Glückwunsch

Freunde nennen ihn Beni

»Keine andere jüdische Institution kommt den Familien so nahe wie die ZWST«: Beni Bloch Foto: Rafael Herlich

Er ist der dienstälteste Mitarbeiter aller jüdischen Organisationen in Frankfurt. Seit 44 Jahren gehört Benjamin Bloch der ZWST an, seit 30 Jahren ist er ihr Direktor. Doch vorerst denkt »Beni«, wie ihn seine Freunde nennen, nicht ans Aufhören, auch wenn er in wenigen Tagen, am 14. Februar, seinen 75. Geburtstag feiert.

Sein Leben ist arbeits-, erfolg- und ertragreich. Doch persönliche Fragen wischt Bloch mit einer fast unwirschen Handbewegung zur Seite, so als ginge er wie selbstverständlich davon aus, dass das niemanden sonderlich interessieren könnte. Er macht kein Aufhebens um seine Person, möchte lieber über seine Arbeit sprechen.

Geboren wurde Bloch 1943 in Jerusalem; sein Vater stammte aus Deutschland, die Mutter aus Polen. Seine frühe Kindheit ist überschattet von Israels Unabhängigkeitskrieg und der Belagerung Jerusalems. »Meine Mutter war in dieser Zeit für die Zuteilung der Wasserrationen im Stadtzentrum von Jerusalem zuständig«, erinnert er sich und erzählt, wie er nahezu durch ein Wunder gerettet wurde. »Eines Tages hat meine Mutter das Bett in meinem Kinderzimmer umgestellt, ohne dass es dafür einen erkennbaren Grund gab.«

Kurz darauf ereignete sich in der nahen Ben-Jehuda-Straße eine furchtbare Explosion, bei der 58 Menschen ums Leben kamen und 140 verletzt wurden: »Die Detonation war so heftig, dass die Tür zu meinem Zimmer aus der Verankerung gerissen wurde und durch die Luft flog. Hätte mein Bett noch an seinem ursprünglichen Platz gestanden, wäre ich erschlagen worden. So aber lag ich sicher und geschützt unter meiner Bettdecke.«

Deutschland Blochs Vater gelang es nicht, im neu gegründeten Staat Israel heimisch zu werden. Es fiel ihm schwer, Hebräisch zu lernen und sich mit der israelischen Mentalität anzufreunden. Also kehrte er in sein Geburtsland zurück und ließ sich in Frankfurt nieder. Sein Sohn folgte ihm bald; er vermisste den Vater allzusehr. Wenig später traf auch die Mutter ein. Beni Bloch erinnert sich noch genau an den Moment, als er am Rhein-Main-Flughafen gelandet war und zum ersten Mal in den Himmel über Deutschland schaute: »Es war die Silvesternacht 1957/58, und überall schossen leuchtende Feuerwerksraketen in die Höhe.«

Die Familie gründete eine Textilfirma. Der junge Benjamin legte sein Abitur ab und begann zu studieren. Zunächst Volkswirtschaft, doch schnell wurde ihm klar, dass dieses Fach nicht das richtige für ihn war, also wechselte er zu Pädagogik, Geschichte und Politik. »Für mich stand sehr früh fest, dass ich etwas mit Menschen zu tun haben wollte.« So gehörte er zu den Pionieren der jüdischen Jugendarbeit, arbeitete als Madrich bei den ersten Machanot, die die ZWST veranstaltete. Deren damaliger Direktor Max Willner sagte zu ihm: »Komm, wir bauen das aus!« und holte ihn 1974 als Jugendreferent in den Wohlfahrtsverband.

Machanot Die Ferienlager entwickelten sich zu einem Erfolgsmodell und sind es heute noch. So nahmen allein im vergangenen Sommer rund 1000 Kinder und Jugendliche daran teil. Machanot finden mittlerweile nicht nur in Bad Sobernheim, sondern auch in Italien, Österreich und Israel statt. »Es gibt in der Bundesrepublik insgesamt 108 jüdische Gemeinden, einige darunter sind so klein, dass die Feriencamps oft die einzige Möglichkeit bedeuten, mit gleichaltrigen jungen Juden zusammenzukommen. Ziel ist es auch, die jüdische Identität der Heranwachsenden zu festigen, sie mit der jüdischen Tradition vertraut zu machen und ihre Liebe zu Israel zu fördern«, begründet Bloch, warum ihm die Ferienlager seit mehr als 40 Jahren besonders am Herzen liegen.

