Frau Beumling, Sie ziehen im neuen Jahr von Köln nach Tel Aviv – wie kam es zu diesem Schritt?
Vor zwei Jahren hatte ich das Gefühl, dass ich im Leben stagniere, wenn ich einfach weiter denselben Job mache und in Köln bleibe. Hier bin ich geboren und aufgewachsen. Nach meinem Bachelor in Media Management hatte ich in einem Online-Shop für Luxusuhren gearbeitet. Dort habe ich mit 25 Jahren gekündigt, weil ich eine Veränderung in meinem Leben wollte. Zunächst wollte ich mit einem Arbeitsvisum nach Israel gehen und direkt länger bleiben, aber die Pandemie hat das erschwert.
Was wurde aus Ihren Plänen?
Es hat sich alles verzögert, da die Grenzen geschlossen waren. Es war lange ein Schwebezustand: Ich habe eineinhalb Jahre immer wieder gedacht, bald geht es los. Dann konnte ich mit einem organisierten Programm der Jewish Agency nach Israel gehen, zunächst für ein halbes Jahr. Das war meine Eintrittskarte für Israel. In dieser Zeit habe ich Praktika gemacht, habe das Land noch einmal neu kennengelernt und mich schließlich entschieden, Alija zu machen. Ich habe in den sechs Monaten gemerkt, dass ich mich in Israel einfach wohlfühle.
Wie ist das Leben in Israel für Sie?
Es ist nicht so leicht, wie es sich vielleicht anhört. Die ersten Monate waren anstrengend und mit viel Bürokratie gespickt. Ich glaube, generell ist es nicht so einfach, woanders hinzuziehen, vor allem, wenn es einem zu Hause ja grundsätzlich gut geht, wenn einen nichts vertreibt. Israel ist auch kein leichtes Land. Obwohl meine Mutter Israelin ist, bin ich sehr deutsch und treffe deshalb immer wieder auf meine Grenzen, im Verhalten der Leute oder wie Dinge geregelt sind. Anfangs war es definitiv nicht leicht, aber nach ein paar Monaten ging es immer besser. Und dann wollte ich dem Ganzen eine längerfristige Chance geben.
Sie sagen, es vertreibt Sie nichts. Wie sieht es mit Antisemitismus aus?
Mein Vorhaben, jetzt Alija zu machen, entstand nicht aus dem Grund heraus, dass es mir hier in Deutschland schlecht ging. Es ist nicht so, als hätte ich Antisemitismus nicht erfahren. Aber das ist nichts, was mich wirklich vertreibt. Ich sehe Deutschland immer noch als meine Heimat, und das lasse ich mir von Antisemiten nicht wegnehmen. Dennoch genieße ich, dass ich diese Erfahrungen in Israel nicht machen muss. Ich war jetzt über die Feiertage dort, habe Chanukka auf der Straße erlebt, das war beeindruckend. Es ist schön, keine Minderheit mehr zu sein und nichts mehr erklären zu müssen.
Wie lange möchten Sie bleiben?
Ich tue mich schwer damit, langfristig zu planen, deswegen ist das erst einmal nur eine Entscheidung für das nächste Jahr. Wenn es irgendwann so sein sollte, dass ich merke, ich möchte wieder in Deutschland leben, weil es mir dort besser ging, dann komme ich auch wieder zurück. Ich fühle mich frei, das immer wieder neu zu entscheiden.
Wie ist es mit der Sprache?
Ich spreche fließend Hebräisch, habe aber jetzt erst richtig gelernt zu lesen. Schreiben folgt dann noch. Meine Freunde und Familie helfen mir immer mal wieder, wenn es darum geht, Verträge oder wichtige Dinge durchzugucken, damit ich mich dann nicht auf meine noch nicht ausreichenden Fähigkeiten verlassen muss.
Was möchten Sie beruflich machen?
Ich bin gerade im Bewerbungsprozess. Ich glaube, wie gerade jeder Deutsche, der Alija macht, dass es etwas im Hightech-Bereich wird. Der deutsche Markt ist riesig und wirtschaftlich sehr stark, und gleichzeitig gibt es kaum Leute in Israel, die Deutsch sprechen. Das heißt, es werden durchaus Menschen gesucht, die die Sprache sprechen und die Kultur verstehen.
Was erhoffen Sie sich in Israel?
Das primäre Ziel nach zwei Jahren Ungewissheit ist, einfach wieder anzukommen. Ein bisschen Stabilität zu haben, zu wissen, wo ich die nächsten Monate verbringe. Es ist mir bewusst, dass Veränderungen Zeit brauchen, dennoch möchte ich einfach wieder ein normales Leben führen und mich in Israel nicht mehr so neu fühlen.
Das Gespräch führte Annette Kanis.