Eine goldene Möbiusschleife schmückt den Baum auf dem Pausenhof. Sie hat keinen Anfang und kein Ende, ist in sich geschlungen und glänzt zwischen den Ästen. Das Unendlichkeitsband aus Messing und Blattgold ist das erste Kunstwerk, das künftig in Rosenheim an die Opfer des NS-Terrors erinnern soll.
Installiert wurde die Schleife von Künstlerin Christiane Huber an der Städtischen Mädchenrealschule Rosenheim. Eingraviert ist der Name von Elisabeth Block (1923–1942), einer ehemaligen Schülerin der Realschule, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nicht mehr zum Unterricht gehen durfte und im Alter von 19 Jahren von den Nationalsozialisten ermordet wurde.
adresse Am Mittwoch vergangener Woche wurde das erste Zeichen des »Rosenheimer Wegs« enthüllt und gleichzeitig die neue Anschrift der Mädchenrealschule eingeweiht. Ab nun ist die Adresse der mehr als 100 Jahre alten Schule der Elisabeth-Block-Platz 1. Zur Feier waren Vertreter der Stadt, Ehrengäste und die Schülerinnen anwesend. Weil der Platz auf dem Schulhof nicht ausreichte, schauten die Mädchen zum Teil aus den Fenstern ihrer Klassenzimmer zu.
Weitere Erinnerungsschleifen für die Opfer des Nationalsozialismus sollen ab kommendem Jahr eingeweiht werden.
»Lisi war unsere Schülerin, aber sie steht auch beispielhaft für viele Millionen Menschen«, sagte die Schulleiterin Magdalena Singer. Für den Tag hatte sie mit ihren Lehrkräften seit Wochen einen Plan: »Wir hatten ein Ziel: Die Mädels sollten bis zu dem Zeitpunkt wissen, wer Elisabeth Block war.« Die 700 Jugendlichen konnten auf unterschiedliche Weise die ehemalige Schülerin der Mädchenrealschule kennenlernen. In einer ihr eigens gewidmeten Schulstunde lasen sie Tagebucheinträge, hörten ein Hörspiel, in dem ihr Leben vertont wurde, und bemalten Steine, die sie zum Gedenken unter den Baum mit der Möbiusschleife legten.
»Der Grund, warum Lisi nicht ihren Abschluss an dieser Schule machen durfte, ist ein unendlich trauriger«, sagte Schulleiterin Singer. »Die Erinnerung soll uns wachsam halten, dass Ähnliches nie wieder passieren kann. Das ist nicht nur die Aufgabe des Geschichtsunterrichts in den Schulen – es ist die Aufgabe der Gesellschaft.«
naziterror Auch der 2. Bürgermeister Daniel Artmann (CSU), der den erkrankten Oberbürgermeister Andreas März (CSU) vertrat, machte in seiner Ansprache deutlich: »Es ist unsere Pflicht, den Naziterror nicht zu vergessen und dafür zu sorgen, dass er sich niemals wiederholen kann.«
»Alles hat seine Zeit, alles hat seine Stunde«, sagte Singer bei der Gedenkveranstaltung am Mittwoch.
Sie freue sich, die Schule nun unter einer neuen Adresse zu leiten, und sei dankbar dafür, wie in Rosenheim an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert wird. Der Frage, wie die Gedenkzeichen in Rosenheim aussehen sollten, war eine lange Diskussion vorausgegangen. Der Stadtrat lehnte die Verlegung von Stolpersteinen ab und orientierte sich somit an der Position der IKG und ihrer Präsidentin Charlotte Knobloch.
Weitere Erinnerungsschleifen für die Opfer des Nationalsozialismus sollen ab kommendem Jahr eingeweiht werden, so der Rosenheimer Kulturreferent Wolfgang Hauck. Auf diese Weise soll gemeinsam mit der Stadtgesellschaft und örtlichen Institutionen ein lebendiger Rosenheimer Erinnerungsweg bestritten werden.