Mika und Nathaniel, neun und zehn Jahre alt, sitzen etwas geknickt auf einer Bank und erholen sich von einem anstrengenden Fußballspiel. Glück haben die beiden heute nicht gehabt. Wie hoch sie verloren haben? »Keiner hat so richtig mitgezählt«, sagt Nathaniel und widmet sich dann seinen Pommes, die ein mobiler Imbiss bereitstellt.
Er und sein Mitspieler Mika sind ganz in Blau und Weiß gekleidet, den Farben ihres Vereins: TuS Makkabi Berlin. Der feiert an diesem Sonntag sein 50-jähriges Bestehen und hat zwischen Kaffeewagen, Infozelten und Bierbankgarnituren zu Spiel, Tanz und Essen in die Julius-Hirsch-Sportanlage am Rande des Grunewalds eingeladen. Die Stimmung vor Ort ist entsprechend feierlich, das kann auch die Niederlage der Jugendmannschaft nicht trüben.
lob Mit den Worten »Mazel tov, Mazel tov, kol hakavod!« lobt Rabbiner Yehuda Teichtal die Arbeit von Makkabi Berlin und stellt fest, dass der Verein ein wichtiger Protagonist, ein »maker and shaker« der jüdischen Gemeinschaft in Berlin sei. Auf der kleinen, improvisierten Bühne kommen außer dem Rabbiner auch einige Politiker der Landes- und Bezirksebene zu Wort.
Neben dem Berliner Staatssekretär für Sport, Aleksander Dzembritzki, geben sich auch Heike Schmitt-Schmelz, die Bezirksstadträtin für Sport, und der Bürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinhard Naumann, die Ehre. Die wichtige Rolle von TuS Makkabi Berlin für die Zivilgesellschaft wird hervorgehoben, ein überdimensionierter Scheck zur finanziellen Unterstützung übergeben, die Grüße einer Kandidatin für das Bürgermeisteramt ausgerichtet. Man merkt, es ist Wahlkampf.
Die Bedeutung von Makkabi Berlin geht allerdings weit über die Tagespolitik hinaus – der Verein hat Geschichte geschrieben. Als im Jahre 1898 in Berlin der erste jüdische Turn- und Sportverein gegründet wurde und auch der 1921 ins Leben gerufene Makkabi-Weltverband seinen Sitz in die deutsche Hauptstadt legte, war Berlin die bedeutendste Stadt des jüdischen Sportwesens. Nachdem der Nationalsozialismus dem eine Ende bereitet hatte, war es wiederum Makkabi Berlin, der mit seiner Neugründung 1970 – das Jubiläum wird coronabedingt mit einem Jahr Verspätung begangen – als einer der ersten Vereine an diese glanzvolle Tradition anschloss.
erbe Michael Koblenz, Mitglied im Vorstand von Makkabi und Hauptredner an diesem Tag, macht deutlich, dass er sich dieses Erbes bewusst ist: »Makkabi ist synonym mit jüdischem Sport, Toleranz, Integration und Vielfalt.« Der Verein, so Koblenz, habe seine Grundlage im Judentum, offen sei er aber für alle, die die Werte Makkabis teilten. Das zeige sich auch in der Zusammensetzung der Mitglieder. »Hier spielen Juden, Christen, Muslime und Buddhisten.«
Für Michael Koblenz ist Makkabi Berlin eine »Familienangelegenheit«, wie er sagt. Schon sein Vater war und ist im Verein engagiert, er selbst hat lange das blau-weiße Trikot auf dem Fußballplatz getragen. Heute ist er im Vorstand für sportliche Angelegenheiten verantwortlich. Seine Bilanz der letzten 50 Jahre fällt grundsätzlich positiv aus: »Es waren nur ein paar vereinzelte Leute, die 1970 angefangen haben. Heute haben wir 500 Mitglieder und zwölf verschiedene Sportabteilungen.« Aber: »Wir wären gerne noch mehr.«
Das Ziel für die nächsten Jahre: mehr Engagierte, mehr Spitzensport und eine Neuauflage des einstmals legendären Tanzballs.
Koblenz wünscht sich, dass TuS Makkabi weiter wachse und eine noch wichtigere Rolle in der jüdischen Gemeinschaft und der Stadtgesellschaft einnehme. Auch wenn die Pandemie den Verein vor schwierige Herausforderungen gestellt habe, auf dem richtigen Weg sei Makkabi bereits, die Stimmung stehe auf Aufbruch. Das Ziel für die nächsten Jahre: mehr Engagierte, mehr Spitzensport und eine Neuauflage des einstmals legendären Tanzballs.
JUGEND Während sich die verschiedenen Sportarten des Vereins auf dem Gelände präsentieren – man kann Körbe werfen, über Schachbrettern grübeln –, beginnt das Ligaspiel der ersten Herren-Fußballmannschaft. Die spielt bisher eine starke Saison, das Ziel lautet Aufstieg. Unter den Zuschauern sind auch Nathaniel und Mika.
Deren Weg zu Makkabi hätte unterschiedlicher nicht sein können: Der eine besuchte schon die jüdische Grundschule in Berlin, der Eintritt in einen jüdischen Sportverein lag da nahe. Der andere hatte zuvor keinerlei Berührungspunkte mit dem Judentum; es war vor allem Zufall, dass er zu Makkabi kam. Geblieben sind sie beide, weil sie finden, dass ihr Verein einfach gut ist. Dabei wäre es für Nathaniel und Mika bis vor drei Jahren gar nicht möglich gewesen, bei Makkabi Berlin Fußball zu spielen. Es gab schlicht keine Kinder- und Jugendmannschaften. Dass sich das geändert hat, geht insbesondere auf das Engagement von Ilja Gop zurück.
Als sein eigener Sohn ins fußballfähige Alter kam, wandte sich Ilja Gop an TuS Makkabi mit der Idee, ein neues Team für junge Spieler auf die Beine zu stellen. Gop wusste um die Problematik, dass jüdischen Kindern in einigen Fußballvereinen ihre Identität nicht selten zum Problem gemacht wird. Umso wichtiger war es, bei Makkabi auch ein Angebot für Kinder und Jugendliche einzurichten. Bei manchen Spielen brauche es zwar immer noch Polizeischutz, bedauert Gop, setzt jedoch gleich hinterher: »Wir verstecken uns aber nicht!«
Mittlerweile spielen wieder um die 70 Fußballer in den Jugendmannschaften. Für die Zukunft wünscht sich Ilja Gop für jede Altersklasse drei volle Mannschaften, richtige Sitztribünen und eine Flutlichtanlage für das Fußballfeld. Von der Politik erhofft er sich dafür noch mehr Unterstützung. Sollte die dafür noch Gründe suchen, die Herrenmannschaft von Makkabi liefert einen an diesem Tag: Sie gewinnt 5:1.