Es ist die zweite schlechte Nachricht für die Union progressiver Juden (UpJ) innerhalb kurzer Zeit. Nachdem die Jugendorganisation Tamar Germany vergangene Woche öffentlich gemacht hatte, bereits im Dezember 2022 die Union verlassen zu haben, trat nun UpJ-Schatzmeister, Michael Heimann, nach nur einem Monat im Amt, zurück. Stein des Anstoßes sei für beide der Umgang der Union mit ihrem ehemaligen Vorsitzenden, Rabbiner Walter Homolka.
»Leider konnte im Vorstand weder eine gemeinsame Bewertung der erhobenen Missbrauchsvorwürfe noch Einigkeit über die weitere Entwicklung der Union in eine moderne, transparente und partizipative Organisation gefunden werden«, schrieb Heimann am vergangenen Wochenende in einer Rundmail an die UpJ-Mitgliedsgemeinden. »Da ich keine Möglichkeit gesehen habe, meine Vorstellung von einer reformierten Union umzusetzen, habe ich meinen Rücktritt vom Vorstand erklärt.«
gutachten Im Dezember war der gesamte Vorstand der UpJ neu gewählt worden. Der langjährige Vorsitzende Homolka war nicht erneut angetreten. Seit Mai vergangenen Jahres steht er stark in der Kritik. Sowohl ein Gutachten der Universität Potsdam, an der Homolka lehrt, als auch der vorläufige Untersuchungsbericht einer vom Zentralrat der Juden beauftragten Anwaltskanzlei belasten Homolka schwer. Homolka weist beide Berichte zurück.
Auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen erklärte die neue UpJ-Vorsitzende Irith Michelsohn, der übrige Vorstand sei von Heimanns Rücktritt »sehr überrascht«. Erst vorvergangenen Montag habe es eine Vorstandssitzung gegeben, in der »alles unseres Erachtens nach einvernehmlich geklärt« worden sei. Die Vorwürfe von Heimann weist sie zurück. »Wir wissen nicht, wo hier keine Transparenz und Demokratie etc. herrschen soll«, so Michelsohn. Heimann selbst lehnte es ab, sich zu den Hintergründen seiner Entscheidung ausführlicher zu äußern.
Dass dem neuen Vorstand wenig an Aufarbeitung gelegen sei, davon ist Tamar überzeugt.
Am Dienstag erklärte die UpJ, dass Larisa Korshevnyuk von der Gemeinde Magdeburg für Heimann in den Vorstand nachrücken werde. Man wolle sich für die »Begrenzung von Macht« sowie gegen »jeglichen Missbrauch und Diskriminierung« einsetzen und aus der aktuellen Krise gestärkt hervorgehen, heißt es in der Pressemitteilung.
Veränderung Dass dem Vorstand wenig an Aufarbeitung gelegen sei, davon ist Tamar überzeugt. »Wir kritisieren den fehlenden Willen zur Veränderung und die mangelnde Transparenz gegenüber den Mitgliedern der UpJ«, heißt es in einem vergangene Woche veröffentlichten Statement der bundesweiten Gruppe für Juden zwischen 18 und 35 Jahren. Die Jugendorganisation beschreibt sich auf ihrer Website als »die progressive junge jüdische Stimme in Deutschland«. Neben ihr sind 27 Gemeinden und drei weitere Institutionen aus dem nicht-orthodoxen Spektrum Teil der UpJ.
In Homolkas Ablösung durch Michelsohn sieht Tamar keine Kehrtwende: »Bis Juni dieses Jahres war sie als Generalsekretärin des Vereins tätig, in deren Funktion sie über Jahre sehr eng mit Homolka zusammenarbeitete. Aus diesem Umstand erachten wir die Neuwahl als einen weiteren Versuch, sich der Verantwortung zu entziehen und den Fortbestand der vielfach kritisierten Machtstrukturen zu verschleiern.« Daher habe Tamar zum Jahresende den Entschluss zum Austritt aus der UpJ gefasst.
Auf Anfrage dieser Zeitung sagte Michelsohn in Reaktion auf diesen Schritt: »Mit Bedauern haben wir den Austritt von Tamar Germany zur Kenntnis genommen.« Gleichzeitig weise man die Behauptung entschieden zurück, »dass in der UpJ Machtstrukturen aufgebaut wurden und diese fortgeführt werden«.
Struktur Verständnis für die Jugendorganisation zeigt dagegen Rebecca Seidler. »Der Austritt von Tamar Germany ist ein nachvollziehbarer Schritt, der mich nicht überrascht«, sagte die Vorsitzende des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden von Niedersachsen und Geschäftsführerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover der Jüdischen Allgemeinen. Es gebe weitere UpJ-Gemeinden, die die Kritik des Jugendverbandes teilten und derzeit »an einer neuen Struktur des liberal-egalitären Judentums in Deutschland« arbeiteten.
»Wir werden uns dafür einsetzen, dass Tamar Germany als wichtiger Teil der liberalen Strömung hier aktiv eingebunden wird«, sagt Seidler, die schon seit Längerem als interne Kritikerin der UpJ auftritt. Es sei wichtig, die jüngere Generation ernst zu nehmen, »damit sie das Vertrauen in jüdische Institutionen nicht verliert«.