Sommerzeit ist Fastenzeit. Zum 17. Tamus, am 24. Juli, herrschten dieses Jahr in ganz Deutschland bis zu 30 Grad Hitze und stellenweise noch darüber, eine Belastung selbst für junge Menschen, unter solchen Bedingungen fasten zu müssen. Ältere Gemeindemitglieder beschwerten sich da schon einmal über Synagogen, die kaum Abkühlung boten.
Für das Fasten am 9. Av, am 14. August, stehen die Zeichen bislang auf freundlichen 20 bis 21 Grad, doch das Grundproblem im Sommer bleibt: Hitzegrade in den Beträumen und keine Abhilfe.
»Wir haben einen Ventilator in der Synagoge, der gut funktioniert«, sagt Yosef Beznosov, Geschäftsführer der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig. »Nur dürfen wir nicht vergessen, ihn hin und wieder auszuschalten. Das kostet ja alles Geld«, zeigt sich Beznosov um die Gemeindefinanzen besorgt. Doch die Leipziger Beter wollen es verständlicherweise nicht zu stickig haben. »Wie man das anstellt, das ist nicht so wichtig«, meint Beznosov schmunzelnd. »Geld ist durchaus vorhanden, aber die Prioritäten liegen ganz woanders!« Sorge bereite das Dach, das müsse als erstes saniert werden.
Sparen Gemeinderabbiner Elisha Portnoy aus Dessau sieht das ähnlich. Man müsse auch sparen, schließlich stehe für die Gemeinde der geplante Bau einer Synagoge an erster Stelle. Derzeit verfügt die Gemeinde in der Bauhaus-Stadt über eine kleine Synagoge und einen Begegnungsraum auf zwei Etagen übereinander. Man habe keine Probleme mit Hitze, spielt Rabbiner Portnoy das Thema etwas herunter. »Die Temperaturen sind durchaus erträglich, und beten kann man schon, auch wenn es einige gerne noch etwas kühler hätten.«
Das Geld solle in erster Linie natürlich für den Neubau verwendet werden. Dann werde sicherlich alles zur vollen Zufriedenheit sein, bemerkt Rabbiner Portnoy und verweist auf das Beispiel Schwerin. Die Gemeinde in der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern hatte 2008 an historischer Stelle, im Hof Schlachterstraße 3 und 5, wo die alte Synagoge bis 1938 165 Jahre stand, einen Neubau errichtet. »Die in Schwerin haben eine gute Synagoge, dort passt es«, meint der Dessauer Rabbiner deshalb.
Auch die Ulmer Gemeinde verfügt über ein neues Gemeindehaus. Die Dependance der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs in Stuttgart (IRGW) konnte ihr Haus mit Synagoge, Ritualbad, Gemeindesaal, Bibliothek, Kindergarten und Jugendzentrum im Dezember 2012 eröffnen. »Das Gebäude ist klimatisiert und hat eine herrliche Mikwe, die ständig beheizt wird«, erzähl Alexander Lokshin vom Vorstand der IRGW.
Klimaanlage In Stuttgart selbst kennt man das Hitzeproblem nur zu gut. Seit Jahren beklagt die Gemeinde eine kaputte Klimaanlage während der heißen Jahreszeit. »Es war diesen Sommer bei uns oft sehr warm. Besonders wenn mehrere Gruppen von Besuchern zu uns kommen, ist es durch die hohen Temperaturen sehr belastend, fast unerträglich«, erklärt Lokshin. Seit geraumer Zeit werde man vertröstet, dass die Klimaanlage repariert werde. Dass sie kaputt sei, wisse man schon lange, doch niemand kümmere sich um das Problem. »Nicht einmal der Kantor und der Rabbiner hatten Lösungen parat«, zeigt sich Lokshin einigermaßen irritiert. Für ihn und die Gemeinde sei es ein Mysterium. Der Etat für eine Reparatur sei vorhanden, schließlich erhalte man Geld aus dem Staatsvertrag mit dem Land Baden-Württemberg. Liegt es also am fehlenden Willen und mangelnder Kommunikation? Oder doch an anderen Prioritäten? Lokshin weiß nicht weiter.
»Es liegt viel an baulichen und finanziellen Schwierigkeiten«, meint sein Bonner Kollege Peter Pöll, Assistent von Margret Traub, der Vorsitzenden der Synagogengemeinde Bonn. »Viel Geld wird für die Reparaturen der Fenster und Türen benötigt«, erklärt Pöll. Die Gemeinde müsse aber nicht nur die Fenster reparieren, sondern auch noch die Sicherheitsauflagen erfüllen. Während der Veranstaltungen dürfen beispielsweise die Fenster nicht geöffnet sein, die Gefährdung sei zu hoch.
Kosten-Nutzen Für Peter Pöll, wie auch für alle anderen Mitarbeiter der Gemeinden, bleiben Anschaffungen, Reparaturen und Neuerungen stets eine Frage von Kosten und Nutzen. Da nehme man also hohe Temperaturen an den wenigen Tagen im Jahr dann doch in Kauf. Und dennoch: »Im Sommer ist es wie in einem überhitzten Bunker. Manchmal sagen die Leute: ›Wir ersticken hier‹«, erzählt Pöll. Möglicherweise sei die Isolation des Gebäudes nicht gut. Je wärmer es draußen ist, desto wärmer wird es im Gebäude.
Die Auswirkungen erlebte die Gemeinde vor drei Jahren, als sie bei 35 Grad eine Hochzeit feierte. 35 Grad drinnen wie draußen! Das beweise doch, wie dringend notwendig eine Klimaanlage sei, sagt Pöll. Gegenwärtig verfüge die Bonner Synagoge über eine Lüftung, die schon einige Jahre alt ist und den Zweck der Kühlung nur spärlich erfüllt.
Sommerzeit bedeutete eben nicht für alle eitel Sonnenschein, sondern beten in aufgeheizten Synagogen. Ein Problem, mit dem sich viele Gemeinden herumplagen müssen, die jedoch oft genug durch andere Herausforderungen in den Hintergrund rücken. Oft zum Missfallen einiger Mitglieder.
Einziger Trost: Der Sommer neigt sich schon bald dem Ende, und das jüdische Neujahrsfest steht mit Herbstbeginn vor der Tür: Die dritte Jahreszeit verspricht Kühlung.