Als Kind hat Yitshak Ehrenberg schon einige Wochen vor Pessach den Feiertag regelrecht »in der Luft gesehen«. Damals lebte der heutige Rabbiner in einem traditionellen Wohngebiet in Israel. Überall fing man früh an, das Haus zu putzen. Vor allem auf der Straße habe er als Junge beobachtet, wie Matratzen und Teppiche ausgeklopft wurden. Schon viele Jahre lebt der Gemeinderabbiner jetzt in Berlin, dennoch kündigt sich Pessach immer schon früh an, allerdings mit einer Einschränkung: »Bei mir zu Hause ist fast das ganze Jahr Pessach, weil wir so eine gute Putzfrau haben«, sagt der Rabbiner der Synagoge Joachimstaler Straße.
In diesen Tagen hat er viel zu tun, denn am gestrigen Mittwoch war er im Gemeindehaus an der Fasanenstraße, um das Metallgeschirr und die Metalltöpfe zu kaschern. Er besuchte bereits die Schüler des Jüdischen Gymnasiums Moses Mendelssohn Gymnasiums und der Heinz-Galinski-Grundschule. Und in den kommenden Tagen feiert er mit den Bewohnern des Seniorenzentrums. Außerdem beauftragen zahlreiche Gemeindemitglieder ihn, ihr Chametz an Nichtjuden zu verkaufen.
Pakete 280 Beter haben sich für die zwei Sederabende in der Synagoge Joachimstaler Straße angemeldet. »Es werden jedes Jahr mehr«, meint Ehrenberg. Außerdem werden über 100 Pessachpakete mit Mazze und Wein gepackt und an Bedürftige verteilt. »Jeder Jude hat die Pflicht, sich um andere zu kümmern.«
Auch im Gemeindehaus an der Fasanenstraße werden in diesen Tagen Pakete gepackt und von Bedürftigen abgeholt. Bis Montagvormittag wurden bereits 1400 dieser Pakete Gemeindemitgliedern übergeben, sagt Kornelia Höring-Schmidt, Leiterin der Sozialabteilung. Sie rechnet damit, dass insgesamt 2500 verteilt werden, denn auch die Bewohner des Seniorenzentrums und des Pflegeheims erhalten die Pakete, in denen Wein, Mazze und Mazzemehl sind. Wenn etwas übrig bleiben sollte, dann wird es an die Mitarbeiter verkauft. Finanziert wurden die Pakete aus dem Etat der Gemeinde. Am Montag wird in den Räumen des Seniorenklubs »Achwa« Seder gefeiert.
Drei Tonnen Lieferung aus Israel sind vor wenigen Tagen von einem Lkw bei Chabad Lubawitsch abgeladen worden. Denn auch dort werden wieder Mazze und Wein in die Pakete gepackt und an Bedürftige weitergereicht. Nach drei Tagen hatten sich bereits 1000 Familien angemeldet, mit der Bitte, ein Paket zu bekommen. Einige 100 Menschen haben bei dem Umpacken und Verteilen mitgeholfen, und etliche haben diese Pessachpakete mit ihren Geldspenden erst möglich gemacht.
Auch an die Juden in den Gefängnissen wird gedacht, denn derzeit sitzen 16 von ihnen in drei verschiedenen Einrichtungen ein. Doch nur die Moabiter JVA erlaubt Rabbiner Shmuel Segal den Zutritt, in den anderen muss er die Pakete abgeben. Allerdings gibt es für die Häftlinge Traubensaft anstelle von Wein. Sechs Sederfeiern hat Chabad organisiert. Den zweiten Sederabend, zu dem auch etwa 50 Freunde kommen werden, wird Rabbiner Yehuda Teichtal mit seiner Familie gemeinsam feiern. Jedes Familienmitglied hat vorher seine Aufgabe zu erledigen. »Alle helfen mit – auch ich.« Diese Tage seien für ihn »eine positive Anstrengung«.
Schule »Wir feiern ganz traditionell mit allen Speisen, Liedern und Tänzen«, sagt Noga Hartmann, Leiterin der Heinz-Galinski-Schule. Am Dienstag leitete Rabbiner Ehrenberg den Schul-Seder, am Mittwoch Rabbiner Teichtal. Wer den Afikoman findet, bekommt einen Gutschein. Hartmann freut sich immer besonders auf das Lesen der Haggada.
Denn die Grundschule habe eine eigene selbst gestaltete mit vielen schönen Bildern und großer Schrift. Dieses Projekt hatte die frühere Schulleiterin Ronit Vered auf den Weg gebracht. »Eigentlich sind unsere beiden Feiern sozusagen die Generalprobe für Pessach«, meint Noga Hartmann, da das Fest eigentlich erst nach Beginn der Ferien beginnt.
Im Gemeindekindergarten an der Delbrückstraße feiern die Kinder am Freitag Seder. Die Tische werden mit Sedergeschirr gedeckt, Lieder werden gesungen und die Geschichte über den Auszug aus Ägypten kindgerecht erzählt, kündigt die Leiterin Marina Parhomovski an. Die Kinder mögen das sehr – und natürlich dürfen auch sie den Afikoman suchen.
Aufregung Rabbiner Tuvia Ben-Chorin war jüngst im Moses-Mendelssohn-Gymnasium und hat mit Neunt- bis Elftklässlern über die Bedeutung der jüdischen Freiheit gesprochen. Auch sie haben gemeinsam gesungen und erklärten die Symbole des Seders. Und das Jugendzentrum Olam hatte bereits am vergangenen Sonntag Pessach als Themenschwerpunkt. Zusätzlich zu dem regulären Sonntagsprogramm waren etwa 50 fünf- bis 13-Jährige in Gruppen eingeteilt, um so viel wie möglich über die Geschichte und Bedeutung zu lernen, erzählt Anastassia Pletoukhina, Leiterin des Olam.
Auch an den Restaurants geht Pessach nicht vorbei: In diesen Tagen seien mehr Kunden als sonst gekommen, um sich für die Feiertage einzudecken, sagt Manuela Hoffmann-Bleiberg vom »Bleibergs« in der Nürnberger Straße, es gebe immer die »typische Pessach-Aufregung«.
Sie habe extra einen kleinen Tisch mit den notwendigen Waren hergerichtet, wobei die meisten Gemeindemitglieder in den größeren Läden einkaufen. Da der Aufwand zu groß sei, ihr Café für Pessach herzurichten, schließt sie es nach Schabbat für zwölf Tage.