Bei den Ermittlungen zu dem zerstörten Fenster in der Synagoge von Hannover gibt es bislang noch keine neuen Erkenntnisse. Das hat eine Sprecherin der städtischen Polizei der Jüdischen Allgemeinen bestätigt.
Während des Gottesdienstes an Jom Kippur war in der Synagoge eine Scheibe zu Bruch gegangen. Da Verdacht auf eine mutwillige Fremdeinwirkung und damit auf eine politisch motivierte Straftat besteht, nahm der Staatsschutz des Landes Niedersachsen die Ermittlungen auf.
schaden »Die Absuche vor Ort wurde abgeschlossen«, erläuterte die Polizeisprecherin. Dabei sei kein Wurfgeschoss gefunden worden, das für den entstandenen Schaden hätte verantwortlich sein können. Nach dem Vorfall stand schnell die Vermutung im Raum, ein Täter hätte einen Stein gegen die Scheibe auf Höhe der Frauenempore der Synagoge geworfen. Die Ergebnisse der Polizeiarbeit erhärten diese These bisher nicht.
»Die Scheibe wird nun kriminaltechnologisch untersucht«, beschrieb die Sprecherin die nächsten Schritte. Das Glas werde dabei auch auf DNA-Spuren untersucht. Möglich sei auch, dass der Schaden durch einen Vogel oder eine Kastanie entstanden sei. Die Sprecherin betonte jedoch, dass die Polizei eine mutwillige Einwirkung durch einen Dritten nach wie vor nicht ausschließt. Der Staatsschutz bleibe weiterhin eingebunden, da die Behörde bei jedem mutmaßlichen Angriff auf eine jüdische Einrichtung automatisch eingeschaltet werde.
Zu dem Zeitpunkt des Vorfalls befanden sich zwischen 150 und 200 Menschen in der Synagoge. Als das Glas zerbarst und im Betsaal ein gut hörbares Klirren vernehmbar war, dachten viele unweigerlich an einen Terroranschlag. An Jom Kippur vor drei Jahren hatte ein Attentäter in Halle versucht, in die dortige Synagoge einzudringen. Als ihm das misslang, erschoss er zwei Menschen unweit des Gotteshauses.
schock Michael Fürst, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Hannover sowie des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, sagte dieser Zeitung: »Wenn es tatsächlich ein Anschlag war, wäre das für uns natürlich ein Schock. Es hat weder auf die Synagoge in Hannover noch auf andere jüdische Einrichtungen in Niedersachsen seit dem Zweiten Weltkrieg Anschläge gegeben. Dies wäre also der erste Vorfall seiner Art.«
Der Gemeinderabbiner von Hannover, Shlomo Afanasev, betonte im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen: »Es ist wirklich nicht klar, was genau passiert ist.« Dass ein Vogel verantwortlich sein könnte, hält er aber für unwahrscheinlich. »In 60 Jahren ist noch nie ein Vogel gegen die Scheiben geflogen«, sagte er. Es sei ein zu großer Zufall, dass das ausgerechnet während des Gottesdienstes an Jom Kippur passieren soll.
Seit dem Bruch der Scheibe sei wieder Ruhe in der Gemeinde eingekehrt, so der Rabbiner. »Wenn man Schlagzeilen liest, ist alles schlimmer, als wenn man es selbst erlebt.« Er mache sich aber Sorgen, dass sich der Vorfall negativ auf die Besucherzahlen bei den Gottesdiensten auswirken könnte. »Nach Corona war es ohnehin schwierig, Menschen in die Synagoge zu kriegen.«
Die regelmäßigen Besucher seien zu den Sukkot-Gottesdiensten aber gekommen. Die Botschaft des Rabbiners an seine Gemeinde lautet: »Hier ist es nicht gefährlicher als in anderen Städten in Deutschland.« mth/js