Küf Kaufmann, Leipzig
Das erste Mal hörte ich von Purim durch die Geschichten meines Großvaters Mordechai. Damals war ich ein kleines Kind. Zur selben Zeit genoss ich es, meine ersten Hamantaschen zu essen, die meine Großmutter Reichel gebacken hatte. Die Hamantaschen meiner Großmutter waren unglaublich lecker, so wie die Geschichten meines Großvaters faszinierend schön waren. Aus diesen Geschichten lernte ich, dass man tapfer gegen den Feind kämpfen und sich nach einem Sieg hemmungslos amüsieren sollte. Und so viel Spaß zu haben, dass man mit seinem Spaß alle verscheucht, die dir Angst einjagen wollen. Opa sang und scherzte auf Jiddisch, Oma schimpfte ihn auf Jiddisch aus, weil er mich so viel Hamantaschen essen ließ, bis sich die ganze Familie zum Essen setzte. Großvater überzeugte mich von der Kraft des Humors. Vielleicht ist das der Grund, warum ich mein Berufsleben dem Humor gewidmet habe. Viel später erfuhr ich, dass die Hamantaschen die abgeschnittenen Ohren unseres Feindes Haman symbolisierten. Seitdem habe ich das süße Gebäck nie wieder essen können. Zumal es nicht meine Großmutter war, die es gebacken hat.
Ruth Röcher, Chemnitz
Beide Fotos wurden in Beth Halevi aufgenommen, einem Moschaw in Emek Chefer, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Jedes Jahr versammelte sich der ganze Moschaw in dem einzigen Saal, den wir hatten, um gemeinsam Purim mit Musik, Tanz und einem Kostümwettbewerb zu feiern. 1968 habe ich mich als Japanerin verkleidet. In der Mitte steht mein Bruder als Richter und links eine Freundin von mir als Chinesin. Das Bild Nummer zwei ist noch älter, es stammt etwa von 1959/60, vom Purimfest im Kindergarten. Ich bin das Mädchen in der Mitte, als Soldatin verkleidet. Um mich herum die Eltern der Kinder. Vor und hinter mir stehen zwei Freundinnen aus Beth Halevi. Ich war kein einziges Mal eine Königin oder Prinzessin. Einmal gewann ich den ersten Preis beim Kostümwettbewerb. Da ging ich als Fliege. Die Tradition, Purim mit einem großen Fest zu feiern, ist mir auch in Chemnitz wichtig. Seit 1994 ist das bei uns in der Gemeinde Usus. Am Anfang war ich noch die Einzige, die sich verkleidete. Mittlerweile gibt es bei uns vier Kostümwettbewerbe – für die verschiedenen Generationen. Purim ist ein fröhliches Fest – und für mich als Pädagogin und Religionslehrerin ist es eine Chance, damit auch Kinder an das Judentum heranzuführen. Die Kinder lieben es, zu rasseln, wenn der Name Haman bei der Megilla-Lesung erklingt. Noch habe ich mich für kein Kostüm entschieden. Denn das mache ich immer in letzter Minute.
Judith Neuwald-Tasbach, Gelsenkirchen
Eine Krone zu Purim aufzusetzen, ist schon toll – da war ich Königin Esther. Ich mag das Foto sehr, auch, weil mein Vater, Kurt Neuwald, mit abgebildet ist. Als ich noch ein Kind war, war die Gemeinde kleiner und feierte in einem winzigen Gemeindesaal. Mein Vater amtierte zu der Zeit als Gemeindevorsitzender. Kostüme gab es damals noch gar nicht zu kaufen. Und die Hamantaschen wurden selbst gebacken. Ich erinnere mich auch noch an das Lampenfieber vor den Aufführungen. Mit etwa 15 Jahren war Schluss mit dem Verkleiden, da half ich dann lieber in der Küche oder beim Aufbau. Das Purimfest bedeutet mir sehr viel, gerade jetzt in dieser Zeit. Die Megillat Esther erzählt von der Errettung des jüdischen Volkes aus großer Gefahr im persischen Reich und gibt uns damit Hoffnung auf eine bessere Welt. Im Buch Esther steht ausdrücklich, dass jede Familie daran denken muss, Purim von Generation zu Generation zu feiern, um damit die alten Traditionen und die Hoffnung weiterzugeben. Jeder soll sich so fühlen, als ob er selbst dabei gewesen wäre, und jeder soll das große Glück der Errettung fühlen. Und dieses Gefühl hat mich seit Kindertagen durch das Purim-Spiel bis heute begleitet. Ich wünsche mir Frieden für uns alle, der Hass muss endlich aufhören.
