Karen Engel, Rabbinerin, Berlin
Natürlich habe ich als gebürtige Kalifornierin gewählt – aber nicht Trump. Der ist in meinen Augen ein Autokrat und Gefahr für die Demokratie. Ebenso mache ich mir Sorgen, wie er mit der Klimapolitik verfahren wird. Auch seine Ideen zur Gesundheitspolitik, beispielsweise zur Krankenversicherung, gefallen mir nicht. Ferner würde er gerne die Meinungsfreiheit eingrenzen, weshalb Trump nicht gerade sparsam mit Drohungen ist. Die sollten wir ernst nehmen, denn normalerweise setzt er sie auch um. Es besteht ebenfalls das Risiko, dass der nächste Präsident das Militär und andere Institutionen missbraucht, um gegen politische Gegner zu kämpfen und seine Macht zu zementieren.
Wir haben in den USA das Problem, dass überdurchschnittlich viele Menschen wenig gebildet und informiert sind, vor allem in den ländlichen Regionen. In den Städten, vor allem in den Staaten der Ost- und Westküste, wo der Bildungsgrad ein höherer ist, konnte Trump weniger punkten. Was die jüdische Community in den USA betrifft, so glaube ich nicht, dass sich etwas ändern wird. Seine Tochter und sein Schwiegersohn sind ebenfalls jüdisch. Aber Trump greift gerne auf antisemitische Parolen oder Bilder zurück, um bestimmte Milieus anzusprechen und für sich zu gewinnen. Früher hatte er auch gerne die Nähe zu Rechtsradikalen gesucht. Er hat keine Moral.
Aaron Smith, Theaterpädagoge, Schauspieler und Inklusionsaktivist, Stuttgart
In meiner Familie sind wir alle sehr angeschlagen vom Wahlergebnis. Ich bin wegen der Chuppa meines Cousins mit meiner Frau nach Austin in Texas geflogen. So habe ich die Hochzeitsfeierlichkeiten mit meiner Stimmabgabe zur US-Wahl verbunden. Meinen Stimmzettel gab ich in der Synagoge Beth Israel ab, die eines der Wahllokale in Austin gewesen ist. Auf das Gotteshaus wurde nach dem 7. Oktober 2023 ein schwerer Brandanschlag verübt, die Spuren der Zerstörung waren am Wahltag noch sichtbar. Das Schöne am Judentum in den USA ist für meine Frau und mich, dass es so vielfältig ist und jüdische Gäste, egal, wohin sie gehen, willkommen geheißen werden.
Die überwältigende Mehrheit der jüdischen Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten hat auch in dieser Wahl die Demokraten gewählt. Austin, die Hauptstadt von Texas, wo unsere Familie lebt, ist wie die Mehrheit der Großstädte in dem US-Bundesstaat tiefblau, also demokratisch. Texas als ländlich geprägter Flächenstaat ist jedoch bekannt dafür, dass ein Großteil der Bevölkerung republikanisch wählt – insgesamt haben aber mehr als 40 Prozent dort für Vizepräsidentin Harris abgestimmt. Schon länger beobachte ich mit Sorge, dass immer mehr Rechte von Frauen oder Minderheiten wie Behinderte und Angehörige der queeren Community, eingeschränkt werden. Schwangere werden von rechtsextremen evangelikalen Gruppen mit Gewalt daran gehindert, gynäkologische Praxen und Kliniken zu betreten, um eine Abtreibung vorzunehmen.
Das führt verstärkt dazu, dass Menschen ohne richtige medizinische Hilfe in der Öffentlichkeit verbluten. Auch der finanzielle Etat für die öffentlichen Schulen soll in Zukunft stark gekürzt werden, dabei ist Texas im landesweiten Vergleich jetzt schon eines der Schlusslichter in Sachen Bildung. Was mir ebenfalls Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass viele jüngere Menschen ihre Stimme Trump gegeben haben und sich so leider gegen Menschenrechte und die Wahrung der Demokratie positionieren. Diese Entwicklung sehe ich auch in Europa. Soziale Medien und die ungefilterte aggressive Emotionalisierung haben meiner Meinung nach einen ungemein großen Anteil daran. Der sogenannte Inflation Reduction Act, der von Präsident Biden verabschiedet wurde, ist das weltweit größte von einer demokratischen Regierung auf den Weg gebrachte Investitionsprogramm gegen den Klimawandel.
