Rendsburg

»Ertragen können wir sie nicht ...«

Er galt als ein zerrissener Charakter, oft unbeherrscht und maßlos. Von sich und seinen Thesen überzeugt, duldete er kaum eine andere Meinung neben sich, fürchtete Hexen und war ein glühender Antisemit. Seine Thesen gegen die Juden schrieb er 1543, drei Jahre vor seinem Tod, in seinem Buch Von den Juden und ihren Lügen auf.

Das Referat für christlich-jüdischen Dialog der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland hat sich mit dem Antisemitismus ihres Gründers in der Wanderausstellung Ertragen können wir sie nicht – Martin Luther und die Juden auseinandergesetzt. Noch bis zum 22. Oktober ist die Schau im Jüdischen Museum Rendsburg zu sehen. Begleitet wird sie von drei Veranstaltungen, darunter eine Lesung mit dem deutsch-türkischen Autor Feridun Zaimoglu, bei der er aus seinem Buch Evangelio. Ein Luther-Roman liest.

Bildtafeln »Wir haben die Reihenfolge der Wanderausstellung geändert und sie chronologisch aufgebaut, um nicht bei Luther, sondern beim Antijudaismus der katholischen Kirchenväter zu beginnen, und den gab es bereits im ersten Jahrhundert«, sagt Carsten Fleischhauer, Leiter des Jüdischen Museums Rendsburg. So beginnt die Ausstellung mit 17 Text- und Bildtafeln über die antijüdische Polemik der Kirchenväter.

Sie will zudem nicht nur über Luthers Leben selbst informieren, sondern auch »einen Überblick über Luthers Äußerungen zu ›den Juden‹« geben und Luthers »Verhältnis zum Judentum in die Theologiegeschichte« einordnen, beschreibt das Museum die Motivation der Ausstellung. Bis zur Reformationszeit werden »Geschichte und Status des Judentums in Deutschland« gezeigt.

Im 17. und 18. Jahrhundert bevorzugten die Juden katholische Regionen, weil die evangelischen Gegenden durch Luthers Antijudaismus geprägt waren. »Schleswig-Holstein indes hatte mit Glückstadt, Friedrichstadt und Rendsburg drei Toleranzstädte, die bevölkerungsarmen Städte boten Religionsfreiheit gegen Ansiedlung«, sagt Fleischhauer. Martin Luther hat die Beziehungen zu den Juden mit seiner übelsten antijüdischen Schrift Von den Juden und ihren Lügen verpestet.

Darin ruft er sogar ausdrücklich zum Verbrennen der Synagogen, von Tora und Talmud, von Häusern der Juden und zu ihrer Vertreibung auf – und legt damit das unselige Fundament für weitere Pogrome gegen Juden in ganz Europa bis hin zur Schoa.

Freundeskreis
Die Sonderausstellung wird von einer kleinen Vortragsreihe umrahmt. Am Donnerstag, den 13. Juli, spricht der neue Vorsitzende des Freundeskreises Jüdisches Museum Rendsburg, Joachim Liß-Walther, um 19 Uhr über »Er verhandelte mit Kaiser und Fürsten – Josel von Rosheim, ›Befehlshaber der Judenschaft im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation‹ und bedeutender Zeitgenosse Luthers«.

Einen Monat später, am 17. August, hält Michael Weise von der Universität Gießen einen Vortrag über »Der ›arische‹ Jesus. Das Eisenacher Entjudungs-Institut und Luthers Anti-Judaismus«.

Die Ausstellung »Ertragen können wir sie nicht – Martin Luther und die Juden« ist bis zum 22. Oktober dienstags bis samstags, 12 bis 17 Uhr, sonntags 10 bis 17 Uhr im Jüdischen Museum Rendsburg, Prinzessinstraße 7–8 zu sehen.

Der Eintritt beträgt fünf, ermäßigt drei Euro.

Weitere Information unter:
www.schloss-gottorf.de/juedisches-museum

Antisemitismus

Gert Rosenthal: »Würde nicht mit Kippa durch Neukölln laufen«

Die Bedrohung durch Antisemitismus belastet viele Jüdinnen und Juden. Auch Gert Rosenthal sieht die Situation kritisch - und erläutert, welche Rolle sein Vater, der Entertainer Hans Rosenthal, heute spielen würde

 01.04.2025

Berlin

»Hans Rosenthal erinnert uns daran, dass jüdisches Leben zu Berlin gehört«

Der Regierende Bürgermeister: »Er überlebte die Schoa nur, weil ihn einige mutige Frauen aus Lichtenberg in einer Schrebergarten-Kolonie versteckten«

 01.04.2025

Magdeburg

Magdeburg erhält 800. Stolperstein

2007 wurde der erste Gedenkstein für den früheren Magdeburger Bürgermeister Herbert Goldschmidt verlegt

 31.03.2025

Berlin

Initiatoren halten an »Drei-Religionen-Kita« fest

Aufgrund von Sparmaßnahmen strich der Senat im vergangenen Dezember die Fördergelder

 31.03.2025

Todestag

Wenn Worte überleben - Vor 80 Jahren starb Anne Frank

Gesicht der Schoa, berühmteste Tagebuch-Schreiberin der Welt und zugleich eine Teenagerin mit alterstypischen Sorgen: Die Geschichte der Anne Frank geht noch heute Menschen weltweit unter die Haut

von Michael Grau, Michaela Hütig  31.03.2025

Berlin

Freundeskreis Yad Vashem: Michalski wird Geschäftsführer

In der neuen Position wolle er dazu beitragen, die herausragende Arbeit von Yad Vashem weithin sichtbar zu machen, sagt der bisherige Direktor von HRW Deutschland

 31.03.2025

Porträt der Woche

In der Rolle aufgehen

Nelly Pushkin hat Mathematik studiert – und ist Rebbetzin aus Leidenschaft

von Brigitte Jähnigen  30.03.2025

Buch

Die Zeit festhalten

Der Fotograf Stephan Pramme hat für die »Objekttage« des Jüdischen Museums Berlin Jüdinnen und Juden in Deutschland porträtiert. Sie zeigten ihm Erinnerungsstücke, die für ihre Familien- und Migrationsgeschichte stehen

von Katrin Richter  30.03.2025

Reportage

Rinderschulter und Pastrami

Im Berliner Westend eröffnen ungleiche Freunde die einzige koschere Fleischerei Deutschlands. Ein Besuch im Kälteschrank

von Mascha Malburg  30.03.2025