»Wir gehen mit vereinten Kräften an die Arbeit«, sagt Benjamin Graumann. Da er und Marc Grünbaum sehr gut und vertrauensvoll miteinander arbeiten können, blicke er zuversichtlich in die Zukunft. Das könne er von ganzem Herzen bestätigen, sagt Marc Grünbaum. »Wir haben viele Übereinstimmungen und Gemeinsamkeiten, und trotzdem wird jeder seine eigenen Akzente setzen, weshalb wir auch eine ideale Ergänzung sind.«
Sie sind als Doppelspitze zu den neuen Vorstandsvorsitzenden gewählt worden. Ein Novum, denn das hat es bisher in der Geschichte der Frankfurter Gemeinde noch nicht gegeben. Beide gehörten bereits in der vorherigen Legislaturperiode dem Vorstand an. Der bisherige Gemeindechef, Salomon Korn, hatte nicht mehr kandidiert.
»Wir möchten neue Impulse setzen, die Sichtbarkeit des jüdischen Lebens gestalten und die Verbindung zur Stadtgesellschaft ausbauen«, meinen Graumann und Grünbaum übereinstimmend. Leider gebe es nach dem 7. Oktober 2023 noch mehr Herausforderungen als früher. »Wie können wir die Zukunft des jüdischen Lebens gestalten?«, darum wird es den beiden Juristen auch gehen.
Am vorvergangenen Dienstag fand die konstituierende Sitzung des neu gewählten Gemeinderats statt, der sich aus 17 Repräsentanten zusammensetzt. Den Vorsitz hatte die neu gewählte Gemeinderatsvorsitzende Miriam Adlhoch. Der Vorstand wird mit Rachel Heuberger, Daniel Korn und Boris Milgram vervollständigt. Graumann, Angehöriger der dritten Generation von Schoa-Überlebenden, wurde vor vier Jahren in den Vorstand gewählt. »Nun wird mit der neuen Doppelspitze ein Generationenwechsel eingeleitet«, sagt er.
Nicht nur der Vorstand sei verjüngt, auch der Gemeinderat. Grünbaum wurde bereits 1995 in den Gemeinderat und 2013 in den Vorstand gewählt. »Ich bin jetzt sozusagen Dienstältester«, sagt der 54-jährige Jurist. »Wir wünschen uns, dass unsere Gemeinde ein Zuhause für unsere Mitglieder ist.«
»Wir möchten neue Impulse setzen, die Sichtbarkeit des jüdischen Lebens gestalten und die Verbindung zur Stadtgesellschaft ausbauen«
Das jüdische Leben soll noch sichtbarer in der Stadt verankert sein.
Graumann ergänzt: »Wir möchten natürlich die Stabilität und Kontinuität beibehalten und gleichzeitig neue, frische Ideen einbringen.«
Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) gratulierte Graumann und Grünbaum zu ihrer Wahl als neue Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Er freue sich, die »bewährte und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Hessischen Landesregierung und der Jüdischen Gemeinde Frankfurt unter der Leitung von Graumann und Grünbaum fortzusetzen«. Die Gemeinde sei ein bedeutender Akteur des kulturellen und religiösen Lebens, sie setze sich aktiv für den interreligiösen Austausch ein. Weiter meint der Ministerpräsident: »Die Entscheidung, erstmals in der Geschichte der Jüdischen Gemeinde Frankfurt eine gleichberechtigte Vorstandsdoppelspitze zu besetzen, zeigt eindrucksvoll den starken internen Zusammenhalt. Gleichzeitig zeugt sie von Mut und Offenheit für innovative Wege.«
In den vergangenen Jahren konnte die Gemeinde ihre Angebote für die Mitglieder stetig erweitern. So wurde beispielsweise ein Familienzentrum eingerichtet und eine Gemeinde-App entwickelt.
Um eines muss sich die Gemeinde keine Sorgen machen, weder schrumpft noch veraltet sie. Im Gegenteil: »Wir sind eine wachsende Gemeinde und möchten sichere Räume für unsere Mitglieder schaffen, die Kita weiter ausbauen und ein größeres Angebot für junge Familien und ihren Nachwuchs anbieten«, sagt der 42-jährige Jurist. »Wir platzen aus allen Nähten.« Die Frankfurter Gemeinde sei die jüngste in Deutschland.
Der Vorstand betonte, er wolle »mit einer gleichberechtigten Doppelspitze, einem starken Vorstand und dem verstärkten Einbeziehen unserer Gemeinderäte unsere Gemeinde voranbringen und stark für die Zukunft machen. Dabei ist uns die Stärkung der jüdischen Identität und des Zusammenhalts besonders wichtig«.
Neben Salomon Korn wird auch Leo Latasch nicht mehr dem Vorstand und dem Gemeinderat der Jüdischen Gemeinde Frankfurt angehören
Ebenso soll das jüdische Leben noch sichtbarer in der Stadt verankert und dabei Kooperationen mit politischen, zivilgesellschaftlichen und interreligiösen Partnern vergrößert werden. »Wir freuen uns, mit dieser neuen Konstellation Vorreiter in der jüdischen Gemeindelandschaft zu sein und darauf mit vereinten Kräften zum Wohle unserer Gemeinde und unserer Stadt Frankfurt zu wirken«, so der neue Vorstand.
Neben Salomon Korn wird auch Leo Latasch nicht mehr dem Vorstand und dem Gemeinderat der Jüdischen Gemeinde Frankfurt angehören, da auch er sich nicht mehr aufstellen ließ. Beide wurden erstmals 1986 in den Gemeinderat gewählt. Salomon Korn gehörte seit 1986 dem Gemeindevorstand an, ab 1999 als Vorsitzender. Leo Latasch war seit 1992 Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt.
Die Gemeinderatswahl fand am 19. September, dem Vorwahltag, und am 29. September, dem Hauptwahltag, statt. Um 00.11 Uhr am 30. September war das Ergebnis offiziell ermittelt: 1664 Stimmen entfielen auf Benjamin Graumann, 1497 Stimmen auf Marc Grünbaum. Die Wahlbeteiligung lag bei 44,87 Prozent. In seiner ersten Sitzung wählte der Gemeinderat neben dem Gemeinderatsvorsitz den Vorstand, der wiederum den beziehungsweise die Vorstandsvorsitzenden wählt. Auf der Facebook-Seite der Gemeinde wurden bereits zahlreiche Glückwünsche gepostet.