Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) hat für Sonntag und Montag alle Termine in seinem Kalender geblockt.
Irgendwann in dieser Zeit wird im »Al-Faisaliah«-Hotel in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad die Bewerbung Erfurts um den Eintrag in die Liste des Weltkulturerbes verhandelt. Bausewein hat eine städtische Delegation eigens dafür in die saudische Wüste geschickt.
Livestream Er selbst will sich die Entscheidung mit möglichst vielen Erfurtern per Livestream im Ratssaal anschauen. »Ich hoffe, wir schaffen es«, sagt das Stadtoberhaupt. »Der Welterbetitel würde Erfurt zusätzlich adeln und uns so viel bedeuten.«
Konkreter will sich der Kommunalpolitiker nicht zu seinen Erwartungen äußern. Seine städtische Beauftragte für das Erfurter Unesco-Weltkulturerbe, Maria Stürzebecher, hat die Devise ausgegeben, die Entscheider im fernen Riad nicht mit allzu viel Siegesgewissheit unter Druck zu setzen und möglicherweise zu verärgern, heißt es aus dem Rathaus. Dabei würde schon ein Blick auf die geübte Praxis der bisherigen Entscheidungen Anlass zu durchaus konkreteren Hoffnungen geben. Wessen Antrag unter dem Tagesordnungspunkt »Nominierungen für die Welterbeliste« aufgerufen wird, hat es so gut wie geschafft.
»Das Welterbe-Komitee folgt den Empfehlungen seiner Beratungsorganisationen in der Regel, wenn auch nicht immer«, teilte die Deutsche Unesco-Kommission dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage mit. Schon im Vorfeld bemühe sich das Gremium um Konsens. Daher gingen den Entscheidungen, ob einer Aufnahme zugestimmt werde oder nicht, intensive Diskussionen voraus.
empfehlung Liege zur entscheidenden Sitzung des Komitees »eine eindeutige Empfehlung zur Aufnahme einer Stätte seitens der Beratungsorganisationen vor, folgt das Komitee dem in aller Regel«.
Genau das ist vor sechs Wochen geschehen: Icomos, der internationale Rat für Denkmalpflege, hat für das jüdisch-mittelalterliche Erbe in Erfurt seine Empfehlung ausgesprochen.
Volle 14 Jahre haben Maria Stürzebecher und ihr Team an der Bewerbung um die Aufnahme der Alten Synagoge, der Mikwe und des sogenannten Steinernen Hauses ins Weltkulturerbe gearbeitet . Alle drei Bauwerke sind in ihrer Art einzigartig für die mitteleuropäische Geschichte. So sticht etwa die Alte Synagoge aus dem 11. Jahrhundert als eine der größten und am besten erhaltenen Synagogen dieser Zeit heraus. Vergleichbare Bauten sind entweder zerstört und wieder aufgebaut oder nur in deutlich geringerem Umfang noch original erhalten.
Solitär Auch die 2010 ausgegrabene Mikwe sei in ihrer Art einzigartig, argumentieren die Bewerber: Das jüdische Ritualbad aus dem 13. Jahrhundert verfüge über eine Bauform, für die es bislang keine Parallele gebe. Die Qualität der Ausführung sei außerordentlich.
Und auch ein nahe gelegenes Wohnhaus, das einem mittelalterlichen Eigentümer zugeordnet werden könne, verfüge über außergewöhnlich viel Substanz, die noch aus der Erbauungszeit von 1250 stamme. Bei dem »Steinernen Haus« handele es sich um ein herausragendes Zeugnis spätmittelalterlicher profaner Baukultur, das die beiden Ritualbauten in der Unesco-Bewerbung ergänze.
Miteinander Der 1998 in der Altstadt ausgegrabene Erfurter Schatz, die noch erhaltenen hebräischen Handschriften und zahlreiche geborgene Grabsteine ergänzten diese Bauzeugnisse. Alles zusammen bilde einen Beleg für das Miteinander von Christen und Juden während des Mittelalters. Ein Miteinander, das übrigens - darauf weist der Chef der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Reinhard Schramm, hin - bis heute andauere.
Auch er hofft auf einen Erfurter Erfolg: »Ich weiß um die harte Arbeit aller Beteiligten« sagt Schramm, der dies mit der Hoffnung verbindet, dass nicht nur das jüdische Erbe, sondern auch das jüdische Leben in Thüringen eine große Öffentlichkeit erfährt.