Porträt der Woche

Faziniert vom Militär

Alexander Malischewski dient seit vier Jahren bei der Bundeswehr. Doch bald ist Schluss

von Steffen Reichert  07.12.2010 10:00 Uhr

Freies Wochenende: Stabsgefreiter Alexander Malischewski zu Hause in Magdeburg Foto: Uli Lücke

Alexander Malischewski dient seit vier Jahren bei der Bundeswehr. Doch bald ist Schluss

von Steffen Reichert  07.12.2010 10:00 Uhr

Solange ich denken kann, wollte ich zur Armee. Mein Vater war Offizier, ich hatte all die Filme über den Krieg gesehen und war von Uniformen fasziniert. Heute – ich bin inzwischen 27 Jahre alt – sage ich natürlich auch: Armee ist etwas Wichtiges, etwas Unverzichtbares für ein Land. Gescheitert ist meine Einberufung aber zunächst daran, dass ich Ausländer war. Meine Familie zog 1997 aus Moldawien nach Magdeburg. Immer, wenn jemand von der Bundeswehr in unsere Schule kam, habe ich ihn gefragt, was ich für die Einberufung tun müsste. Jedes Mal wurde abgewinkt: Ohne deutschen Pass geht gar nichts.

Ende 2006 erhielt ich ihn endlich. Es war höchste Zeit, denn man kann nur bis 23 einberufen werden. Ich bin also sofort zum Kreiswehrersatzamt gegangen und habe mich mustern lassen. Bei der Einbürgerungsfeier im Rathaus nahm ich dann all meinen Mut zusammen und sprach den Oberbürgermeister persönlich an. Und tatsächlich hat es wohl geholfen: Einige Tage später traf er Vertreter der Bundeswehr, und am 1. Januar 2007, vier Monate vor meinem 23. Geburtstag, wurde ich einberufen. Aus dem Grundwehrdienst sind inzwischen vier Jahre geworden.

Woche für Woche pendle ich seitdem zwischen Magdeburg und Munster in der Lüneburger Heide, einem der größten deutschen Militärstandorte. Montag früh 4.30 Uhr fahren wir zu zweit im Auto hin – das spart Kosten und Zeit. Freitagnachmittag bin ich dann wieder in Magdeburg. Wenn es gut läuft und wir in zwei Stunden durchkommen, dann schaffe ich es sogar noch zum Gottesdienst in die Gemeinde.

Ein Jude in der Bundeswehr – das ist natürlich eher die Ausnahme. Ich habe mich mal umgehört. Man schätzt, dass es in der Truppe mit 240.000 Mann etwa 100 bis 150 Juden gibt. Aber obwohl Munster ja ein gigantischer Standort ist, habe ich dort keinen zweiten gefunden. Ein Problem ist das für mich nicht. Meine Kameraden kennen und respektieren mein Judentum. Als ich am Anfang verkündete, dass ich mich mit 19 habe beschneiden lassen und kein Schweinefleisch esse, dachten viele, ich sei Muslim. Ich habe das dann geduldig erklärt. Selbst die Küche nimmt darauf Rücksicht. Und wenn wir im Manöver sind, wird der Verpflegungswunsch einige Tage zuvor angemeldet. Das klappt perfekt.

Zusammenhalt Die Kameradschaft in der Truppe ist extrem wichtig für mich. Und sie funktioniert. Mit meinem besten Kumpel liege ich auf einer Stube. Ab 25 könnte ich zwar außerhalb der Unterkunft schlafen, aber da ich in Magdeburg noch bei meiner Mutter wohne, bin ich ganz froh, dass ich nicht zweimal Miete zahlen muss. Wir haben einen Kühlschrank auf der Stube, ich habe meinen Laptop dabei – er ist der zweitbeste Freund des Soldaten. Nach Dienstschluss spielen wir, treiben Sport, treffen Freunde. Ich habe die Fahrschule gemacht, und inzwischen darf ich auch Panzer fahren. Ich bin also sehr zufrieden.

Natürlich ist der Dienst beim Heer hart. Aber wenn ich den jungen Rekruten etwas sage, dann weiß ich, wovon ich spreche. Und die spüren das. Als Stabsgefreiter habe ich alles selbst hinter mir. Die Jungs haben mich zu ihrer Vertrauensperson gewählt. Inzwischen bin ich sogar im Gesamtvertrauenspersonenausschuss beim Bundesverteidigungsministerium und sehr stolz darauf. Ich sage immer: Das hier mache ich jetzt nicht mehr nur für meine Jungs, sondern für alle Stabsgefreiten.

