Rendsburg

Frischer Blick auf den Norden

Jüdisches Leben von heute, das ist Gegenwart und Zukunft zugleich. Diesem Blickwinkel will nun auch das Jüdische Museum Rendsburg folgen – mit seiner völlig neu gestalteten Dauerausstellung 400 Jahre Gegenwart. Jüdisches Leben in Schleswig-Holstein. Vor allem aber will es Jugendliche in zeitgemäßer Sprache und mit modernen Medien über Themen wie Herkunft, Gegenwart und Zukunft jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein informieren und so auch ein Bewusstsein für den Kampf gegen Antisemitismus schaffen.

»Unsere Dauerausstellung war nicht mehr zeitgemäß, denn unsere Sehgewohnheiten haben sich genauso verändert wie die Didaktik von Museums-Präsentationen«, sagt Jonas Kuhn, Leiter des Jüdischen Museums Rendsburg.

SELBSTVERSTÄNDNIS »Die lange jüdische Geschichte – in Schleswig-Holstein immerhin mehr als 400 Jahre –, die vielfältige jüdische Kultur, die Menschen und die jüdische Gegenwart sind oft unsichtbar gewesen«, ergänzt Kuhn. Es sei aber wichtig, zu zeigen, dass jüdisches Leben vielfältig und Judentum mehr als eine Religion ist.

»Daher zeigen wir jetzt Positionen und das Selbstverständnis von Jüdinnen und Juden heute, verbunden mit historischen und heutigen Fakten, neuen Einblicken, ungewohnten Perspektiven und Alltagssituationen«, beschreibt Kuhn die neuen Museumsinhalte.

Tatkräftige Unterstützung erhielten Kuhn, seine Stellvertreterin Mirjam Gläser und ihr Team vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein und von der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein. In die Neugestaltung investierte das Land Schleswig-Holstein 900.000 Euro, weitere 600.000 Euro spendeten mehrere Stiftungen.

MOIN Die neue Dauerausstellung begrüßt die Gäste nicht nur mit einem lockeren »Moin, Mentsch«, sondern kann auch unter dem Titel »A mentsh is a mentsh« nach der gleichnamigen Licht-Installation des Frankfurter Künstlers Naneci Yurdagül stehen, die gleich am Eingang den Weg weist.

Der Schritt in die Gegenwart wurde von allen Seiten begrüßt. Vor allem »der Name ist ein Zeichen dafür, dass das Jüdische Museum jetzt zukunftsorientiert ist und die Vielfalt unseres jüdischen Lebens widerspiegelt«, sagt Viktoria Ladyshenski, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein. »Es ist gut, dass das Museum jetzt die jüdische Gegenwart betont und Ansprechpartner fürs Judentum in Schleswig-Holstein ist, vor allem für Schulen«, betont Walter Pannbacker, Beauftragter gegen Antisemitismus vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein.

Modern gestaltet und technisch zeitgemäß ausgestattet sind auch die Informationspunkte und -stationen.

»Im Jüdischen Museum Rendsburg sind jetzt die Bildung und das Museum als Lernort das Hauptanliegen, hier können eklatante Wissenslücken von Jugendlichen und auch Erwachsenen geschlossen werden«, sagt Igor Wolodarski, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Kiel und Region.

unkenntnis Das Museum stehe jetzt für ein »reges interkulturelles Leben, und wir sind ein Teil dieser neuen Dauerausstellung«, hebt Julia Kharytonova, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Kiel, hervor. »Orte wie das Jüdische Museum Rendsburg erzählen über jüdische Kultur und die jüdisch-deutsche Geschichte. Dadurch werden Unkenntnis und Feindlichkeit abgebaut«, sagte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) bei der Eröffnung.

»Vertreterinnen und Vertreter der beiden Landesverbände haben uns Exponate wie Fotos, Dokumente und jüdische Kultgegenstände zur Verfügung gestellt, waren beim Schreiben der Texte hilfreich und sind mit ihren Geschichten durch Film- und Fotoaufnahmen in der Ausstellung sichtbar«, erläutert der Leiter des Museums, Jonas Kuhn. Sie hätten auch ihre aktuellen Vorstellungen und ihre Wünsche geäußert, das Judentum sichtbarer und für die Mehrheitsgesellschaft verständlicher zu machen.