»Jetzt gilt es mehr mehr denn je, die Gesellschaft für demokratische Parteien zu gewinnen«
Die Angst ist groß, dass Trump all diese Ansätze, die Klimakrise zu bewältigen, wieder rückgängig machen wird. Vor eineinhalb Jahren sind meine Frau und ich von Berlin, wo ich aufwuchs, nach Stuttgart gezogen und sind dort aktive Mitglieder der jüdischen Gemeinde. Mit den anstehenden Neuwahlen in Deutschland und den Entwicklungen in den USA, die zweifelsohne die Politik in Europa beeinflussen werden, ist es umso wichtiger für uns geworden, den jüdischen Zusammenhalt zu stärken.Wie wollen wir in Zukunft gemeinsam leben? Jetzt gilt es mehr denn je, die Gesellschaft für demokratische Parteien zu gewinnen.
Robert Ogman, Politik- und Sozialwissenschaftler, Stuttgart
Ich bin nicht schockiert, aber enttäuscht und besorgt. Trump war schon einmal Präsident der Vereinigten Staaten und wir kennen das Spiel. Als er vor vier Jahren die Wahl gegen Biden verlor, versuchte er mit Gewalt im Amt zu bleiben. Was wird ihn jetzt noch davon abhalten, demokratische Strukturen zu demontieren oder zu zerstören?
Mich beunruhigen auch seine Pläne, das Abtreibungsrecht zu verschärfen und die Waffengesetze zu lockern. So wird die Gesellschaft auseinandergenommen. Auch seine rassistischen und sexistischen Äußerungen sowie seine Drohungen, gegen politische Gegner anzuwenden, lassen einen nicht gut schlafen.
Die jüdische Gemeinschaft in den USA wählt mehrheitlich die Demokraten, weil sie für liberale Werte und soziale Sicherheit wie die Gesundheitsversorgung stehen. Doch der Antisemitismus nimmt zu. Viele Juden fühlen sich von den Demokraten nicht ausreichend unterstützt, etwa an Universitäten, wo Demonstranten den Terrorismus verherrlichten. Aber noch weniger trauen die Juden Trump zu, hier vernünftig einzugreifen.
»Wir brauchen in diesem Konflikt klarheit«
Das andere Thema ist der Nahostkonflikt. Trump hat in seiner ersten Amtszeit die Beziehungen zwischen Israel und einigen arabischen Ländern verbessert. Jetzt geht es darum, ob die Annäherung an Saudi-Arabien gelingt, um das Bündnis gegen die iranische Aggression auszubauen.
Gleichzeitig ist Trumps Haltung gegenüber der palästinensischen Zivilbevölkerung zu hart. Wir brauchen in diesem Konflikt Klarheit, aber auch Kompromissbereitschaft. Trump ist äußerst unberechenbar und deshalb gefährlich. Er besitzt keinen moralischen Kompass. Wer in ihm einen Heilsbringer sieht, wird enttäuscht werden.
Vladimir Blumin-Sint, Jurist, Berlin
Die Wahl von Donald Trump in den USA am 5. November erweckt in mir die Hoffnung auf eine Veränderung des ökonomischen Status quo in der Welt. Denn schon zu lange finanziert sich der moderne Staat – egal, ob es sich um den amerikanischen oder deutschen handelt – durch Schulden, die von meiner Generation in Zukunft abbezahlt werden müssen. Allein das Volumen der Zinsen zum Bedienen der Schulden in den USA übertrifft mittlerweile den gesamten Verteidigungshaushalt – ein Zustand, der bei unveränderter Weiterentwicklung zum Staatsbankrott oder zur Hyperinflation führen könnte. Dass dadurch auch die Sicherheit Europas, dessen Schutzpatron nach wie vor die USA ist, erheblich gefährdet wird, scheint offensichtlich.
Auch in Deutschland werden trotz Schuldenbremse jedes Jahr neue Schulden aufgenommen, um allein die Zinsschuld begleichen zu können. Die von Trump vorgeschlagene drastische Verkleinerung des Staates bringt zahlreiche positive Nebenfolgen mit sich. So werden Universitäten wie Harvard und Columbia, die in ihrer eigenen Studentenschaft radikale Islamisten tolerieren, Kürzungen erfahren. Der Staat, so Trump, sollte keine Institutionen fördern, die seine eigene Außenpolitik derart infrage stellen. Recht hat er.
Und weiter: Ich habe die Hoffnung, dass auch Europa ähnliche Reformen in Angriff nimmt, sollten sie in den USA Erfolg haben. Verkleinerung bedeutet nämlich auch Deregulierung, und es ist die endlose Bürokratie in Deutschland, die es so innovationsarm macht. Es waren einst europäische Juden, die durch ihren Erfindungsgeist den USA zum Weltmacht-Status verholfen haben. Die Amerikaner wagen Reformen, die einen Beitrag leisten, damit dieser Erfindungsgeist sich wieder durchsetzen kann.
