Das hatte Potsdam schon lange nicht mehr erlebt: Tanzende Rabbiner und Studenten in der Innenstadt, eine Jüdische Gemeinde in Hochstimmung, und staunende Nachbarn, die spontan mitfeiern konnten. Weit mehr als 100 Besucher erlebten am Sonntag in der Schloßstraße 1 die Weihe einer neuen, in Israel gefertigten Torarolle, die der 86-jährige Vorbeter Izrails-Davids Pitels organisiert hatte. Pitels war es auch, der den hebräischen Schlussbuchstaben in die neue, mittlerweile vierte Sefer Tora der Gemeinde eintrug.
Kaum war die Tinte getrocknet, ging die neue Torarolle schon wieder »auf Reisen«. Allerdings nur ganze 300 Meter weiter – in die renovierten Räume der ehemaligen Feuerwache in der Werner-Seelenbinder-Straße. Hier behält die Gemeinde voraussichtlich bis Ende 2012 ihr Domizil, während am bisherigen Platz eine neue Synagoge entsteht – die erste seit Kriegsende im Land Brandenburg. Man beziehe zwar gerade das fünfte Provisorium in 20 Jahren, konstatierte Gemeindevorsitzender Vladimir Genkin. Doch sei dies kein Malheur, denn die 380 Mitglieder der Einheitsgemeinde freuten sich riesig auf das kommende Gotteshaus. »Wir befinden uns so nahe an der Baustelle, dass wir die Fortschritte dann jeden Tag beobachten können«, sagt Genkin optimistisch.
Besuch Lust am Feiern brachten auch Freunde und Förderer von jenseits der Havel mit. Lala Süsskind und Rabbiner Yitzhak Ehrenberg kamen aus Berlin, Rabbiner Yaacov Zinvirt aus Duisburg, einige Yeshiva-Studenten mit Familie sogar aus Übersee. Dem fröhlichen Toraumzug im Rhythmus von Siman Tov u Masel Tov und Hava Nagila schloss sich auch Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs an.
»Ich gehe davon aus, dass die Synagoge Ende 2012 steht«, sagte er. Mit Blick auf die anhaltenden Diskussionen zur baulichen Gestaltung fügte er hinzu: »Über Architektur kann man immer streiten. Doch wenn man jüdischem Leben in dieser Stadt gerecht werden will, dann muss man auch mal mit dem Bauen beginnen.« Dankbar und froh äußerte sich Jakobs darüber, dass die Landesregierung die Bauherrschaft für den geplanten Neubau übernommen hat.
Noch kommen Monate des Ausharrens, doch die Stimmung ist gut. In den von der Pro Potsdam Bauholding und dem Büro Reimers Architekten gestalteten Übergangsräumlichkeiten ergriff nach Einbringen der Sefer Tora der junge Gemeinde-Rabbiner Shlomo Afanasev (29) das Wort: »Am Israel Chai – das Volk Israel lebt, und wir bauen hier eine Brücke zwischen den Generationen.« Ausdrücklich dankte Afanasev dem Vorbeter Izrails-Davids Pitels: »Für mich und die Gemeinde ist das unschätzbar wertvoll, wenn Menschen wie Sie hier ihr authentisches Judentum einbringen. Ein Judentum, das es schon vor der Schoa gegeben hat.«
unterstützung Viel moralischer Zuspruch kam an diesem Sonntag auch von Landesrabbiner Shaul Nekrich, der die anderen jüdischen Gemeinschaften in Brandenburg betreut. »Wenn unsere vergleichsweise kleinen Gemeinden einander häufiger besuchen und sich stärker vernetzen, dann kann das den Zusammenhalt nur fördern«, betonte Nekrich. »Heute erleben wir, wie die Saat für eine lichtere jüdische Zukunft eingebracht wird.«
Von generellem Vorteil für die weitere Arbeit in Brandenburg dürfte sein, dass Nekrich und Afanasev sich seit Langem aus dem orthodoxen Rabbinerseminar zu Berlin kennen, im Laufe ihres Studiums enge Freunde wurden und sich auch heute noch mehrmals wöchentlich sehen. »Wir können uns kurzerhand über neueste Erfahrungen in den Gemeinden austauschen und uns gegenseitig auch kritische Rückmeldungen liefern«, erklärte Shaul Nekrich. Beide Rabbiner wollen bald landesweite, gemeindeübergreifende Seminare zur jüdischen Tradition organisieren. »Vom Berliner Rabbinerseminar wird es dafür maximale Unterstützung geben«, versichert Rabbiner Nekrich.