Doch die größte Leistung der ZWST in den vergangenen Jahrzehnten besteht für ihn in der Integration der jüdischen Zuwanderer aus der früheren Sowjetunion. Dabei war es ihm stets wichtig, diese Menschen, die Anfang der 90er-Jahre eintrafen, nicht als Bedürftige und Bittsteller zu betrachten, sondern »zu zeigen, was diese Leute uns alles bringen«.

Arbeitsmarkt Bloch richtete Kurse für verschiedene Berufsgruppen wie Ärzte, Ingenieure oder Pädagogen ein, um sie auf den hiesigen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Er regte auch die Gründung eines Orchesters an: Es hat 120 Mitglieder, die allesamt aus der ehemaligen Sowjetunion stammen. Und er veranstaltete Ausstellungen mit Werken von Zuwanderern. »Vor allem haben wir darauf geachtet, dass sie alle Deutsch lernen«, sagt er und fügt hinzu: »Die Deutschen wissen nicht, wie man integriert.

Sie könnten eigentlich von unserer Erfahrung profitieren.«
Ein besonderes Anliegen sind ihm außerdem die Treffpunkte für Schoa-Überlebende und ihre Angehörigen. Vor rund 15 Jahren wurde der erste Treff in Frankfurt eröffnet, mittlerweile gibt es bundesweit 21 dieser Einrichtungen, und das sind noch nicht genug, findet Bloch. Auch Seminare für Senioren seien eine wichtige Aufgabe seines Verbandes, ebenso wie die Arbeit mit Behinderten und Demenzkranken. Blochs Resümee: »Keine andere jüdische Institution kommt den Familien so nahe wie die ZWST.«

zukunft Auf diesen Lorbeeren will sich Beni Bloch jedoch nicht ausruhen. Ihn treibt es weiter voran, auch im Jahr Eins nach dem Jubiläum zum 100-jährigen Bestehen der ZWST, das im vergangenen Herbst gefeiert wurde. Aktuell plant er die Gründung einer internationalen Akademie für Führungskräfte, einer Ausbildungsstätte, die die künftigen Geschäftsführer, Vorstände und Vorsitzenden für ihre Ämter und Aufgaben in den jüdischen Gemeinden Europas qualifizieren soll und sie in Fragen der Menschenführung, Budgetierung, Rechtsprechung, Finanzverwaltung und im Projektmanagement schult.

Doch Beni Bloch sorgt sich auch um die Zukunft: »Ich glaube, dass die jüdische Gemeinschaft unruhigen Zeiten entgegenblickt. Die längste Zeit des Friedens und Wohlstands liegt wohl hinter uns.« Dabei denkt er sowohl an den Antisemitismus, der zunehmend durch muslimische Migranten in die Gesellschaft getragen wird, als auch an das Aufkommen neuer rechtspopulistischer Strömungen in der deutschen Bevölkerung, gepaart mit einer grassierenden Israelfeindlichkeit. »Es herrscht eine große Diskrepanz zwischen der offiziellen Staatsräson und der Meinung auf der Straße«, beobachtet er. »Viele in der jüdischen Gemeinschaft machen sich Sorgen, in welcher Realität ihre Kinder einmal leben werden. Es ist unsere moralische Pflicht, Tagungen und Seminare zu veranstalten, bei denen wir mit den Menschen darüber sprechen können.«

Es gebe noch viel zu tun. Daran ändert auch sein Alter nichts, ebenso wenig wie die Krankheit, die ihn in jüngster Zeit plagt. Natürlich denke er manchmal daran, endlich in den Ruhestand zu gehen, um mehr Zeit mit seiner Frau Miriam zu verbringen, der er vor genau fünf Jahren, während der Feier zu seinem 70. Geburtstag, einen Heiratsantrag machte. Er möchte mehr lesen, politische Sendungen im Fernsehen verfolgen oder klassische Musik hören. Doch »konkrete Pläne« gebe es noch nicht, versichert er. Und das ist auch gut so. Denn in den schwierigen Zeiten, denen die jüdische Gemeinschaft seiner Einschätzung nach entgegenblickt, ist es gut, einen Benjamin Bloch an ihrer Seite zu wissen. Seinen Geburtstag wird er im Kreise enger Freunde verbringen. Der Vorstand der ZWST veranstaltet am 21. Februar ihm zu Ehren ein Mittagessen.

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