jahr beginnen wir vor den Feiertagen mit dem klassischen Großputz. Alle helfen mit: meine Mutter, die Küchengruppe und der Service. Wir stellen uns komplett um. Alles Gesäuerte wird in einem extra Raum ausgelagert – angefangen von der Hefe bis hin zum Bier«, erzählt Dziuballa.
Latkes zu Pessach?
Ein Menü zu Pessach wird es im »Schalom« nicht geben, aber Dziuballa weiß, was bei seinen Gästen immer beliebt ist: »Hühnersuppe mit Mazze-Kneidlach«, und die »Hühnerbrust vom Grill in Orangen-Backpflaumen-Soße mit Latkes ist ein Gericht, was immer gern bestellt wird – auch wenn Latkes natürlich nicht originär zu Pessach passen«. Latkes zu Pessach?
»Wir bereiten sie über die Pessachtage natürlich auch ohne Kartoffelstärke zu«, sagt Dziuballa. Warum gerade dieses Gericht so beliebt ist, das vermag er nur schwer sagen. »Vielleicht«, vermutet er, »mögen es die Gäste, weil sie neugierig auf die Mazze sind. Wir reichen ja während der Tage kein Brot zum Essen dazu; vielleicht gefällt es ihnen auch deswegen.«
Mazze steht für Pessach, ein gekochtes Ei, Frühlingsgemüse wie Radieschen, ein Hühnerkeulchen, Meerrettich, Charosset und Bitteres Kraut, all das gehört auf den Sederteller. Und was gibt es sonst so? »Kulinarisch ist Pessach ja nicht so einfach«, sagt Dziuballa. Trotzdem hat er einen Favoriten auf dem geordneten Teller: »Mir schmeckt das Bitterkraut eigentlich immer am besten. Als Jugendlicher mochte ich es nicht so sehr, aber als Erwachsener mochte ich den Geschmack immer mehr. Und auch seine Symbolik ist für mich immer nachvollziehbarer: also immer so ein bisschen auf den Boden der Tatsachen geholt zu werden.«
An Pessach rücken alle zusammen – ein echtes Familienfest.
Pessach feiert Dziuballa mit der Familie und drei oder vier befreundeten Paaren. »Neben den Menschen, die uns nicht mögen, gibt es eben auch sehr viele, die uns mögen«, sagt er. Ganz neben den klassischen Gerichten gebe es irgendwie auch so ein bisschen Bildungsarbeit dazu, sagt er. »Wir erklären, warum wir Freitag geschlossen haben, warum Jom Kippur zu ist und was dahintersteckt. Pessach mit seinen kulinarischen und gastronomischen Besonderheiten interessiert unsere Gäste.«
Durch den Seder führt Dziuballas Bruder, der an einer Jerusalemer Jeschiwa studiert hat
Durch den Seder führt Dziuballas Bruder, der an einer Jerusalemer Jeschiwa studiert hat. Dziuballa mag vor allem »das Gefühl der Gemeinschaft. Zu wissen, dass man an den Feiertagen mit so vielen anderen Menschen verbunden ist, dabei fühle ich mich sehr wohl«.
Auch für Sarah Shabanzadeh-Glaschy ist Pessach ein Fest der Familie. »Es ist immer sehr, sehr schön, dass die ganze Familie zusammenkommt, wir mit allen die zehn Plagen spielerisch darstellen und zusammen singen und natürlich das leckere Essen genießen können.«
Zehn Jahre hat sie in Israel gelebt, »da war das noch mal ein ganz anderes Gefühl als hier«. In Deutschland spüre man das Zusammenrücken, »alle kommen in der Synagoge zusammen. Man merkt so wirklich den Zusammenhalt«. Gerade in diesem Jahr habe sie neben dem traditionellen Wunsch »Chag Pessach Kascher veSameach« vor allem die Hoffnung, dass die Geiseln freikommen werden.
»Bei uns gibt es die leckeren selbst gemachten Mazzeknödel mit Suppe, dann Fleisch und/oder Fisch, Reis und Kartoffeln und als Nachspeise leckeres Apfelschalet (typisch aschkenasisch von der Familie meiner Mutter) und den Karottenkuchen aus Mazzemehl natürlich«, beschreibt Shabanzadeh-Glaschy.
Allerdings probiere sie auch gern Neues aus: »Diesmal habe ich Burekas aus Mazzen gefunden, ich bin gespannt, wie es schmecken wird, und freue mich schon sehr darauf!« All das toppt aber nicht ihre absolute Lieblingsspeise: »Jeder hält mich für verrückt – morgens nasse Mazzen mit Nutella und Salzgurken. Aber nur die israelischen Salzgurken, wohlgemerkt.« Na dann, BeTeʼavon!