Union progressiver Juden

»Fehlender Wille zur Veränderung«

Vorstandsmitglied Michael Heimann tritt nach nur einem Monat im Amt zurück. Die Jugendorganisation Tamar verlässt den Verband

von Joshua Schultheis  19.01.2023 07:12 Uhr

Nach Tamar verlässt auch Schatzmeister Michael Heimann die UpJ. Foto: PantherMedia / Andriy Popov

Vorstandsmitglied Michael Heimann tritt nach nur einem Monat im Amt zurück. Die Jugendorganisation Tamar verlässt den Verband

von Joshua Schultheis  19.01.2023 07:12 Uhr

Es ist die zweite schlechte Nachricht für die Union progressiver Juden (UpJ) innerhalb kurzer Zeit. Nachdem die Jugendorganisation Tamar Germany vergangene Woche öffentlich gemacht hatte, bereits im Dezember 2022 die Union verlassen zu haben, trat nun UpJ-Schatzmeister, Michael Heimann, nach nur einem Monat im Amt, zurück. Stein des Anstoßes sei für beide der Umgang der Union mit ihrem ehemaligen Vorsitzenden, Rabbiner Walter Homolka.

»Leider konnte im Vorstand weder eine gemeinsame Bewertung der erhobenen Missbrauchsvorwürfe noch Einigkeit über die weitere Entwicklung der Union in eine moderne, transparente und partizipative Organisation gefunden werden«, schrieb Heimann am vergangenen Wochenende in einer Rundmail an die UpJ-Mitgliedsgemeinden. »Da ich keine Möglichkeit gesehen habe, meine Vorstellung von einer reformierten Union umzusetzen, habe ich meinen Rücktritt vom Vorstand erklärt.«

gutachten Im Dezember war der gesamte Vorstand der UpJ neu gewählt worden. Der langjährige Vorsitzende Homolka war nicht erneut angetreten. Seit Mai vergangenen Jahres steht er stark in der Kritik. Sowohl ein Gutachten der Universität Potsdam, an der Homolka lehrt, als auch der vorläufige Untersuchungsbericht einer vom Zentralrat der Juden beauftragten Anwaltskanzlei belasten Homolka schwer. Homolka weist beide Berichte zurück.

Auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen erklärte die neue UpJ-Vorsitzende Irith Michelsohn, der übrige Vorstand sei von Heimanns Rücktritt »sehr überrascht«. Erst vorvergangenen Montag habe es eine Vorstandssitzung gegeben, in der »alles unseres Erachtens nach einvernehmlich geklärt« worden sei. Die Vorwürfe von Heimann weist sie zurück. »Wir wissen nicht, wo hier keine Transparenz und Demokratie etc. herrschen soll«, so Michelsohn. Heimann selbst lehnte es ab, sich zu den Hintergründen seiner Entscheidung ausführlicher zu äußern.

Dass dem neuen Vorstand wenig an Aufarbeitung gelegen sei, davon ist Tamar überzeugt.

Am Dienstag erklärte die UpJ, dass Larisa Korshevnyuk von der Gemeinde Magdeburg für Heimann in den Vorstand nachrücken werde. Man wolle sich für die »Begrenzung von Macht« sowie gegen »jeglichen Missbrauch und Diskriminierung« einsetzen und aus der aktuellen Krise gestärkt hervorgehen, heißt es in der Pressemitteilung.

Veränderung Dass dem Vorstand wenig an Aufarbeitung gelegen sei, davon ist Tamar überzeugt. »Wir kritisieren den fehlenden Willen zur Veränderung und die mangelnde Transparenz gegenüber den Mitgliedern der UpJ«, heißt es in einem vergangene Woche veröffentlichten Statement der bundesweiten Gruppe für Juden zwischen 18 und 35 Jahren. Die Jugendorganisation beschreibt sich auf ihrer Website als »die progressive junge jüdische Stimme in Deutschland«. Neben ihr sind 27 Gemeinden und drei weitere Institutionen aus dem nicht-orthodoxen Spektrum Teil der UpJ.

In Homolkas Ablösung durch Michelsohn sieht Tamar keine Kehrtwende: »Bis Juni dieses Jahres war sie als Generalsekretärin des Vereins tätig, in deren Funktion sie über Jahre sehr eng mit Homolka zusammenarbeitete. Aus diesem Umstand erachten wir die Neuwahl als einen weiteren Versuch, sich der Verantwortung zu entziehen und den Fortbestand der vielfach kritisierten Machtstrukturen zu verschleiern.« Daher habe Tamar zum Jahresende den Entschluss zum Austritt aus der UpJ gefasst.

Auf Anfrage dieser Zeitung sagte Michelsohn in Reaktion auf diesen Schritt: »Mit Bedauern haben wir den Austritt von Tamar Germany zur Kenntnis genommen.« Gleichzeitig weise man die Behauptung entschieden zurück, »dass in der UpJ Machtstrukturen aufgebaut wurden und diese fortgeführt werden«.

Struktur Verständnis für die Jugendorganisation zeigt dagegen Rebecca Seidler. »Der Austritt von Tamar Germany ist ein nachvollziehbarer Schritt, der mich nicht überrascht«, sagte die Vorsitzende des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden von Niedersachsen und Geschäftsführerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover der Jüdischen Allgemeinen. Es gebe weitere UpJ-Gemeinden, die die Kritik des Jugendverbandes teilten und derzeit »an einer neuen Struktur des liberal-egalitären Judentums in Deutschland« arbeiteten.

»Wir werden uns dafür einsetzen, dass Tamar Germany als wichtiger Teil der liberalen Strömung hier aktiv eingebunden wird«, sagt Seidler, die schon seit Längerem als interne Kritikerin der UpJ auftritt. Es sei wichtig, die jüngere Generation ernst zu nehmen, »damit sie das Vertrauen in jüdische Institutionen nicht verliert«.

Interview

»Wir sind neugierig aufeinander«

Amnon Seelig über die erste Konferenz des Kantorenverbandes, Lampenfieber und das Projekt Call a Kantor

von Christine Schmitt  22.12.2024

Porträt der Woche

Ein Signal senden

David Cohen ist Geschäftsführer eines Unternehmens und setzt sich gegen Judenhass ein

von Matthias Messmer  22.12.2024

Soziale Medien

In 280 Zeichen

Warum sind Rabbinerinnen und Rabbiner auf X, Instagram oder Facebook – und warum nicht? Wir haben einige gefragt

von Katrin Richter  20.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024

Hessen

Nach Judenhass-Eklat auf »Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt«: Landeskirche untersagt Pfarrer Amtsausübung

Nach dem Eklat um israelfeindliche Symbole auf einem Weihnachtsmarkt einer evangelischen Kirchengemeinde in Darmstadt greift die Landeskirche nun auch zu dienstrechtlichen Maßnahmen

 19.12.2024

Ehrung

Verdiente Würdigung

Auf der Veranstaltung »Drei Tage für uns« wurde der Rechtsanwalt Christoph Rückel ausgezeichnet

von Luis Gruhler  19.12.2024

Chabad

Einweihung des größten Chanukka-Leuchters Europas in Berlin

Der Leuchter wird auf dem Pariser Platz in Berlin-Mitte vor dem Brandenburger Tor aufgebaut

 18.12.2024

Berlin

Neue Töne

Beim Louis Lewandowski Festival erklingen in diesem Jahr erstmals nur orientalische Melodien

von Christine Schmitt  18.12.2024