Barbara Zuntz Bahr, Kassel
Ich glaube, es wäre für die Welt besser gewesen, wenn Harris die Wahl gewonnen hätte. Ich halte Trump für gefährlich und skrupellos - für mich ist er ein Mensch ohne Moral. Ich habe gelesen, dass 79 Prozent der amerikanischen jüdischen Community ihre Stimme für Harris abgegeben haben. Sollte das richtig sein, haben nur 21 Prozent von ihnen für Trump gestimmt. Ihr Argument war, dass er für Israel besser sei als Harris. Das mag ich nicht beurteilen. Ich hoffe aber, dass er in den USA und auf der Welt nicht allzu viel Schaden anrichten kann. Dabei denke ich auch an die vielen verantwortungsvollen Amtsträger in den USA, die er mit seinen Leuten ersetzen möchte, an amerikanischen Frauen, die nicht länger über ihren eigenen Körper bestimmen sollen, wenn es um auf Abtreibungen geht, und an die Migranten, die er loswerden möchte, beziehungsweise, die gar nicht erst in das Land kommen sollen.
»79 Prozent der jüdischen Community haben ihre Stimme für Harris abgegeben, nur 21 Prozent für Trump.«
Ein hoher Zaun wird da keine Lösung sein - zumal die Grenze viel zu lang dafür ist. Ich wünsche mir, dass die Amerikaner aufwachen und Widerstand leisten. Trumps Wähler finden beispielsweise die Benzinpreise viel zu hoch. Vielleicht bleiben die aber auch weiterhin so hoch. Sie glauben, sie werden unter Trump mehr Geld in ihrer Tasche haben als unter Biden. Ob sich das bewahrheitet, bezweifele ich. Fraglich ist auch, wie es mit den hohen Einfuhrzöllen weitergehen soll. Es kann ja kaum im Sinne der Amerikaner sein, dass sie für manche importierte Produkte, mehr Geld ausgeben müssen als früher. Das wird viele enttäuschen.
Meine Großeltern flohen einst von den Nazis, mein Vater kämpfte als GI im Zweiten Weltkrieg und kehrte danach zurück in die USA. Ein Austauschprogramm für Soziale Arbeit führte mich von dort nach Deutschland. Eigentlich wollte ich ein Jahr bleiben - unerwartet wurden daraus bisher 50 Jahren, die ich hier lebe.
Jeremy Borovitz, Rabbiner, Berlin
Ich bin US-Staatsbürger in der fünften Generation. Obwohl ich mit meiner Familie in Deutschland lebe und arbeite, wird Amerika in vielerlei Hinsicht immer meine Heimat bleiben. Natürlich habe ich viele Bedenken bezüglich der Präsidentschaftswahlen. Mit dem designierten Präsidenten Trump stimme ich in vielen Fragen nicht überein. Mit seinem Handeln vom 6. Januar 2021 sowie mit seinen unfreundlichen Worten und hasserfüllten Reden in der Öffentlichkeit hat er den Vereinigten Staaten von Amerika meiner Meinung nach großen Schaden zugefügt.
Ich bin in vielerlei Hinsicht besorgt über die Zukunft. So denke ich viel darüber nach, was Trumps Wahl für die Ukraine, ein Land, das mir sehr am Herzen liegt, und für Israel bedeuten wird. Vor allem aber mache ich mir Sorgen darüber, wie sich seine Präsidentschaft auf einige der am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen in Amerika auswirken wird. Trotzdem versuche ich auch, optimistisch zu bleiben.
Ich bin dankbar für eine friedliche Machtübergabe und dafür, dass die Demokratie in diesem Jahr gewonnen hat. Meine Hoffnung ist groß, dass die zweite Amtszeit von Präsident Trump anders verlaufen wird als seine erste und ihn das Mandat, das er vom amerikanischen Volk erhalten hat, mit Freundlichkeit, Mitgefühl und Verständnis erfüllen wird. In Pirkei Avot heißt es: »Beurteile jeden Menschen nach der guten Seite«. Rebbe Nachman von Bratslav lehrt, dass wir die Macht haben, die Menschen durch den Glauben an sie auf eine bessere Ebene zu bringen. Und so werde ich das Gebet für die Vereinigten Staaten mit neuem Eifer rezitieren und Gott bitten, uns eine bessere Zukunft zu schenken.
Aufgeschrieben von Christine Schmitt