Jom Haschoa

Erinnerungen im Wohnzimmer

Alle interessierten Zuhörer waren über die Plattform »Zoom« aus ihren heimischen vier Wänden per Videochat zugeschaltet. Foto: Jerome Lombard

Es war ein ganz besonderes Zeitzeugengespräch am gestrigen Montagabend. Der 80-jährige Schoa-Überlebende Dirk »Dicky« Adler hatte in sein Wohnzimmer in Wien eingeladen, um über sein Überleben in der NS-Zeit zu sprechen.

Wegen der Corona-Pandemie fand das Gespräch aber nicht physisch in der österreichischen Hauptstadt statt. Alle interessierten Zuhörer waren über die Plattform »Zoom« aus ihren heimischen vier Wänden per Videochat zugeschaltet.

Claims conference Organisiert wurde die digitale Zusammenkunft von der Jewish Claims Conference anlässlich des israelischen Holocaustgedenktags Jom Haschoa, der in diesem Jahr auf den 21. April fällt.

Vorbild für den Austausch lieferten die Gespräche im sogenannten Zikaron BaSalon-Format (hebräisch: »Erinnerung im Wohnzimmer«), bei denen sich seit 2010 weltweit Tausende Menschen zusammenfinden, um sich in einem persönlichen Rahmen über die Vergangenheit und  ihre Bedeutung für Gegenwart und Zukunft zu unterhalten.

»Auch am diesjährigen Jom Haschoa ist es uns ein wichtiges Anliegen, einen Beitrag für die Erinnerung an die Millionen Opfer des Holocausts zu leisten«, sagte Rüdiger Mahlo von der Claims Conference. »Insbesondere in der aktuellen Situation der Covid-19-Pandemie wollen wir an die Überlebenden der Schoa denken, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters zur Risikogruppe gehören und die aufgrund von Isolation und dem Abbruch sozialer Kontakte mit ihren oft traumatisierenden Erfahrungen alleine sind.«

Der Leipziger Rabbiner Zsolt Balla sprach das El Male Rachamim.

Rund 60 Menschen hatten sich zu dem digitalen Zeitzeugengespräch zugeschaltet. Unter ihnen war auch der israelische Botschafter in Österreich, Mordechai Denis Rodgold, sowie der sächsische Landesrabbiner Zsolt Balla.

»Familien in Israel und der ganzen Welt, die Angehörige in der Schoa verloren haben, können in diesen Tagen nicht wie sonst üblich physisch zusammenkommen«, sagte der Botschafter. Umso wichtiger sei es, den virtuellen Raum zu nutzen, um gemeinsame Momente möglich zu machen. Im Gedenken an Adlers Eltern, die 1942 in Auschwitz ermordet wurden, sprach Rabbiner Zsolt Balla das El Male Rachamim.

Videokonferenz Für den Zeitzeugen Dirk »Dicky« Adler war es das erste Mal überhaupt, dass er per Videokonferenz über seine Erlebnisse berichtete. »Mir ist wichtig, alles dafür zu tun, dass sich so etwas Schreckliches wie die Schoa nicht wiederholt«, sagte er. Bis heute könne er nicht verstehen, wie die Schoa möglich werden konnte.

Adler wurde 1940 im Amsterdam geboren und als Kleinkind während der Schoa in Holland bei einer fremden Familie versteckt. Wie seine Eltern war auch er für die Deportation nach Auschwitz vorgesehen. Doch seine Tarnung hielt. Adler überlebte die nationalsozialistische Herrschaft. 1946 kam er mit einem Schiff nach England. In London lebten Verwandte von ihm.

»Ich habe praktisch keine Erinnerungen an meine leiblichen Eltern«, sagte Adler.

Nach nur einem Jahr wechselte der junge Adler abermals die Familie. Dieses Mal ging es zu seiner Tante und seinem Onkel nach Palästina, die mit dem Jungen nach Kolumbien auswanderten. »Ich habe praktisch keine Erinnerungen an meine leiblichen Eltern«, sagte Adler. »Dafür hatte ich in meinem Leben aber immerhin gleich drei Mütter und drei Väter.«

Triumph Als Teenager mit 16 Jahren verschlug es ihn von Bogota nach Israel, wo er sieben Jahre als Berufssoldat verbrachte. Im Anschluss zog Adler nach Wien. Dort lernte er seine Frau Jutti kennen, mit der er eine Familie gründete.

»Meine Familie ist mein Triumph über die Nationalsozialisten«, sagte Adler, der sich in Wien als Zeitzeuge engagiert und vor Schulklassen spricht. Der jungen Generation gab Adler mit auf den Weg: »Glaubt nicht alles, was man euch vorlegt. Stellt Fragen und hakt eifrig nach!«

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