Zum 75. Jahrestag der Wiederbegründung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main hat der Vorstandsvorsitzende Salomon Korn ein florierendes jüdisches Leben in der Stadt gewürdigt. Dies sei »etwas Herausragendes«, sagte Korn (80) bei einem Festakt am Mittwochabend, zu dem über 800 Gemeindemitglieder sowie Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kirchen, Kultur und Stadtgesellschaft im Frankfurter hr-Sendesaal zusammenkamen.
Bundesinnenminister Nancy Faeser (SPD), Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Mike Josef (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main gehörten dazu - ebenso wie Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Talya Lador-Fresher, die Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland.
Schmerzvolle Tiefen Korn erinnerte an die jüdische Tradition in der Stadt, die bis ins 12. Jahrhundert reiche: »Eine Geschichte mit Höhen und schmerzvollen Tiefen, die Wunden hinterließen, welche nur langsam heilen.« Eine Narbe werde immer bleiben. Aber: »Wir wollen ein blühendes und selbstbewusstes jüdisches Leben wieder aufbauen und gestalten.«
Zudem betonte er die Entwicklung der Gemeinde »zu einem integralen Bestandteil der Stadt«. Die Feier sei »kein Fest ausschließlich für die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main, sondern ein Fest für ganz Frankfurt«, so der Vorstandsvorsitzende.
Von den etwa 30.000 Jüdinnen und Juden in Frankfurt wurden in der NS-Zeit Korn zufolge 11.908 deportiert und ermordet, Tausende mussten fliehen. »Unter welchen Umständen diese vom nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen gezeichneten Menschen diesen Neustart vor 75 Jahren wagten, ist für uns kaum vorstellbar.«
Gemeinsames Schicksal Unter ihnen seien »Displaced Persons« aus Osteuropa und wenige Ur-Frankfurter und Rückkehrer gewesen. Im Vordergrund habe ein Zusammengehörigkeitsbedürfnis angesichts des gemeinsamen Schicksals gestanden, betonte Korn, der 1943 in Lublin zur Welt kam. Als Dreijähriger kam er mit seinen Eltern in ein Lager für »Displaced Persons« nach Frankfurt.
Zu den »Meilensteinen« der Gemeinde gehöre die Wiederbegründung einer jüdischen Schule 1966. Außerdem nannte Korn die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion seit den 1990er Jahren. Er hob auch das heutige Engagement für Geflüchtete aus der Ukraine hervor.
Korn würdigte das Wirken von Ignatz Bubis, dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden sowie späteren Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er habe für die Gemeinde Stabilität geschaffen und dem Judentum in Deutschland zu einem neuen Selbstbewusstsein und einer Stimme verholfen.
Bundesweit einzigartig Die Jüdische Gemeinde Frankfurt sei von unterschiedlichen Richtungen des Judentums geprägt und vielfältig. Dass mehrere Strömungen unter einem Dach vertreten seien, sei bundesweit einzigartig, betonte Korn. Im deutschlandweiten Vergleich habe die Gemeinde außerdem den größten Anteil junger Menschen.
Korn betonte zugleich, dass noch immer Sicherheitsvorkehrungen unerlässlich seien. Er prangerte zudem Antisemitismus, Hetze und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit an. Gemeinsam müssten Politik, Religionsgemeinschaften und die Zivilgesellschaft dem entgegentreten.
Nancy Faeser erklärte: »In Frankfurt überlebten nur etwa 160 Jüdinnen und Juden die Schoa. Heute zählt die Jüdische Gemeinde in Frankfurt zu den größten Deutschlands. Ihre Mitglieder engagieren sich vorbildlich für die Menschen in ihrer Stadt«, so die Ministerin, die gleichzeitig Spitzenkandidatin ihrer Partei für die am 8. Oktober stattfindende Landtagswahl ist.
Große Leistung »Ich bin allen, die jüdisches Leben in Deutschland wiederaufgebaut haben, von ganzem Herzen für ihr Vertrauen und ihre große Leistung dankbar«, sagte Faeser. »Sie sind ein wertvoller Teil unserer Gesellschaft!«
Faeser betonte: »Der Imperativ des ›Nie wieder!‹ muss gelten, und zwar unverrückbar. Er gehört zu den Grundfesten dieser Republik und es ist die Aufgabe aller Demokratinnen und Demokraten ihn ohne Wenn und Aber jederzeit und überall zu verteidigen!«
Der Oberbürgermeister von Frankfurt am Main, Mike Josef, gratulierte der Gemeinde. »Kultur, Wirtschaft, Bildung – die Jüdische Gemeinde ist in all diesen Bereichen ein fester Partner. Dafür mein herzlicher Dank«, sagte er. »Heute wie damals gilt: Jüdisches Leben gehört fest zu unserem Frankfurt. Aber es gilt auch: Sicheres jüdisches Leben ist nicht selbstverständlich. Deshalb müssen wir alles dafür tun, jüdisches Leben in Frankfurt am Main zu schützen.«
Der Festakt begann mit einer Gedenkminute für das am 7. September verstorbene Gemeindevorstandsmitglied Harry Schnabel. Sein umfangreiches Wirken für die Jüdische Gemeinde Frankfurt und die jüdische Gemeinschaft in Deutschland wurde gewürdigt.
Im Rahmen der Feier trat der New Yorker Kantor Yitzchak Meir Helfgot auf. Das hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Jonathan Stockhammer lieferte eine musikalischen Reise durch die 75-jährige Geschichte der Jüdischen Gemeinde. Kompositionen von Steve Reich, Mieczysław Weinberg und Leonard Bernstein erklangen.
Zusätzlich kam es zur Uraufführung von Camilo Bornsteins Komposition »Mitkanes«, die als Auftragsarbeit eigens für diesen Festakt komponiert wurde. kna/ja
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