Dieser Zusammenhalt hat mich auch vor der Armee schon sehr beschäftigt. Als ich mit 13 nach Magdeburg kam, sprach ich kein Wort Deutsch und hatte plötzlich keine Freunde mehr. Das war für mich das Schwerste. Nicht, dass ich mein überzähliges Spielzeug am Straßenrand unseres moldawischen Städtchens verkauft hatte. Und auch nicht, dass ich Collie und Katze hatte zurücklassen müssen. Die Freunde waren es, die mir fehlten. Zuerst habe ich also mit den russischen Jungs gespielt, dann war ich eine Zeitlang in so einer eher internationalen Gruppe: Russen, Türken, Vietnamesen, Araber. Wir sind viel rumgefahren, mit dem Wochenendticket habe ich Deutschland kennengelernt. Entweder haben wir den Fahrschein den Leuten, die ihn nicht mehr brauchten, billig abgekauft oder gefragt, ob wir auf ihrem Ticket mitreisen können.

Ferienlager Aber natürlich hat auch das Judesein einen großen Anteil daran, dass ich inzwischen in Deutschland heimisch geworden bin. Zum Judentum hatte ich Anfang der 90er-Jahre bereits in Moldawien gefunden, vorher spielte das bei uns zu Hause kaum eine Rolle. In der Hauptstadt Chisinau gab es dann eine Gemeinde, zu der ich ging. Wir sind ins Ferienlager gefahren, haben einiges über die Geschichte erfahren. Das hat mich sehr beeindruckt und zu immer neuen Fragen veranlasst. Dann stand die Familie vor der Entscheidung: Deutschland oder Israel? Ich habe zu meinen Eltern gesagt: »Deutschland natürlich, da gibt es viel besseren Fußball.«

Naja, ich weiß nicht, ob das dann der Grund gewesen ist. Jedenfalls kamen wir nach Magdeburg. Dort habe ich eine Zeitlang auch bei Arminia Fußball gespielt. Anschließend war es vor allem der Jugendklub der Gemeinde, in dem wir sehr viel auf die Beine gestellt haben. Die Leute dort waren richtig gut drauf, sodass sich das schnell herumsprach und wir auch viel von anderen Gemeinden eingeladen wurden. Mir macht so was ja Spaß, ich muss immer in Bewegung sein.

Auch wenn ich jetzt oft nicht da bin – der Kontakt zu den Freunden ist bis heute geblieben. Am Wochenende sehen wir uns, und mit den Jungs habe ich noch immer viel Spaß. Wenn ich jetzt in die Russendisko gehe, dann weniger, um zu tanzen, sondern einfach, um sie zu treffen, zu quatschen. Der Humor ist da ganz anders. Im Moment bin ich ohnehin öfter dort. Meine Freundin macht gerade ein Auslandssemester in Südafrika. Aber wenn sie da ist – sie studiert BWL in Osnabrück –, dann pendeln wir jede Woche abwechselnd und besuchen uns. Wenn alles klappt, will sie über Silvester nach Deutschland kommen. Darauf freue ich mich schon sehr.

Zukunft Dieser Jahreswechsel wird für mich einschneidend: Am 31. Dezember läuft meine Zeit als »SaZ 4« aus, also als Soldat auf Zeit für vier Jahre. Ich würde gerne verlängern, es ist und bleibt mein Traumberuf. Aber zu 99,9 Prozent wird das nicht klappen. Wegen der anstehenden Bundeswehrreform sind im Moment zu viele Fragen offen, und ich hänge genau dazwischen. Zwar hat man mir angeboten, noch ein Jahr zu verlängern und davon ein halbes an die vorderste Linie zu gehen. Hätte ich eigentlich auch gemacht. Aber als meine Familie hörte, dass ich nach Afghanistan will, haben mich meine Mutter, Schwester und Freundin unabhängig voneinander, aber kollektiv, so fertiggemacht, dass ich schließlich doch abgesagt habe. Es wird also wohl dabei bleiben, dass der 22. Dezember mein letzter Arbeitstag beim Bund ist.

Wie es weitergeht? Aller Voraussicht nach werde ich wieder in meinen alten Beruf zurückkehren. Ich hatte ja nach der Realschule zunächst eine Lehre als Masseur und medizinischer Bademeister begonnen, diese aber abgebrochen. Das war mir nix. Zu viel Theorie, ich bin eher Praktiker. Anschließend habe ich eine Ausbildung zum Restaurantfachmann gemacht und als Schichtleiter gearbeitet. Aber in den vergangenen vier Jahren habe ich vieles davon vergessen. Irgendwann möchte ich gern ein eigenes Restaurant aufmachen. Eines, in dem man tagsüber gut essen und abends in einer schicken Lounge sitzen kann, das würde mich reizen. Aber das ist Zukunftsmusik.

Aufgezeichnet von Steffen Reichert

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