Seminar

Fakten, Fakten, Fakten

Die Seminarteilnehmer am Mahnmal für die ermordeten israelischen Sportler während der Olympischen Spiele 1972 Foto: Till Schmidt

Es ist toll, dass sich so viele Interessierte über Israel austauschen wollen», sagt Tom Wyrobnik auf dem Weg in den «Kleinen Rittersaal». Leicht nach Luft schnappend – nicht wegen der vielen Treppen, die zum Tagungssaal der Burg Schwaneck führen, sondern wegen eines Federball-Matches, das der 25-Jährige gerade hinter sich hat.

Rund 30 junge Erwachsene nahmen am Jahresseminar des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft teil. Abseits des Großstadttrubels und in malerischer Atmosphäre fand «Israelpedia» zum ersten Mal in München statt. Dort hat Wyrobnik, der zuvor einige Jahre im Vorstand des Verbandes Jüdischer Studenten in Bayern engagiert war, vor Kurzem ein Junges Forum (JuFo) ins Leben gerufen.

debatten Beim Seminar wolle man sich vor allem intensiv fachlich auseinandersetzen – «Werkzeuge für die alltägliche politische Arbeit» erhalten, sagt Wyrobnik. Daneben freut sich der Ingenieur über die Möglichkeit, andere Engagierte aus ganz Deutschland kennenzulernen – «natürlich nicht nur beim Federball, sondern vor allem über inhaltliche Debatten», sagt er und lacht.

Eine dieser Diskussionen beschäftigt sich mit dem Frauenbild im jungen Staat Israel. Es ist das Thema von Julie Grimmeisens 2015 abgeschlossener Promotion, in der sie die Darstellung von Schönheitsköniginnen und Pionierinnen in israelischen Frauenzeitschriften analysiert. In dem Gespräch wurde der Bogen auch zu aktuellen Frauenvorbildern gespannt – von Netta und Wonder Woman bis hin zu eigenen Beobachtungen und Erfahrungen bei Israel-Aufenthalten.

Iran Jörg Rensmanns Vortrag zur Sicherheitslage Israels fokussierte sich auf das iranische Regime – die aktuell größte sicherheitspolitische Herausforderung, so der Mitarbeiter des Mideast Freedom Forum Berlin. Besonders gefährlich für Israel sei nicht nur das immense Raketenarsenal der vom Iran aufgerüsteten Hisbollah, sondern auch das vom Regime angestrebte Ziel eines über den Irak, Syrien und den Libanon führenden Landkorridors bis zum Mittelmeer. Noch immer sei die Terrororganisation Hisbollah, die mit etwa 900 Kadern auch in Deutschland aktiv sei, nicht verboten. Im Gegenteil, sie werde von Iran-gesteuerten Institutionen wie dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) weiterhin unterstützt.

«Ich finde es enorm wichtig, dass wir ausführlich über den Iran sprechen», sagt Tom Wyrobnik. «Denn die von dem Regime ausgehenden Gefahren werden in den deutschen Medien nicht hinreichend berücksichtigt.» Weil das IZH den antisemitischen Al-Quds-Marsch maßgeblich mitorganisiert, veranstaltete man in diesem Jahr eine Gegendemonstration, so Thomas Mayer aus Hamburg.

Rensmann forderte darüber hinaus von der Bundesregierung, die Finanzierung aktueller palästinensischer Schulbücher zu überdenken, da in ihnen die historische jüdische Präsenz und damit das Existenzrecht Israels systematisch geleugnet und das gewaltvolle Märtyrertum glorifiziert werde.

perspektiven Mit arabischen Perspektiven auf Israel beschäftigte sich Johannes Becke, Juniorprofessor an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg. Anhand von prägnanten Beispielen auch aus der Alltagskultur zeigte er, wie weit verbreitet israelfeindliche Haltungen in den arabischen Ländern sind. In der Regel sind sie an Verschwörungstheorien gekoppelt, die Israel oder auch «die Juden» als skrupellose Zersetzer darstellen.

Gleichzeitig machte Becke deutlich, dass etwa durch die saudisch-israelische Annährung Einzelpersonen durchaus zum Umdenken angeregt werden können: so wie etwa ein saudischer YouTube-Blogger, der in autodidaktisch gelerntem Hebräisch Online-Grußworte an die Israelis sandte.

Passend zum 70-jährigen Jubiläum Israels griff Jörg Rensmann auch die Ideengeschichte des Zionismus auf. Weitere Schwerpunkte lagen auf der Vorgeschichte der Staatsgründung: Die Themen reichten von den zionistischen Einwanderungsphasen über den Arabischen Aufstand 1936–1939, die Peel-Kommission der Briten während der Mandatszeit und die britische «Weißbuchpolitik» bis hin zum Unabhängigkeitskrieg und seinen Folgen.

westjordanland Jonathan Shay von der Jewish Agency gab in seinem Vortrag Einblicke in sicherheitspolitische, vor allem aber nationalreligiöse Perspektiven im Westjordanland. «Judäa und Samaria sind keine besetzten, sondern umstrittene Gebiete», sagte Shay. Vor dem Sechstagekrieg habe es keinen palästinensischen Souverän, sondern lediglich eine völkerrechtswidrige Besatzung des Landes durch Jordanien gegeben. Siedlungsbau sei eine Mizwa. «Das Land ist Abraham, Isaak, Jakob und ihren Nachfahren vor 4000 Jahren und für immer gegeben worden», ist Shay überzeugt. Im Westjordanland hätten die Israelis blühende Landschaften geschaffen.

Zur Tagung gehörte auch eine Exkursion in den Olympiapark und zum dort vor Kurzem errichteten Mahnmal für die Opfer des Attentats von 1972. «Besonders erschreckend fand ich, wie beiläufig das Olympia-Attentat damals in den Medien erwähnt und mit welcher Beharrlichkeit die Spiele weitergeführt wurden», sagt Annika Zecher.

Quellenarbeit Ein gutes Seminar, urteilten anschließend die Teilnehmer. «Vor allem durch die intensive Quellenarbeit konnte ich mein Wissen vertiefen und Ins­piration für den Unterricht gewinnen», urteilte Michael Süß, angehender Gymnasiallehrer für Geschichte und Sozialkunde. Dies sei besonders wichtig vor dem Hintergrund der häufig einseitigen, negativen Darstellung Israels in deutschen Schulbüchern, meinte der 29-Jährige. Thomas Mayer aus Hamburg hat der Workshop dazu angeregt, in Zukunft auch kritische Veranstaltungen zur UN sowie zur palästinensischen Flüchtlingsagentur UNRWA zu organisieren.

Kritische Nachfragen seien unaufgeregt und konstruktiv beantwortet worden, lobt Michael Süß die Tagung. «Faktenwissen und das Kennenlernen auch von unbekannten Perspektiven sind die Grundlage für den politischen Austausch», sagt der Referendar aus München.

«Mit unseren Jahresseminaren möchten wir Grundlagenwissen zur Geschichte und Gegenwart Israels vermitteln – und dabei auch Perspektiven präsentieren, die in Deutschland kaum zu Wort kommen», sagt Tibor Luckenbach, Bundesvorsitzender des Jungen Forums. «Die Bewertung überlassen wir dann den Teilnehmern selbst», sagt der 31-Jährige.

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