Am 10. Mai sollten sie offiziell der Öffentlichkeit in Garz präsentiert werden: die drei Stolpersteine für Thekla Cohn, ihren Mann Arthur und dessen Sohn Ludwig. Seit der Nacht zum 3. Mai sind sie nicht mehr zu erkennen. Unbekannte haben dunkle, dickflüssige Farbe darüber gegossen.
In der 35 Kilometer entfernten Hafenstadt Sassnitz wurden gleichzeitig 15 Stolpersteine geschändet. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Volksverhetzung und Sachbeschädigung und sieht einen Zusammenhang zwischen den Aktionen. In Sassnitz geschahen solche Schändungen schon häufiger, es wurden sogar Stolpersteine ausgegraben und gestohlen.
Neuverlegung Sigismund von Schöning, einer der Aktiven in der Gedenkarbeit in Garz, der die geplante Neuverlegung in diesem Mai mitinitiiert hatte, wurde von einer Nachbarin darauf aufmerksam gemacht, dass die Steine »geschwärzt« waren. »Ich bin, wir sind erschüttert«, sagt der emeritierte Gemeindepfarrer zur Situation vor dem evangelischen Gemeindehaus. In Sichtweite des ehemaligen Wohn- und Geschäftshauses waren die Steine ins Pflaster eingelassen, weil die neuen Besitzer des Cohn’schen Hauses ihre Genehmigung für die Verlegung verweigert hatten.
Bekannt war das Ehepaar Cohn für sein soziales Engagement.
Cohn, der ein Textilgeschäft in der Ortsmitte von Garz betrieb, war Witwer und hatte aus erster Ehe einen Sohn, Ludwig, der in Berlin lebte. 1930 hatte er Thekla Bernstein geheiratet, eine Witwe, die aus Hameln stammte und Tochter einer großen Kaufmannsfamilie war. Eine der Schwestern war in Lüdenscheid mit einem angesehenen Geschäftsmann verheiratet. Als Pfarrer von Schöning die Stolpersteine einsetzen ließ, war vieles aus dem Schicksal der Familie von Arthur Cohn, der 1937 starb, noch unbekannt und wurde erst nach und nach recherchiert.
Das Textilgeschäft des in Anklam geborenen Kaufmanns war für seine preiswerten Stoffe beliebt. Bekannt sei das Ehepaar Cohn zudem für sein soziales Engagement gewesen. Sonntags wurde an Bedürftige kostenloses Essen verteilt, notwendige Kleidung erhielt auch derjenige, dessen Geldbeutel leer war. Einkaufsrabatte gab es für Kunden, die sich keine großen finanziellen Sprünge erlauben konnten.
Deportation Nach dem Tod ihres Ehemannes hatte Thekla Cohn das Textilgeschäft weitergeführt. Als ein Mob am 9. November 1938 den Laden zerstörte, konnte sie sich mithilfe mutiger Bürger der Ortschaft retten und Rügen mit dem Zug verlassen. Mit ihrer Schwester war sie in Lüdenscheid, später in Düsseldorf gemeldet. Von dort wurde Thekla Cohn im November 1941 und ihre Schwester Else Bernstein im Mai 1942 in den Tod deportiert.
Als Garzer Bürger und Sigismund von Schöning noch entsetzt um die verschmierten Stolpersteine standen, kam ein Paketbote. Er brachte die neuen Stolpersteine, die jetzt eingesetzt werden sollen. »Wir lassen uns nicht einschüchtern«, betont von Schöning.