»Koscher ist Vertrauen.« Mit diesem Satz fasste Tuvia Hod-Hochwald, Rabbiner aus Bad Kissingen und seit 25 Jahren Experte für koschere Lebensmittel, zusammen, was ihm als das Wichtigste am rituellen Speisegesetz gilt. Im Prozess gegen die beiden Geschäftsführer der Frankfurter koscheren Lebensmittelhandlung »Aviv«, denen vorgeworfen wird, herkömmliches Fleisch als koscher etikettiert und verkauft zu haben, war der 65-Jährige als Sachverständiger geladen.
Verunreinigung Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Jörn Immerschmitt, ob man in ein- und derselben Küche koschere und nichtkoschere Lebensmittel verwenden dürfe, antwortete er: »Ich würde das nicht erlauben.« Gleichzeitig verneinte Hod-Hochwald, dass ein gesamter koscherer Küchen- oder Metzgereibetrieb in dem Moment, in dem herkömmliche Grundstoffe dort verarbeitet würden, rituell verunreinigt sei und damit ebenso auch alle anderen Lebensmittel, die sich dort befänden. Solange sich die Stoffe nicht vermengten, solange keine Säfte zusammenflössen, »bleibt koscher, was koscher war«, so der Kaschrutexperte der ORD.
Damit widersprach Hod-Hochwald den Ausführungen der Staatsanwaltschaft, die in ihrer Anklageschrift argumentiert hatte, dass mit der Verwendung konventionellen Fleisches in der koscheren Metzgerei von »Aviv« alle Waren »kontaminiert« wären und ihre Qualität als koschere Produkte eingebüßt hätten, sodass sie für die Kunden grundsätzlich wertlos geworden seien.
Insgesamt geht die Staatsanwaltschaft daher bislang von 1721 Einzeltaten aus, bei denen mehr als 43 Tonnen Fleisch in einem Gesamtwert von 557.000 Euro »unter Vorspiegelung falscher Tatsachen« veräußert worden sein sollen.
Einzelnachweis Folgt man den Ausführungen des Sachverständigen, trifft dies aber nicht zu, weil circa 16 Tonnen Fleisch nachweislich aus dem Ausland als koscher bezogen worden waren. Es lässt sich nun aber nicht mehr nachvollziehen, welcher Kunde koschere und welcher nichtkoschere Ware erhielt.
Für eine mögliche Verurteilung muss sich aber jede Einzeltat genau zuordnen lassen. Gleichwohl: Bei einem solchen Verdacht, wie er gegen »Aviv« bestehe, »steht auch der Ruf des Rabbiners, der diesen Betrieb begutachtet, auf dem Spiel«, erklärte Tuvia Hod-Hochwald. Bevor er als Sachverständiger vor Gericht aussagte, war zunächst der Maschgiach Michael G., der im Auftrag des Rabbinats Frankfurt den Betrieb von »Aviv« täglich kontrolliert hatte, als Zeuge geladen worden. Er machte von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, da er sonst Gefahr laufen könne, sich in seiner Aussage selbst zu belasten. Bislang wurde allerdings kein Ermittlungsverfahren gegen den 57-Jährigen eingeleitet.