Bombastisch.» Ein Wort reicht Marcel Vilner aus, um das Mini-Machane zu beschreiben, das um die Jewrovision herum stattfindet. Und Marcel muss es wissen. Seit er neun war, reist der heute 14-Jährige jedes Mal mit, um Tänzer und Sänger seines Jugendzentrums «Olam» aus Berlin anzufeuern. «Ich kann es kaum erwarten, meine Freunde aus ganz Deutschland wiederzusehen», sagt der Schüler.
QuARTIERE Aus 50 jüdischen Gemeinden kommen diesmal Kinder und Jugendliche zum ausgebuchten Mini-Machane nach Köln. Mehr als 1000 Kinder aus 50 Gemeinden werden erwartet. Drei Quartiere mussten angemietet werden, heißt es beim Veranstalter, dem Zentralrat der Juden in Deutschland. Anmeldeschluss war bereits am 11. Januar.
Bei Marcel wächst seit Wochen die Vorfreude – er hofft auch, neue Freunde kennenzulernen: «Wir sehen uns zweimal im Jahr, beim Mini-Machane und den Machanot im Sommer.» Mit seinen Freunden tauscht er sich viel aus, vor allem über Mädchen, Musik und Fußball, sagt der Hertha-Fan. Auf die Bühne dagegen habe es ihn nie gezogen. Marcel möchte die Atmosphäre lieber «ohne Stress» genießen.
Programm Nicht nur Marcel, sondern auch viele andere Jugendliche, die sich für das kommende Wochenende angemeldet haben, kennen sich bereits von den Sommer-Machanot der ZWST. Das Mini-Machane dauert nur drei Tage, dafür ist das Programm umso intensiver: Freitags wird zusammen Kabbalat Schabbat gefeiert. Zu Fuß brechen alle aus ihren Quartieren auf, um eine Synagoge zu besuchen. Die Verpflegung ist natürlich koscher. Am Schabbat können die Teilnehmer Kölner Sehenswürdigkeiten besuchen, und es werden Workshops zu jüdischen Themen angeboten.
Allerdings sind die Bühnenakteure der Jewrovision dann schon nicht mehr dabei. Bereits am Nachmittag beginnen am Ort der Aufführung die ersten Proben. Abends steigt der Wettbewerb, an den sich die After- Show-Party anschließt. Am Sonntag gibt es traditionell einen Fototermin, bevor alle wieder nach Hause fahren.
«Dieses Mal möchte ich das Team meines Jugendzentrums Neshama anfeuern», sagt Misha Ushakov. In den vergangenen fünf Jahren habe er immer den Act mitgestaltet, aber bei dieser Jewrovison startet ein neues Team aus München. Er sei sehr gespannt, wie es ist, nur Zuschauer zu sein. Der 16-Jährige freut sich auf das Wochenende – und auf das Treffen mit seinen Freunden: «Wir sehen uns so selten, meistens zweimal im Jahr. Da will ich die Zeit auskosten», meint der Münchner. Zum ersten Mal kann er auch den Samstag ganz entspannt erleben, denn er muss sich nicht auf den Wettbewerb vorbereiten.
Wiedersehensfreude Freitags ist die Wiedersehensfreude bei jedem Mini-Machane groß. Am Samstag wächst dann die Spannung – «man spürt, dass die Performer intensiv an den Wettbewerb und ihren Auftritt denken», sagt Mary Brunck, Leiterin des Jugendzentrums Jachad. Etwa 65 Kölner haben sich für das Mini-Machane angemeldet, davon stehen 30 auf der Bühne. «Aber wir hoffen natürlich, dass 200 bis 300 Besucher, auch Eltern, in die Halle kommen», sagt Brunck, die früher schon für Berlin im Einsatz war. Seit eineinhalb Jahren leitet sie Jachad.
Sofiy Pavlenko stand im vergangenen Jahr als Sängerin für München auf der Bühne. «Wir waren mehr unter uns, ich habe nicht so viele aus anderen Städten kennengelernt», sagt die 15-Jährige. Es war ihr erstes Mini-Machane. Den Schabbat konnte sie noch genießen, aber am nächsten Tag wurde sie zunehmend aufgeregter.
Diesmal seien auch wieder gute Münchner Freunde mit von der Partie. Sofiy freut sich sehr auf die Stadt Köln: «Da war ich noch nie.» Aber wahrscheinlich wird sie nicht allzu viel sehen. Wenn ihre Freunde auf Sightseeing-Tour sind, beginnt für sie in der Halle bereits die Generalprobe.
Ehemalige Das Jewrovision-Fieber haben auch noch Ehemalige. Die erste Jewrovision in Bad Sobernheim, 2002, hatte Simon Sabiers aus Köln verpasst. Damals kamen 120 Kinder zum Mini-Machane, und Kids aus sechs Jugendzentren traten beim Song Contest an. Bei der zweiten Jewrovision war der heute 24-Jährige schon mit dabei.
Bis vor drei Jahren ist er immer noch zum Mini-Machane mitgefahren, erst als Teilnehmer, später als Betreuer: «Ich bin als Sechsjähriger ins Jugendzentrum Jachad gegangen und habe dort meine Kindheit verbracht.» Nun möchte er mit alten Freunden und den Jugendlichen den Schabbat feiern. «Es kommen Leute aus anderen Städten, man kann neue Talente entdecken, und die Show ist sehr schön», findet der Kölner.
Chuppa Und manchmal bahnt sich bei der Jewrovision auch an, wovon die meisten jüdischen Eltern träumen: Sarah Neumann, Jugendreferentin in Hessen, kam vor neun Jahren aus ihrer Heimat Israel nach Berlin. Dort besuchte die heute 29-Jährige zum ersten Mal die Jewrovision. Beim Mini-Machane fiel ihr ein junger Mann auf: Sivan. In diesem Mai werden Sarah und Sivan Neumann nun unter der Chuppa stehen. Über einen gemeinsamen Nachnamen brauchen die beiden gar nicht zu diskutieren – denn sie haben jetzt schon den gleichen.