Zu den Exponaten gehören beispielsweise eine goldfarbene Chanukkia in der Form eines T-Rex. »Dieser Chanukkaleuchter ist ein Hit für alle Kinder«, ist sich Walter Pannbacker sicher und gibt Museumsleiter Kuhn den Tipp, den Dinosaurier in Serie aufzulegen und im Museumsshop zu verkaufen: »Das wird ein Renner.« Zu der modernen Chanukkia gesellt sich ein Chanukkaleuchter in Kofferform aus dem Jahr 1899.

FRAGEN Modern gestaltet und technisch zeitgemäß ausgestattet sind auch die Informationspunkte und -stationen, die jüdisches Leben von einst und im Jetzt erfahrbar machen.

Am Info-Punkt »Was willst du noch wissen?« können beispielsweise Fragen aller Art zum Judentum in Schleswig-Holstein gestellt werden. Übersichtskarten weisen auf die Standorte jüdischer Gemeinden und anderer jüdischer Organisationen im nördlichsten Bundesland hin, bevor die Besucherinnen und Besucher sich im zweiten Museumsraum über 400 Jahre jüdische Geschichte in Schleswig-Holstein informieren können. Der dritte Raum ist als Schoa-Gedenkraum mit Audio-Stationen eingerichtet.

Im ersten Stock entstand eine Art Konferenzraum als direkter Lernort, in dem auch Zeitzeugen-Interviews zu sehen und zu hören sind. Jüdisches Alltagsleben vom Schabbat bis zu jüdischen Feiertagen wird den Besucherinnen und Besuchern ebenso nähergebracht wie die Kaschrut. Wer dies hautnah erfahren will, kann sich Rezeptblätter für koschere Gerichte mitnehmen und nachkochen.

antisemitismus Ein Teil der alten Ausstellung ist weiterhin im Museum zu sehen, nämlich die Schau über queeres jüdisches Leben. In einem Raum mit Plakaten wie »Schalom, ihr Aluhüte!« werden verschiedene Formen des Antisemitismus thematisiert. »Wir hoffen, es gelingt uns, hier Denkanstöße zu vermitteln«, sagt Mirjam Gläser. »Antisemitismus ist nicht nur ein jüdisches Problem, es ist ein Problem der gesamten Gesellschaft«, stellt Viktoria Ladyshenski fest.

Zum Ensemble des Museums gehören noch ein Innenhof und ein Hinterhaus für wechselnde Ausstellungen. Das Jüdische Museum Rendsburg ist seit 1988 in der 1844 erbauten, einzig erhaltenen Synagoge Schleswig-Holsteins zu Hause und daher auch Baudenkmal und Gedenkstätte in einem.

www.jmrd.de

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung

von Christine Schmitt  13.03.2025

Bundeswehr

»Jede Soldatin oder jeder Soldat kann zu mir kommen«

Nils Ederberg wurde als Militärrabbiner für Norddeutschland in sein Amt eingeführt

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Hamburg

Hauptsache kontrovers?

Mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille wurde die »Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 2025 – 5785/5786« eröffnet. Die Preisträger sind in der jüdischen Gemeinschaft umstritten

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Purim

Schrank auf, Kostüm an

Und was tragen Sie zum fröhlichsten Fest im jüdischen Kalender? Wir haben uns in der Community umgehört, was in diesem Jahr im Trend liegt: gekauft, selbst gemacht oder beides?

von Katrin Richter  13.03.2025

Feiertag

»Das Festessen hilft gegen den Kater«

Eine jüdische Ärztin über Alkoholkonsum an Purim und die Frage, wann zu viel wirklich zu viel ist

von Mascha Malburg  13.03.2025

Berlin

Persien als Projekt

Eigens zu Purim hat das Kunstatelier Omanut ein Wandbild für die Synagoge Pestalozzistraße angefertigt

von Christine Schmitt  13.03.2025

Wilmersdorf

Chabad Berlin lädt zu Purim-Feier ein

Freude sei die beste Antwort auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal

 12.03.2025

Purim

An Purim wird »We will dance again« wahr

Das Fest zeigt, dass der jüdische Lebenswille ungebrochen ist – trotz der Massaker vom 7. Oktober

von Ruben Gerczikow  12.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert