Wenige Tage nach dem Beginn von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine beschloss Alexandra Mendelez, dass sie Geflüchteten helfen möchte. Damals kamen Tausende nach Deutschland – und gleichzeitig brauchten die Menschen, die in den Orten in ihrer Heimat ausharren wollten, materielle Unterstützung.
Gedacht, getan. In den Räumen einer leer stehenden Disco in Berlin richtete sie eine Annahmestelle ein, postete es in den sozialen Medien und konnte sich vor Unterstützung und Nachfrage kaum retten. Berliner engagierten sich mit Sachspenden und ihrem Willen, mit anzupacken, Flüchtlinge kamen, um sich mit etwas Kleidung, Schuhen, Nahrung und Getränken einzudecken. In Windeseile wurden Transporte nach Polen organisiert, an dessen Grenze die Spenden umgeladen wurden, um in die Ukraine zu gelangen. Auf dem Rückweg wurden Flüchtlinge mitgenommen.
Kidsclub »Ein paar Monate später musste ich die Annahmestelle schließen, denn die Disco wurde saniert«, sagt Alexandra. Das hatte sie schon zu Beginn gewusst. Doch sie wollte damals nicht tatenlos sein – und heute auch nicht. »Ich möchte nun Flüchtlingen vor Ort, hier in Berlin, helfen«, sagt die Mutter eines kleinen Sohnes. Und sie eröffnete eine Begegnungsstätte, den Nanos Kidsclub 1022, für Kinder mit Migrationshintergrund, speziell für ukrainische Flüchtlingskinder und ihre Mütter.
Der Kidsclub verfügt über 300 Quadratmeter, darunter gibt es einen Ruheraum, ein Sportzimmer, ein Kino und Platz für die Verwaltung. Zusammen mit Maria Köster, die in diesem Bereich erfahren ist, entstand diese Idee, und gemeinsam konnten sie sie umsetzen. 20 Kinder finden hier einen Platz und können so eine Alltagsstruktur erfahren. Ende Februar ist es nun so weit, da wird der Kidsclub in Wilmersdorf eröffnet.
Nun wurden fünf Erzieherinnen eingestellt, die sich um die Kids kümmern. Aber auch die Mütter sollen aufgefangen werden. »Wir wollen sie unterstützen, sie zum Jobcenter begleiten, helfen, eine Wohnung zu finden, und auch psychologisch betreuen.« Noch sind sie auf private Spenden angewiesen, mittlerweile haben sie finanzielle Unterstützung beim Senat beantragt.
Charkiw Hilfslieferungen plant sie immer noch – aber nicht mehr als Annahmestelle, wo jeder Spenden vorbeibringen kann. Einmal wöchentlich fährt ein Transporter im Auftrag ihrer gegründeten Organisation »Nanos Nation« nach Charkiw. Im Vorfeld ist sie mit dem Bürgermeister der Stadt in Kontakt und bekommt von ihm eine Liste mit dringend benötigten Gütern. Auch die Klinik teilt ihr mit, was fehlt. »Diese Woche sind es Rollstühle und Pflegebetten«, sagt Alexandra.
Die private Spendenbereitschaft sei abgeflaut, sie setzt nun auf die finanzielle Unterstützung von Firmen. Aber die WhatsApp-Gruppe, der die Helfer von vor einem Jahr angehören, gibt es noch, und sie weiß, wenn Not ist, würden viele kommen, um zu helfen.
Auch die WhatsApp-Gruppe von Boris Reznik ist noch aktiv. In ihr werden Infos ausgetauscht und Gegenstände angeboten. Er hatte ebenfalls rasch eine Annahmestelle in seinem Lager in Reinickendorf eingerichtet. Am Anfang war sie sehr frequentiert. Doch nach sechs Monaten hat er sie weitestgehend geschlossen, und mittlerweile agiert er nur noch auf Zuruf, wenn es um konkrete Dinge geht. Eines hat er gelernt: Am besten ist es, mit einer Organisation zusammenzuarbeiten. Er hat sich für »Myrne Nebo / Peaceful Heaven of Kharkiv« entscheiden. »Da weiß ich, dass alles korrekt läuft.«
»Es erreichen uns immer noch Flüchtlinge aus der Ukraine, von denen manche gar nichts dabeihaben«, so Irina Grinberg, Büroleiterin der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden. Deshalb seien die ehrenamtlichen Helfer immer noch in der Annahmestelle im Einsatz, und sie selbst sei ebenfalls sonntags oft dabei. Sie habe ein Gespür dafür entwickelt, ob die Menschen sprechen wollen oder nicht. »Wenn jemand lange Zeit im Keller gesessen hat, möchte derjenige lieber nichts erzählen.«
Bettzeug Etliche Flüchtlinge, die erst einmal in Deutschland bleiben möchten und nun in eigene Wohnungen ziehen, suchen auch die Annahmestelle auf, denn sie brauchen Pfannen, Töpfe, Bettzeug und Möbel. Ebenfalls gefragt seien warme Kleidung, Schuhe und Elektrogeräte.
Und auch die Spender seien aktiv: »Fast täglich rufen auch nichtjüdische Leute an, um etwas zu bringen, meistens kommen sie aus Baden-Baden, Gernsbach, Gaggenau«, sagt Irina Grinberg. Und auch die Gemeindemitglieder bringen Sachspenden in die Fürstenbergallee, wo eine Garage als Lager genutzt wird. Ferner kümmern sie sich nach wie vor um Transporte mit Spenden für die Menschen in der Ostukraine. »Dort erreichen unsere ehrenamtlichen Helfer Orte, die nur wenige Kilometer von der Front entfernt sind.«
Nun kümmern sich die Mitarbeiter auch um die Erdbebenopfer. »Wir arbeiten sehr aktiv mit der Muslimischen Gemeinde in Rastatt zusammen. Als die Nachricht über die Erdbeben in der Türkei hier publik wurde, habe ich sofort die Kollegin angerufen und unsere Hilfe und Dinge angeboten. Denn seit dem ersten Tag des Krieges unterstützt uns die Muslimische Gemeinde aus Rastatt sehr aktiv mit Spenden.«