Wer einmal die Überlebenden Inge Auerbacher oder Margot Friedländer hat erzählen hören von Erniedrigung, Verfolgung und Tod, der wird das Grauen des Holocaust wohl nicht mehr vergessen. Aber was, wenn die Zeitzeugen nicht mehr da sind? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine neue Ausstellung im Centrum Judaicum in Berlin, die an diesem Mittwoch eröffnet wird.
»Das Ende der Zeitzeugenschaft« beleuchtet, wie viele unterschiedliche Zeugnisse von Überlebenden der Schoa es aus verschiedenen Zeiten gibt - von Augenzeugen, die direkt nach der Befreiung der NS-Konzentrationslager befragt wurden; von Tatzeugen, die in den NS-Prozessen der 1960er-Jahre aussagten; und von Zeitzeugen, die schon in fortgeschrittenem Lebensalter versuchten, die Erinnerung wachzuhalten. Die Ausstellung versucht auch, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen: Wie wurden die Menschen befragt, wie wurden die Gespräche präsentiert, ganz oder in Ausschnitten?
»Das sind subjektive Wahrheiten«, sagte die Kuratorin Anika Reichwald vom Jüdischen Museum Hohenems, die die Ausstellung entworfen und mit dem Centrum Judaicum für Berlin adaptiert hat. »Das Schweigen gehört zum Erzählen dazu.« Aus dieser Vielfalt wird deutlich: Das Erinnern ist auch mit Zeitzeugen eher ein Mosaik, ein Puzzle unterschiedlicher Eindrücke.
Wie es sich ohne die Zeitzeugen verändern wird, wisse man heute nicht, sagte Reichwald. Doch gebe es inzwischen weltweit eine »wahnsinnige Menge von Zeugnissen«, also aufgezeichnete Interviews, nach ihrer Schätzung eine fünfstellige Zahl. Wer sich dem stellt, kann das Grauen auch künftig erfahren. Das Erinnern künftiger Generationen werde anders sein, sagte Anja Siegemund, Direktorin des Centrum Judaicum. »Die Dinge werden sich ändern, sie ändern sich ständig.«