Torsten Rottberger, Emmendingen
Ich musste oder durfte, je nachdem, wie man es sieht, immer ein altes Kostüm meiner größeren Schwester nachtragen. Wir sind eine Großfamilie. So schlüpfte ich in die Rolle von Frau Holle, war ein Kätzchen, Rotkäppchen, Hexe und einmal ein Indianer (2.v.r.). Zu Purim sind wir immer zum Feiern in die Synagoge Freiburg gegangen, wo mein Vater Schammes war. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich mich nicht mehr an die Feste erinnere, da es zu lange her ist. Nun verkleiden sich meine Töchter zu Purim. Gerade in diesen aktuellen schwierigen Zeiten ist es wichtig, die Geschichte weiterzugeben. Denn sie sagt ja, dass schon mehrmals versucht wurde, das Judentum auszulöschen. Doch dadurch, dass die Juden zusammenhalten, konnten und können wir auch diese Zeit überstehen.
Rabbiner Yitzchak Mendel Wagner, Krefeld
Leider habe ich mich nie groß kostümiert, und das Foto mit der roten Clownsnase ist das einzige Bild, das mich verkleidet zeigt. Es ist zwei Jahre alt. Meine Kinder haben mehr Interesse am Verkleiden, als ich es je hatte. Seit seinem dritten Geburtstag will mein Sohn immer als Rabbiner zur Feier gehen, meine Tochter als Esther. Wir legen Wert darauf, dass die jüdischen Themen sich in den Kostümen widerspiegeln, denn Purim ist kein Karneval. Dieses Purim haben wir mit vielen Schülern der Chabad-Jeschiwa aus Dnipro in Krefeld gefeiert, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind. Wer denkt, dass die Purim-Geschichte vor langer Zeit spielte, hat die Geschichte nicht verstanden! Sie ist immer aktuell.
Rafi Heumann, Berlin
Als ich acht Jahre alt war, habe ich mich für meinen Traumjob verkleidet: Journalist. Ich schlüpfte in ein Hemd, das wie eine Zeitung bedruckt war, und fühlte mich wie ein echter Reporter. Als ich mein Zeitungshemd anzog und mich als Journalist verkleidete, fühlte ich mich wie ein Bote der Wahrheit und der Hoffnung. Ich träumte davon, die Welt durch meine Schreibmaschine zu sehen und die Stimmen derjenigen zu erheben, die sonst ungehört bleiben. Heute, an Purim 2024, wünsche ich mir nur eine Sache: die Schlagzeilen zu sehen, die die befreiten Geiseln verkünden. Es ist mein tiefster Wunsch, dass diese Menschen sicher nach Hause zurückkehren und dass ihre Geschichten von Hoffnung und Überleben auf den Titelseiten der Zeitungen stehen. Als Achtjähriger, der einst von der Kraft der Medien fasziniert war, glaube ich auch heute fest daran, dass die Nachrichten die Welt verändern können. Ich hoffe und bete, dass diese Schlagzeilen ein Zeichen des Endes des Leidens und des Beginns des Friedens sind.
Yana Petrova, Frankfurt
Leider sind all meine Kindheitsfotos in der Ukraine zurückgeblieben. Dort habe ich Purim erst als Erwachsene feiern können, denn als ich ein Kind war, existierte noch die Sowjetunion, und es war verboten, das Fest zu feiern. Dieses Foto stammt von einer frühen Purim-Party in diesem Jahr. Ich wünsche uns allen, dass dieses Fest mit Spaß, Lachen und fröhlichen Feierlichkeiten gefüllt ist. Und auch, dass Frieden und Harmonie in der Ukraine, in Israel und auf der ganzen Welt gewinnen.
Rabbiner Yitshak Ehrenberg, Berlin
Dieses Foto müsste älter als 70 Jahre sein. Ich bin in der Mitte, neben mir sind meine Geschwister. Aufgenommen wurde es in Israel, wo meine Familie und ich damals lebten. Purim war und ist immer eine sehr lustige, lockere Feier. Man soll so viel trinken, bis man an die Grenze seiner eigenen Kontrolle kommt, denn so könnten sich alle einig sein. Purim feierten wir vor 2500 Jahren im damaligen Persien. Das Buch Esther berichtet, dass Haman, Minister am Hof des persischen Königs, aus Rache alle Juden töten wollte. Königin Esther, die ihre jüdische Abstammung verborgen hielt, konnte dies jedoch verhindern. Die Purim-Geschichte sagt, dass wir das Recht haben, uns zu verteidigen. Die Juden tanzten damals vor Freude. In 2000 Jahren Diaspora hatten wir leider nicht das elementare Recht zur Selbstverteidigung, aber seit der Gründung des Staates Israel können wir uns verteidigen. Zu unserer Synagogenfeier werde ich mir einen chassidischen Hut mit Schläfenlocken aufsetzen.
Nachumi Rosenblatt, Frankfurt
In Israel bin ich aufgewachsen. Als Kind mochte ich es, mich zu verkleiden und für einen Tag mal jemand anderes zu sein. Das änderte sich, als ich älter wurde. Da habe ich die Verbindung von Purim und Jom HaKippurim, also ein Tag wie Purim, verstanden. So fasten wir an beiden Tagen, um unser Schicksal und das des gesamten jüdischen Volkes umzukehren. In diesem Jahr bedrückt mich die Situation in Israel. Ich wünsche mir Frieden und dass alle Geiseln zurück zu ihren Familien kommen.
Zusammengestellt von Katrin Richter und Christine Schmitt