Das Schockergebnis ist ausgeblieben. Sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg haben die etablierten Parteien die Wahl gewonnen. Dennoch ist Nora Goldenbogen entsetzt über das Wahlergebnis in Sachsen. »In manchen Kreisen hat die AfD bis zu 50 Prozent der Stimmen geholt. Das ist äußerst besorgniserregend«, sagt die Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischer Gemeinden.
Sie weist darauf hin, dass die Partei hohe Gewinne in den einstigen Hochburgen der NPD erzielt hat. »Heute trauen sich mehr Leute, die AfD zu wählen. Wir dürfen nicht übersehen, dass wir ein großes Rechtsextremismusproblem haben.«
Nur aus Frust und Unzufriedenheit dürfe man keine rechtsextreme Partei wählen. Sie wisse um die Probleme im Land: Bus- und Bahnverkehr, Kohle, die Schwierigkeiten, den Alltag zu bewältigen, sagt Goldenbogen. Die Wähler hätten eine Verantwortung. »Die Hauptgefahr ist der organisierte Rechtsextremismus, der fast salonfähig geworden ist«, meint Goldenbogen. Ihm müsse jeder einzelne Wähler begegnen, aber auch die jüdische Gemeinschaft sei hier gefordert, ergänzt die Landesvorsitzende.
Koalitionspartner Hochachtung verdiene, und dies betont Goldenbogen besonders, Ministerpräsident Michael Kretschmer. Und damit verbinde sie auch, dass er die kommenden Koalitionspartner mitziehe, mit positiven Auswirkungen für die jüdische Gemeinschaft. »Jeder kann sich engagieren und etwas verändern, das ist zwar manchmal etwas mühselig, aber es geht.«
Die wenigsten Wähler haben das Programm der AfD gelesen, sagt Landesrabbiner Zsolt Balla.
Sachsens Landesrabbiner Zsolt Balla, der im Vorfeld der Wahlen auf das Programm der AfD aufmerksam gemacht hatte, äußerte sich zögerlich zum Ausgang der Wahlen. Er gehe nicht davon aus, dass Wähler der rechtspopulistischen Partei das Programm gelesen haben. »Viele lassen sich doch recht emotional beeinflussen und wählen eher impulsiv«, sagt Balla. Die »Alternative für Deutschland« hatte sich in ihrem Programm eindeutig für ein Verbot des Schächtens wie auch der Beschneidung ausgesprochen und damit jüdisches Leben im Kern bedroht.
Gegenwind Er hoffe nach dem Wahlergebnis, dass die AfD im Landtag selbst nicht laut genug gehört werde und die demokratischen Parteien verstehen lernen, wie sie den Menschen und ihren Problemen näherkommen. »Keine demokratische Partei kann sich in den nächsten fünf Jahren zurücklehnen. Die rechten Stimmen sind stärker geworden, und wir müssen alles daransetzen, dass es nicht so bleibt«, sagte der Landesrabbiner.
Die Chemnitzer Gemeindevorsitzende Ruth Röcher zeigt sich nach der Wahl »doch ziemlich erleichtert. Die CDU ist auf Platz eins und nicht die AfD, das ist zwar noch lange nicht gut, doch sehr viel besser«. Darüber hinaus freue sie sich, dass die AfD in Chemnitz kein Direktmandat erzielt habe.
Sie sei sich bewusst, dass nach dem Ergebnis die Regierungsbildung in Sachsen äußerst kompliziert werde, doch sie vertraue den Worten Michael Kretschmers, sich an seine Aussagen zu halten. »Jetzt hat die Regierung fünf Jahre Zeit, den Wählern zuzuhören und ihre Probleme anzugehen. Wenn die Regierung fünf Jahre gut arbeitet, haben wir danach vielleicht gar nicht mehr das Problem mit der AfD.«
hemmungen Peter Schüler, Leiter der Fachstelle Antisemitismus beim Land Brandenburg, zeigte sich zunächst erleichtert über das Wahlergebnis: »Es ließ mich zunächst aufatmen, die schlimmsten Befürchtungen sind nicht wahr geworden.«
Es werde wohl eine Koalitionsregierung unter Führung der SPD geben, mutmaßt Schüler. »Die AfD ist nicht stärkste Fraktion geworden. Trotzdem erschreckt und besorgt mich, dass fast ein Viertel der Wähler einer Partei die Stimme gegeben hat, die in meinen Augen mitverantwortlich dafür ist, dass die Hemmungen, antisemitische und rassistische Haltungen zu äußern, zunehmend fallen.«